US-Regierung setzt sich im Sicherheitsrat durch
Kompromiss betont Rolle des Sicherheitsrates, lässt aber Bush weiter freie Hand
Saddam Hussein bekommt eine "letzte Gelegenheit", seine Abrüstungsverpflichtungen zu erfüllen und mit den Waffeninspekteuren zu kooperieren. Das hat der UN-Sicherheitsrat am Freitag in Resolution 1441 beschlossen. Der Resolution stimmten alle 15 Mitglieder des Sicherheitsrates zu, einschließlich Syrien. Das Land, das derzeit als einziger arabischer Staat dem obersten UN-Gremium angehört, schwenkte in letzter Minute um, nachdem Frankreichs Präsident Jacques Chirac und UN-Generalsekretär Kofi Annan mit dem syrischen Staatschef Assad telefoniert hatten. Chirac argumentierte, wie Diplomaten berichteten, dass ein Krieg mit der Resolution weniger wahrscheinlich sei als ohne. Der Irak hat jetzt sieben Tage Zeit, zu erklären, ob er die Resolution akzeptiert.
Die US-Regierung hatte nach den Kongresswahlen einen neuen Entwurf für eine UN-Resolution vorgelegt und dann auf eine Abstimmung gedrängt. Ursprünglich wollten die USA eine Resolution, während Frankreich zwei verschiedene befürwortete. Strittig war auch, ob das Verhalten des Irak gegenüber den UN-Inspektionen als "schwerwiegende Verletzung" von UN-Beschlüssen bezeichnet werden sollte, wie die USA forderten. Frankreich wollte diese Formulierung nur für vergangenes, nicht aber für zukünftiges Verhalten Iraks in dem Text wissen. Alles andere wäre nach Ansicht von Frankreich auf einen Automatismus zum Einsatz militärischer Mittel hinausgelaufen.
Die USA schlugen schließlich einen Kompromiss vor. Ein zukünftiger Verstoß des Irak gegen die UN-Auflagen wird zwar als "schwerwiegende Verletzung" bezeichnet. Allerdings soll in diesem Fall der UN-Chefinspektor dem Sicherheitsrat sofort Bericht erstatten, dieser solle dann "umgehend zusammenkommen, um über die neue Situation zu beraten". Das wurde von Frankreich wie auch von Russland und China akzeptiert. Alle drei können im Sicherheitsrat eine Resolution mit einem Veto blockieren.
Nach den ursprünglichen amerikanischen Vorstellungen hätte der Sicherheitsrat mit einer Resolution die Entscheidung über Krieg und Frieden de facto an die USA abgegeben. Insofern wäre die von den USA geforderte harte Resolution gegen Irak auf eine Schwächung des Sicherheitsrates und der Vereinten Nationen hinausgelaufen. Frankreich wollte dagegen eine Stärkung des Rates. "Das war das hauptsächliche und durchgängige Ziel Frankreichs durch die ganzen Verhandlungen hinweg", sagte der französische Botschafter Jean-David Levitte nach der Verabschiedung der Resolution.
Der Einsatz für den Sicherheitsrat war nicht ganz uneigennützig. Nur über die UN kann Frankreich mit den USA auf Augenhöhe verhandeln. Verärgert über das französische Verhalten brachte Robert Kagan, Kolumnist der Washington Post, diesen Punkt am 3. November auf den Punkt:
"Es ist keine Überraschung, wenn die Verhandlungen im Sicherheitsrat endlos dauern oder die Franzosen eine weitere Runde der Debatte zu einem späteren Zeitpunkt wollen. Wenn man Frankreich ist, will man, dass die Verhandlungen ewig weitergehen und dann auch die Inspektionen ewig weitergehen. Denn wenn die Verhandlungen und Inspektionen aufhören und der Krieg beginnt, wird die Weltmacht Amerika wieder eine Weltmacht und Frankreich wieder Frankreich."
Die Verhandlungen über die Resolution waren von Anfang an von US-Drohungen begleitet. "Wenn die UN nicht den Willen oder den Mut haben, Saddam Hussein zu entwaffnen, und wenn Saddam nicht im Interesse des Friedens abrüstet, werden die USA eine Koalition anführen und Saddam entwaffnen", drohte George W. Bush am 28. Oktober in New Mexiko. Während der noch laufenden Beratungen im UN-Sicherheitsrat haben die USA ihre Truppenverlegungen an den Persischen Golf fortgeführt. Am 28. Oktober verlautete aus dem Weißen Haus, die Bush-Regierung wolle dem Sicherheitsrat eine Deadline setzen, was kurz darauf allerdings wieder dementiert wurde. Doch die Drohung war deutlich.
Die spannende Frage ist jetzt, wie es bei eventuellen Verstößen des Irak weiter geht. "Wie wir bei vielen Gelegenheiten den Mitgliedern des Sicherheitsrates gesagt haben: die Resolution enthält keine 'verborgenen Auslöser' und keinen 'Automatismus' in Bezug auf den Einsatz von Gewalt. Wenn es eine weitere Verletzung durch Irak gibt, die dem Sicherheitsrat durch Unmovic, die IAEA oder einen Mitgliedsstaat berichtet wird, geht die Sache zur Diskussion zurück an den Sicherheitsrat", sagte der US-Botschafter bei der UN, John D. Negroponte. Jeremy Greenstock, der britische Botschafter, bekräftigte das. Allerdings wurde schon versucht, den die Position von Hans Blix, des Leiters von Unmovic, zu untergraben (US-Geheimdienste weisen auf geheime Anthrax-Vorräte im Irak hin).
Doch es gibt auch andere Interpretationen der UN-Resolution.
"And the compromise we came up with was that in the face of new violations, those violations will be referred to the Security Council for their consideration as to what they want to do with respect to the seriousness and how to cause Iraq to come into compliance.
And we are obliged to participate in that debate and to forward such violations to the Security Council. But there is no doubt that in that deliberation within the Security Council, the President has given up none of his ability, his authority to act to implement these resolutions or to protect the United States working with like-minded nations.
And there is a precedent for this kind of operation. It was a Kosovo precedent I can make reference to, where you didn't get a Security Council resolution, but like-minded nations came together. We never gave up any of the President's authority and there is no member of the Council who is confused on this point." - Press Background Briefing im Weißen Haus am 8.11.
Und auch US-Präsident Bush hat in seiner ersten Stellungnahme deutlich gemacht, dass er das "Recht auf Selbstverteidigung" nicht durch den Beschluss eingeschränkt sieht. Genau damit haben die USA aber ihren Krieg und ihre einzelnen Kampfeinsätze gegen Irak immer begründet. Allerdings würde Bush mit Alleingängen die jetzt gewonnene Einigkeit im Sicherheitsrat aufs Spiel setzen.