US-Komplexitätsforscher: Interplanetares Projekt gegen Klimawandel
- US-Komplexitätsforscher: Interplanetares Projekt gegen Klimawandel
- Extraterrestrisches Gedankenexperiment
- Motivationale Herkulesaufgabe
- Auf einer Seite lesen
Das Santa Fe Institute in New Mexico startet eine weltweite Initiative zur Rettung der Erde vor globalen Bedrohungen wie Klimawandel und Ressourcenverknappung
Während die US-Regierung das Weltklimaschutzabkommen gekündigt hat, fossile Energien fördert und Forschungsetats streicht, wollen die Wissenschaftler des Santa Fe Institute in New Mexico den schleichenden Suizid der Menschheit nicht länger hinnehmen. Das "Welthauptquartier der Komplexitätsforschung", so Instituts-Präsident David Krakauer, betrachte es als seine Aufgabe, eine Lösungsstrategie für das "komplexeste aller Probleme" anzubieten: das langfristige Fortbestehen komplexen Lebens auf der Erde.
Die transdisziplinäre Forschungseinrichtung am Fuße der Rocky Mountains hat daher das Projekt InterPlanetary gestartet. Die weltweite Initiative hat nichts Geringeres zum Ziel als die Rettung der Erde vor der Zerstörung durch den Menschen. Das Projekt umfasst eine gesellschaftlich-kulturelle Mission, eine Motivationsstrategie, ein wissenschaftliches Programm, eine Open-Source-Plattform und ein jährliches Festival im Stil von Burning Man.
Der Diskussion Hedonismus einimpfen
Globale Bedrohungen wie Umweltzerstörung, Rohstoffverknappung, ökonomische und soziale Ungleichheit, Bevölkerungswachstum und Kriege sind hochkomplexe Phänomene, die durch Vernetzung, vielfältige Wechselbeziehungen und Wandel gekennzeichnet sind. Sie erfordern fachübergreifende und problemorientierte Bewältigungsstrategien.
Eben diese ganzheitliche, transdisziplinäre Herangehensweise ist Kernkompetenz des Santa Fe Institute. Die privat finanzierte Forschungsanstalt bündelt ein weltweites Netzwerk von Wissenschaftlern verschiedenster Fachrichtungen, die komplexe, adaptive Systeme wie den menschlichen Organismus, Finanzmärkte und Ökosysteme erforschen.
InterPlanetary stellt die globalen Bedrohungen in einen "radikal neuen Kontext": Weltraumfaszination, Technikbegeisterung, Neugier, Abenteuerlust und Spieltrieb sollen als Vehikel dienen, um kreative Lösungen für die existenziellen Probleme des Planeten zu finden. "InterPlanetary will die kollektive Intelligenz der Erde aktivieren - jenseits von Landesgrenzen, Politik und Wirtschaft", erklärt Krakauer. Er hat etwas von einem Musketier aus einem alten Mantel-und-Degen-Film.
Dem Problem an der Quelle begegnen
"Wir leben in einer Zeit pandemischer Dummheit", sagt Krakauer, "das amerikanische Bildungssystem versagt und Politiker wenden einfache Regeln auf eine komplexe Welt an." Das könne nicht funktionieren. Der mathematische Biologe und Evolutionstheoretiker möchte die globalen Probleme an ihren Quellen angehen: der Egozentrik des Menschen und seiner mangelhaften Kenntnis über Wechselwirkungen in komplexen Systemen.
Der Mensch, so Krakauer, tue sich schwer damit, den Zusammenhang zwischen seinem Mikrokosmos und dem Makrokosmos zu verstehen solange er keine Beeinträchtigung seines persönlichen Wohlbefindens wahrnähme. "Wir müssen unsere Denkweise und unser Verhalten fundamental ändern", fordert er. Der theoretische Physiker Geoffrey West ergänzt: "Der Mensch muss im Kopf und im Herz begreifen, dass die Erde ein komplexes System und er ein Teil davon ist."
Mit proteischen Begriffen wie Inter-, Trans- und Antidisziplinarität lassen sich aber keine Massen mobilisieren. Das ist den Wissenschaftlern klar. Um die breite Bevölkerung für ein Projekt dieser Größenordnung zu motivieren, ist eine mächtigere Sprache nötig, die Bilder in den Köpfen entstehen lässt und jeden sofort erreicht.