US-Wahl: Heute fällt die Entscheidung (die am 6. Januar bekannt gemacht wird)
Die Wahlleute schicken die Ergebnisse der Bundesstaaten an den Vizepräsidenten Mike Pence, der sie erst zu Beginn der neuen Legislaturperiode offiziell offenbart
Heute, am 14. Dezember 2020, treffen sich in den 50 US-Bundesstaaten die Angehörigen des Wahlkollegiums, das in den USA den Präsidenten wählt. In den meisten Bundesstaaten sind sie dabei gesetzlich an das Wahlergebnis vom 3. November gebunden. Dass sich diejenigen, denen keine Strafe droht, nicht daran halten, kommt vor – aber eher selten.
Ausnahme 1872
Eine größere Ausnahme davon gab es bislang lediglich 1872, als der trinkfreudige republikanische Kandidat Ulysses S. Grant dem Moralisten Horace Greeley nicht tugendhaft genug war, weshalb er mit einer eigenen Liberal Republican Party antrat. 24 Tage nach der Wahl, am 29. November 1872, verstarb der vegetarismusbegeisterte Moralist jedoch, worauf hin viele seine Wahlleute aus Georgia, Kentucky, Maryland, Missouri, Tennessee und Texas für den feuchteren Bewerber stimmten.
Votieren alle Wahlleute den am letzten Dienstag zertifizierten Ergebnissen nach, wird Joseph Biden mit 306 zu 232 Stimmen zum neuen Präsidenten gewählt. Sicher steht das jedoch erst in dreieinhalb Wochen fest. Denn erst einmal schicken die Bundesstaaten die Stimmen ihrer Wahlleute an den amtierenden Vizepräsidenten Mike Pence. Dann tritt am 3. Januar der neue Kongress mit seinen neu gewählten Mitgliedern zusammen - aber nicht ganz. Zwei Senatoren aus Georgia fehlen nämlich noch, weil es dort am 5. Januar eine Stichwahl gibt, die darüber entscheidet, ob Republikaner oder Demokraten im Senat eine Mehrheit haben.
Wie lange bleibt Biden Präsident?
Erst am 6. Januar lässt Pence dann dem Senat und dem Repräsentantenhaus in einer gemeinsamen Sitzung die Stimmabgaben der Wahlleute vorlesen und auszählen. Dann fragt er - wie der Priester bei einer Trauung - ob es Einwände gegen das Ergebnis gibt. 2021 könnte das mehr als ein bloßes Ritual werden, wenn es dem republikanischen Repräsentantenhausabgeordneten Morris Brooks aus Alabama gelingt, ein anderes Kongressmitglied für die Unterstützung so eines Einspruchs zu gewinnen.
Schafft er das, dürfte er die Wahl von Joseph Biden allerdings lediglich verzögern, und nicht aufhalten können: Einer Annahme der Einwände müssten nämlich beide Kammern zustimmen - auch das demokratisch beherrschte Repräsentantenhaus. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass der nächste US-Präsident, der am 20. Januar 2021 vereidigt wird, Joseph Biden heißt. Wenn er nicht - wie Horace Greeley - vorher stirbt.
Dass Biden vier Jahre lang Präsident bleibt, ist schon deutlich weniger wahrscheinlich. Einerseits liegt das an seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und Skandalen um seine Familie, die ihn nach einer gewissen Medienzurückhaltung vor der Wahl (vgl. Wunden lecken nach der Wahl) nach dem Amtsantritt einholen könnten. Andererseits hat er mit Kamala Harris eine Vizepräsidentin, die in ihrer bisherigen Karriere und im Vorwahlkampf zeigte, dass sie deutlich machtbewusster ist als beispielsweise ein Mike Pence oder ein Dan Quayle (vgl. "[Kamala Harris] brachte 1.500 Menschen wegen Verstößen gegen die Marihuanagesetze ins Gefängnis …).
Trumps Chance auf weitere Präsidentschaft erst 2025
Die realistischste Chance, die Donald Trump derzeit auf eine weitere Präsidentschaft zu haben scheint, ist die auf jene, welche im Januar 2025 beginnt. Rechtlich hält ihn nichts von einem Antreten bei der Wahl 2024 ab. Ob er die republikanischen Vorwahlen dazu noch einmal gewinnen kann, ist jedoch insofern fraglich, als sich auch die republikanische Partei verändert hat - anstatt von der abgemachten Wahl eines Establishment-Kandidaten wie Jeb Bush auszugehen debattiert man dort nun über volksnähere Kandidaten wie Ted Cruz, Tucker Carlson und Candace Owens.
Trump könnte sich in so einem Fall hinter einen dieser Kandidaten stellen, für die auch er den Weg ebnete - oder er könnte mit einer dritten Partei antreten, wie Teddy Roosevelt das 1912 mit seiner Progressive Party machte, als ihn die Republikaner nicht mehr aufstellten (vgl. Von Liberals zu Progressives). Gewonnen hat mit so einer dritten Partei in den USA allerdings schon seit 1860 niemand mehr. Damals waren die Republikaner die Partei, die vorher noch nie einen Präsidenten gestellt hatte. Und ihr Kandidat hieß Abraham Lincoln.
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