Türkei setzt bewaffnete Drohnen auch im Inland ein

Die türkische Kampfdrohne Bayraktar TB2. Bild: Bayhaluk/CC-BY-SA-4.0

Mit den im Land selbst entwickelten Drohnen wurden nicht nur erstmals PKK-Stellungen im Nordirak beschossen, sondern vor wenigen Tagen auch angebliche PKK-Kämpfer in der Provinz Sirnak getötet

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Kaum beachtet wurde bislang, dass die Türkei Ende Oktober erstmals im Land selbst gebaute Kampfdrohnen eingesetzt hat. Damit wurden nicht nur Stellungen der PKK im Nordirak angegriffen, wo die Türkei seit Beginn der wieder aufgeflammten Kämpfe im Sommer 2015 diese mit Flugzeugen bombardiert, sondern auch erstmals im Inland. Das würde nach dem Standpunkt der Vereinten Nationen eine Verletzung der Menschenrechte und womöglich ein Kriegsverbrechen darstellen, sofern die türkische Regierung keinen Krieg gegen die PKK im Südosten des Landes führt

Das türkische Militär berichtete erstmals, dass am vergangenen Donnerstag, am 10. November, 19 "PKK-Terroristen" durch einen Drohnenangriff in der Provinz Sirnak im Südosten des Landes getötet worden seien. Die Provinz mit der gleichnamigen Hauptstadt liegt im Grenzgebiet zu Syrien und zum Irak und wird mehrheitlich von Kurden bewohnt. Der Angriff sei erfolgt, um die PKK bei ihren Vorbereitungen für den Winter abzuschrecken.

Zudem sei in der Gegend, es ist nicht klar, ob mit dem Drohnenangriff verbunden, ein Terrorist gefangen genommen worden, sieben Leichen habe man identifiziert, zerstört worden seien in Höhlen gelagerte Vorräte von Munition, Sprengstoff, Gewehren, Artillerie und medizinischer Ausrüstung. Symptomatisch für den nicht erklärten Krieg ist die Darstellung in der staatlichen Nachrichtenagentur, dass die PKK 700 türkische Sicherheitskräfte und mehr als 310 Zivilisten getötet hätten, während die türkische nur mehr als 10.000 "Terroristen" getötet oder gefangengenommen hätten, von zivilen Opfern, die der Türkei von Menschenrechtsorganisationen vorgeworfen werden, ist keine Rede.

Am Samstag wurden Kampfdrohnen nach einer weiteren Mitteilung des Militärs wieder eingesetzt. Dieses Mal im Nordirak, wo angeblich 6 PKK-Kämpfer auf den Bergen Nirva Seytu und Aşuş getötet wurden. Schon Ende Oktober waren nach Angaben des Militärs PKK-Stellungen im Nordirak angegriffen und Kämpfer getötet worden. Der erste Einsatz der Kampfdrohnen wurde wahrscheinlich im September geflogen, ebenfalls gegen die PKK. 5 "Terroristen" seien getötet worden.

Die Aufnahme des Drohnenkriegs durch die Türkei, obzwar länger angekündigt, geschah offenbar zu günstiger Zeit. Die Kämpfe im Irak und in Syrien sowie der Präsidentschaftswahl in den USA ließen den Schritt in eine neue Kampfführung unbeachtet, bei der nun explizit Kampfdrohnen auch im Inland gegen Gegner eingesetzt werden, die in der Regel türkische Staatsbürger sein werden.

In Syrien und im Irak beteiligen sich nun mit der Türkei mindestens 6 Staaten mit Kampfdrohnen an der Bekämpfung des Islamischen Staats und anderer auserkorener Feinde. Neben den USA, Großbritannien und Russland sind auch der Iran, Israel und jetzt die Türkei im ferngesteuerten Krieg unterwegs. Die irakischen Streitkräfte haben die von China im letzten Jahr erworbenen CH-4 Caihong-Drohnen bereits <x>eingesetzt::https://www.youtube.com/watch?v=soSR7N65D0U<x> (Irakische Regierung führt erste chinesische Kampfdrohne vor). Saudi-Arabien könnte wohl auch bald im Jemen-Krieg Kampfdrohnen verwenden - nach Gerüchten wurden diese von Israel gekauft. Und Pakistan hat auch bereits selbst entwickelte Drohnen vorgeführt und Ende des letzten Jahres erstmals damit "Militante" angegriffen und getötet (Pakistan beginnt Drohnenkrieg).

Die Türkei wollte ursprünglich Predator-Drohnen von den USA kaufen. Das wurde aber abgelehnt. Wegen des Konflikts mit Israel kam auch ein Kauf israelischer Drohnen nicht zustande. Daher trieb die Türkei die eigenständige Entwicklung von Kampfdrohnen voran. Eine dieser Bayraktar-Drohnen mit einer Flügelspannweite von 12 m, eine Länge von 6,5 m einem Startgewicht von 700 kg, inklusive 50 kg Last, und einer Reichweite von nur 150 km wurde im Dezember 2015 schließlich vorgeführt. Angekündigt wurde bereits, dass sie im Grenzgebiet zum Irak und zu Syrien eingesetzt werden soll, was bereits einschloss, dass sie gegen die PKK auch im Inland verwendet werden sollte.

Einsatz von Kampfdrohnen ist völkerrechtlich umstritten und geschieht in einer Grauzone

Der Einsatz von bewaffneten Drohnen ist weiterhin umstritten, obgleich sie als Waffenträger sich von vergleichbaren Waffensystemen wie Präzisionsraketen, die auch aus der Ferne von Schiffen, Flugzeugen oder Artilleriesystemen wie dem High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) abgeschossen werden, weil sie als Waffenträger ferngesteuert sind und ihre Waffen ebenfalls aus der Ferne abgefeuert werden. Drohnen, die vor Ort unterwegs sind, bieten vor allem eine Verkürzung bis hin zur Echtzeit zwischen Beobachten/Erkennen und Beschießen.

Von den Vereinten Nationen wird der Einsatz von bewaffneten Drohnen in bewaffneten Konflikten als legal erachtet, wenn sie gegen Kämpfer oder Zivilisten, die kampf-ähnliche Aktivitäten verfolgen, angewandt werden, um sie gezielt zu töten. Aber nach internationalem Recht müssten die Einsätze detailliert beschrieben werden, um nachzuweisen, dass sie kein Kriegsverbrechen darstellen. Philip Alston, der frühere UN-Sondergesandte für außergerichtliche Exekutionen, wies in einem 2010 veröffentlichten Bericht darauf hin, dass etwa das von der US-Regierung beanspruchte Recht auf Selbstverteidigung keineswegs ausreiche, um Menschen "überall und zu jeder Zeit" zu töten (Gezielte Tötungen mit Kampfdrohnen verletzen zunehmend internationales Recht).

Er warnte davor, dass Chaos ausbrechen werde, wenn dies von anderen Staaten übernommen werde, was seitdem auch eingetreten ist: "Die ernsten Probleme, die durch den Terrorismus entstehen, sind nicht bezweifelbar, aber die Tatsache, dass die Feinde nicht nach den Regeln spielen, bedeutet nicht, dass die US-Regierung sie einseitig neu interpretieren oder beiseite stellen kann." Sein Nachfolger Christof Heyns schrieb in dem von ihm 2013 veröffentlichtenBericht, dass bewaffnete Drohnen in einem bewaffneten Konflikt helfen können, Opfer unter Zivilisten zu reduzieren. Sofern es einen Hinweis auf zivile Opfer gebe, seien die Staaten verpflichtet, dies sofort und unabhängig überprüfen zu lassen. Dringend notwendig sei eine internationale Einigung über den völkerrechtlich legalen Einsatz von Drohnen und hohe Transparenz.

Allerdings dienen Drohnen nicht nur dem Zweck, den Gegner zu überraschen und Verluste der eigenen Kräfte zu vermeiden, sondern wohl auch, den Einsatz und die Angriffe weitgehend im Dunkeln zu lassen. Wie man in den letzten Jahren beobachten konnte, scheint der Einsatz von Drohnen in den Ländern, von denen sie weit entfernt eingesetzt werden, kaum Kritik hervorzubringen. Drohnenkriege werden verborgen geführt, Angriffe kommen oft nur zufällig an die Öffentlichkeit, wenn Zivilisten getötet wurden.

Dass die Türkei offensiv die Drohnenangriffe im Inland und im Nordirak propagiert, dürfte vor allem damit zu tun haben, einen Abschreckungs- und Einschüchterungseffekt damit zu erzielen. Völlig unbekümmert scheint man in der Türkei über die rechtliche Lage zu sein, aber hier waren die USA in der Tat die Vorreiter. Die Türe dürfte sich kaum mehr schließen lassen. Zu erwarten ist, dass bewaffnete Drohnen von mehr Ländern auch zur Terror- und Verbrechensbekämpfung im Inland eingesetzt werden.

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