Türkisches Parlament gewährt Militär Immunität im Kampf gegen die PKK

Seite 2: Schmutziger Krieg: Im Kampf gegen die PKK können nun die Handschuhe noch weiter ausgezogen werden

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Gerade hat das türkische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das zumindest eine Verbindung nahelegen würde. Vor einigen Tagen erst waren türkische Grenzsoldaten beschuldigt worden, auf Flüchtlinge, die von Syrien in die Türkei gelangen wollten, geschossen zu haben, wobei auch Kinder und Frauen getötet worden seien. Die türkische Regierung wies die Anschuldigungen zurück (Türkische Soldaten sollen mindestens 8 syrische Flüchtlinge getötet haben).

Jetzt tritt ein mehrheitlich vom Parlament, das bereits zahlreichen Abgeordneten die Immunität entzogen hat, verabschiedetes Gesetz in Kraft, das den Soldaten im Antiterrorkampf Immunität gewährleistet. Damit wird dem Militär, das von Erdogan in seinen Kompetenzen seit seinem Amtsantritt beschränkt wurde, eine Freikarte ausgestellt. Es wird nun schwer, wenn nicht unmöglich, dass Soldaten wegen Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können. Das ist sowieso nicht geschehen, obgleich dem Militär zahlreiche Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen die PKK bei den Belagerungen und Zerstörungen von Städten im überwiegend von Kurden bewohnten Teil der Türkei vorgeworfen wurden. Zu erwarten ist, dass das Militär nun noch brutaler auch gegen die kurdischen Zivilisten vorgehen wird, wenn die Soldaten nichts zu befürchten haben.

Um Soldaten zur Verantwortung ziehen zu können, müssen nun die Regierung oder die Militärführung die Genehmigung erteilen. Das Gesetz gilt auch rückwirkend, d.h. dass die Menschenrechtsverletzungen, die möglicherweise in Cizre oder anderswo begangen wurden, nicht mehr untersucht werden müssen. Erweitert werden auch die Befugnisse von Militärgerichten. Überdies können Kommandeure Haussuchungen anordnen.

Erdogan scheint mit seiner Politik die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zu haben. Nach einer aktuellen Umfrage würden nun 53,5 Prozent die AKP wählen, bei den Wahlen im November waren es 49,5 Prozent. Die HDP, die von der Regierung der Unterstützung der PKK bezichtigt wird und deren Abgeordnete Erdogan strafrechtlich verfolgen lassen will, würde nur noch 6,9 Prozent erhalten und damit nicht mehr ins Parlament kommen. Bei der ersten Wahl im letzten Jahr hatte der Erfolg der HDP der AKP die absolute Mehrheit vermasselt - und damit auch die Umwandlung des politischen Systems zu einer auf Erdogan zugeschnittenen Präsidialdemokratie.

Erdogan startete daraufhin den Krieg gegen die PKK und forcierte Neuwahlen, aus denen die AKP mit einer knappen absoluten Mehrheit hervorging. Glaubt man der Umfrage, hatte Erdogan mit seinem forschen Vorgehen auch gegenüber Russland und der Türkei Erfolg. 58,4 Prozent sollen den Übergang in ein Präsidialsystem unterstützen. 87,5 Prozent glauben, dass die AKP jetzt Wahlen gewinnen würde, 79 Prozent unterstützen das Vorgehen gegen die PKK. Damit hat Erdogan den Freibrief, den er nun auch dem Militär gegeben hat.