Türkei schweigt zu Aleppo

Seite 2: USA und Türkei werden im Irak nicht gerne gesehen

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Unter Druck geraten die USA aber auch vermehrt im Irak, auch hier spielt die Türkei eine Rolle. Seit Dezember halten sich türkische Truppenverbände mit einigen Panzern trotz Protest der irakischen Regierung im Irak in der Nähe von Mosul auf. Die Türkei erklärt, man kämpfe hier gegen die Terrorgruppen des IS und der PKK und bilden sunnitische Araber für den Krieg gegen den IS aus. Bagdad sieht die Truppenpräsenz als Verletzung der territorialen Souveränität, zudem greifen türkische Kampfflugzeuge immer wieder Ziele der PKK im Nordirak an. Ankara sieht in den Kurden der Autonomen Region Kurdistan unter dem umstrittenen Präsidenten Barzani einen Verbündeten und hat Sorge, dass mit einer vorwiegend von Peschmerga, PKK und YPG getragenen Offensive auf Mosul die Großstadt von den irakischen Kurden beansprucht werden könnte. Barzani strebt allerdings wiederum eine Unabhängigkeit vom Irak an, was Erdogan natürlich mit Blick auf Syrien und das eigene Land nicht goutiert, auch wenn Barzani im Clinch mit den syrischen Kurden und der PKK liegt. Die Türkei beruft sich allerdings auf Barzani, der die Unterstützung der türkischen Soldaten angefordert haben soll.

Ausbildung von Scharfschützen im Irak. Bild: OIR/DoD

Zum Problem aber könnte auch werden, dass schiitische Milizen, die teilweise direkt von Iran gesteuert werden, einen wichtigen Teil der Offensive bilden könnten und es dann bei einer möglichen Eroberung der Stadt zur Konfrontation zwischen Schiiten und Kurden, sondern auch zwischen Schiiten und sunnitischen Irakern kommen könnte, die wiederum von der Türkei unterstützt werden. Der irakische Regierungschef Haider al-Abadi forderte nun erneut, dass sich die türkischen Soldaten zurückziehen sollen und warnt vor einem regionalen Konflikt. Weigert sich die Türkei auch dieses Mal, würde die Macht von al-Abadi, weiter im Streit mit Maliki, noch stärker untergraben.

Das irakische Parlament hatte am Dienstag dem türkischen Botschafter signalisiert, dass die türkischen Truppen als feindliche Besatzer verstanden werden, und wirtschaftliche Konsequenzen angedroht. Gestern bestellten die türkische und die irakische Regierung die jeweiligen Botschafter ein. Die Stimmung kocht hoch. Erdogan hatte erklärt, die Offensive auf Mosul sollte von lokalen Kräften, von "sunnitischen Arabern, Turkmenen und sunnitischen Kurden" ausgehen und wandte sich gegen die Beteiligung von schiitischen Milizen. Schließlich kann die Türkei schlecht mit schiitischen Milizen kooperieren, wenn sie sunnitische Milizen in Syrien im Kampf gegen schiitische Milizen aus dem Iran, dem Irak und dem Libanon unterstützt, die auf der Seite von Assad und Russland stehen. Auch das zeigt, wie verworren und unauflösbar die Situation in der Region ist und wie schon vor Beginn der Offensive der Streit darüber entbrannt ist, wer sich der Beute bemächtigen kann.

Die USA, die auch Bodentruppen im Irak stationiert haben und die Offensive mit vorbereiten, werden wiederum von Teilen der stark unter dem Einfluss von Teheran stehenden schiitischen Milizen abgelehnt. Sie wollen verhindern, dass sich US-Soldaten im Kampf um Mosul einmischen. Washington versucht hingegen stets, die schiitischen Milizen möglichst nicht an Angriffen auf Städte zu beteiligen, die vom IS befreit werden sollen. Es besteht berechtigte Furcht, dass diese Gräueltaten an Sunniten begehen, die verdächtigt werden, mit dem IS sympathisiert zu haben, zuletzt bei der Einnahme von Falludscha geschehen. Das könnte die sunnitische Bevölkerung wieder in die Arme des IS oder anderer islamistischer Terrorgruppen treiben, so die Befürchtung.

Allerdings sind die PMU, die schiitischen Milizen, im Irak so stark, dass auch die schiitisch dominierte Abadi-Regierung sie nur schwer kontrollieren kann. Sie lassen sich nicht in das irakische Militär eingliedern und drohen gelegentlich schon mal mit Aufstand. Da zudem die irakische Armee ohne Unterstützung der schiitischen Milizen kaum kampffähig ist, versucht Abadi auch bei den Amerikanern durchzusetzen, dass sie als Teil der irakischen Streitkräfte anerkannt werden sollen.

Die Milizen wollen verhindern, dass die USA einen Stützpunkt in der Provinz Ninive aufbauen, deren Hauptstadt Mosul ist. Gemeint sein könnte der Flugplatz Qayyarah, den die US-Truppen zu einem Stützpunkt für die Mosul-Offensive aufbauen wollen. Schon letzten Monat drohte PMU-Anführer Rayan al-Kaldani, dass man gegen alle nicht legitimen und ausländischen Kräfte in Mosul genauso wie gegen den IS kämpfen werde. Auch der Geistliche Muqtada al-Sadr, dessen Anhänger schon einmal gegen die US-Truppen gekämpft haben, droht damit, erneut gegen diese zu Felde zu ziehen.

Die US-Geführte Koalition soll wohl versehentlich eine Stellung von sunnitischen Kämpfern bei Qayyarah, die dort gegen den IS gekämpft hatten, bombardiert und mehr als 20 getötet haben. Das US-Militär hat angekündigt, den Vorfall zu untersuchen. Erst kürzlich haben Kampfflugzeuge der US-geführten Koalition "versehentlich" eine Stellung syrischer Soldaten bombardiert (USA scheinen sich in Syrien gefährlich zu verheddern).