US-Luftschläge töteten bislang angeblich 464 IS-Kämpfer
Anti-Terror-Einsatz könnte lange dauern
Der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge haben die von den USA angeführten Luftschläge gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in den ersten 77 Tagen seit dem 8. August zum Tod von 464 Kalifatskämpfern geführt. Darüber hinaus kamen 57 Bewaffnete aus anderen Rebellengruppen ums Leben - sie gehörten beispielsweise zur salafistischen al-Nusra-Front, aber auch zur kurdischen YPG-Miliz, die offenbar versehentlich getroffen wurde. Selbiges gilt für 32 Zivilisten.
Nimmt man an, dass die öffentlich kommunizierten Schätzungen der CIA einigermaßen zutreffend sind und dass das Kalifat über etwa 30.000 bewaffnete Anhänger verfügt, dann könnte der Anti-IS-Einsatz bei gleichbleibender Ausschaltungsrate noch bis 2027 dauern und über 2000 Zivilisten das Leben kosten. In solch einer Rechnung bleibt allerdings unberücksichtigt, dass die Terrorgruppe weitere militante Anhänger anlocken und rekrutieren dürfte, dass sie bei anhaltenden größeren Verlusten möglicherweise ihre Taktik ändert und dass vielleicht nicht alle IS-Terroristen bereit sind, bis zum bitteren Ende zu kämpfen.
Verkürzt werden könnte solch ein Einsatz theoretisch durch Flächenbombardements: Eine komplette Vernichtung des Salafistenkalifatszentrums ar-Raqqa wäre beispielsweise mit etwa 60 MOABs machbar (vgl. Finale mit der "Mutter aller Bomben"?). Russland, das seit 2007 über die mächtigste nichtatomare Waffe der Welt verfügt, würde das mit der Hälfte an Sprengkörpern schaffen. Den Mongolen gelang es 1258 sogar ganz ohne Bomben. Eine Vernichtung ar-Raqqas hätte allerdings den Tod von deutlich über 200.000 Zivilisten zur Folge. Das wäre jedoch nicht nur menschenrechtlich ausgesprochen problematisch, sondern könnte sich auch als militärisch kontraproduktiv erweisen, wenn die Empörung darüber Terrorgruppen mehr neue Rekruten in die Hände spielt als in der Kalifatshauptstadt getötet werden.
Effektiver als Luftschläge alleine dürfte deshalb die Bewaffnung und Unterstützung von Gruppen sein, die die Kharidschiten am Boden bekämpfen: Dazu gehören derzeit vor allem kurdische Peschmerga im Nordirak und die PKK-nahe kurdische YPG-Miliz in Nordsyrien. Letztere kämpft seit über einem Monat vor allem in und um die von ihr Kobanê genannte Stadt Ain al-Arab gegen die Kalifatsterroristen, die gestern die etwa vier Kilometer vor der Ortschaft gelegene strategisch wichtige Anhöhe Tal Shair nach neun Tagen erneut eroberten. Von diesem hohen Gelände aus können sie die kurdischen Stellungen deutlich wirkungsvoller beschießen.
Auch gegen die syrische Armee errang der IS diese Woche militärische Erfolge: In der Ölprovinz Deir ez-Zor kontrolliert die Terrorgruppe mehreren westlichen Nachrichtenagenturen zufolge nach schweren Gefechten inzwischen mehr als die Hälfte der gleichnamigen Provinzhauptstadt - darunter auch alle wichtigen Industriegebiete. Bei der staatsnahen syrischen Nachrichtenagentur Sana liest man von dieser Niederlage jedoch nichts. Dort finden sich stattdessen Meldungen über die angebliche Zerstörung von zwei der drei syrischen MIG-Kampfflugzeuge, die der IS erbeutet hatte, und von eigenen Hilfslieferungen an die Kurden in Kobanê (vgl. Kobane will Waffen, keine Peschmerga-Kämpfer). Die YPG hat inzwischen bestritten, derartige Hilfe erhalten zu haben.
Eine Zusammenarbeit mit den syrischen Streitkräften schließen die USA bislang explizit aus. Stattdessen wollen sie zusammen mit Saudi-Arabien und mehreren anderen arabischen Monarchien "moderate Rebellen" trainieren und bewaffnen, die sowohl gegen die syrische Regierung als auch gegen den IS kämpfen sollen. Allerdings erhebt auch die Türkei den Anspruch, diese auszubilden.
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