USA: Bevölkerung wächst, Geburtenrate fällt auf Rekordtiefstand
Seit der Finanzkrise geht es trotz oder wegen des erneuten Wirtschaftswachstums bergab, was die USA - wie etwa auch Deutschland - noch mehr zu einem Einwandererland macht
Die Bevölkerung in den USA wächst alle 17 Sekunden um eine Person an. Jetzt leben nach der US-Statistikbehörde über 330 Millionen Menschen im Land, 1980 waren es noch etwas mehr 226 Millionen. Neuerdings werden auch die "internationalen Migranten" erfasst. Da soll alle 33 Sekunden einer ins Land kommen, womit sie vermutlich stark zum Bevölkerungswachstum beitragen. Und während all 11 Sekunden ein Amerikaner stirbt, wird alle 8 Sekunden ein Kind geboren. Es kommen also auch mehr Kinder auf die Welt, als Amerikaner sterben. Das sollte eigentlich kein Grund zur Besorgnis sein.
In Deutschland starben 2018 zum Vergleich 167.000 mehr Menschen, als Kinder geboren wurden, die Bevölkerung wächst leicht 2018 um 0,3 Prozent -, weil mehr zu- als abwandern.
Gerade wurden vom National Center for Health Statistics die neuen Daten zur Geburtsrate veröffentlicht. Und da geht es stetig abwärts. 59,1 Geburten kommen auf tausend Frauen im gebärfähigen Alter im Jahr 2018, ein Rekordtiefstand. 2 Prozent geringer als 2017 und 15 Prozent weniger als 2007. Dabei fällt die Geburtsrate nicht nur bei den Weißen, sondern in allen Bevölkerungsschichten.
Mit der Finanzkrise oder der "Großen Rezession" fiel die Geburtsrate stark ab. Das ließ sich erwarten, wenn man davon ausgeht, dass in Wirtschaftskrisen mit sinkendem Einkommen und steigender Arbeitslosigkeit weniger Kinder erzeugt oder ausgetragen werden. Wenn es den Menschen besser geht, so wundert sich gerade die New York Times, müssten aber eigentlich die Geburtsraten wieder steigen. Das sei so nach der Großen Depression in den 1930er Jahren geschehen, aber jetzt habe sich die Geburtenrate nach der Großen Rezession, abgesehen von einem kleinen Hoch 2014, nicht wieder erholt, sondern sie ist seitdem weiter zurückgegangen, seit 2014 in kontinuierlicher Folge. Wirtschaftlich würde man dann von einer Rezession sprechen.
Geburtenrate hängt nicht mehr mit dem Wirtschaftswachstum zusammen
Vermutlich sind die Annahmen zu einfach. Sie widersprechen beispielsweise dem Sachverhalt, dass reichere Länder und reichere Schichten normalerweise weniger Kinder haben, während Menschen in Entwicklungsländern mehr Kinder auf die Welt bringen, obwohl die Aussichten über deren Karrieren unsicher sind, aber mehr Kinder könnten die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass für die Eltern im Alter besser gesorgt wird, weil soziale Sicherungen fehlen. Also könnte die Geburtenrate in den USA deswegen fallen, weil es den Menschen finanziell besser geht? Aber auch das ist nur eine Vermutung.
In Deutschland ist die Geburtenrate Ende der 2000er Jahre kontinuierlich wieder auf den Stand der 1970er Jahre gestiegen, aber sie blieb weit unter dem Stand der 1960er Jahre. Mit einem Peak 2016 geht es seitdem nach unten, dabei ist die Wirtschaft gewachsen und die Arbeitslosigkeit gesunken. Interessant ist auch, dass ab 2017 weniger erste, aber mehr zweite und dritte Kinder geboren wurden. Wer schon ein Kind hat, so könnte man schlussfolgern, traut sich auch - weil die Partnerschaft und sie Einkommenssituation stabil sind? -, weitere Kinder zu bekommen, wer vor der Entscheidung steht, scheut sich eher, das erste Kind zu bekommen und schiebt es weiter hinaus.
Dass die Geburtenrate nicht mehr mit dem Wirtschaftswachstum zusammenhängt, sondern davon abgekoppelt ist, könnte auch damit zu tun haben, dass von einem Aufschwung nicht mehr alle profitieren. Nach der Finanzkrise haben die Reichen und der obere Mittelstand Zuwächse erfahren, für eine breite Schicht der Bevölkerung sind die Löhne bestenfalls stagniert, dazu ist in Deutschland ebenso wie in den USA die Zahl der Geringverdiener und der prekären Arbeitsplätze gewachsen. Es gibt weniger Arbeitslosigkeit, aber auch weniger Sicherheit, geringere Einkommen und mehr Zukunftsangst.
Ob das auch mit der steigenden Verschuldung zusammenhängt? Sie ist mit der Finanzkrise explodiert, 2013-2015 wieder unter eine Billion US-Dollar pro Jahr gesunken. Nach einem Peak 2016, wo die Staatsverschuldung wieder auf 1,2 Billionen anwuchs, hatte Donald Trump im ersten Präsidentschaftsjahr nur etwas mehr als 600 Millionen neue Schulden gemacht, ist aber 2017 auf 1,2 und 2018 auf über 1,3 Billionen jährlich gestiegen, Tendenz weiter steigend. Vor einem Jahr lagen die Staatsschulden bei 21,8 Billionen US-Dollar, jetzt sind es 23 Billionen, 40 Prozent werden vom Ausland gehalten. Jeder Haushalt ist mit 180.000 US-Dollar verschuldet. Seit 2001 werden weniger Steuern eingenommen, als Staatsausgaben gemacht werden. Zudem steigt die Verschuldung der Haushalte weiter an. US-Bürger sind allein mit 1,4 Billionen US-Dollar für Studiendarlehen verschuldet. Die Hochschulkosten sind in den letzten 20 Jahren stark gestiegen und werden dies weiter tun. 70 Prozent der Hochschulabgänger sind verschuldet, durchschnittlich mit 37.000 US-Dollar.
An amerikanischen Daten fällt auf, dass die Geburtenrate und die Zahl der Geburten seit 1970er Jahren nach unten fielen, ab Ende der 1970er Jahre ging es für die Zahl der Geburten nach oben, während die Geburtenrate eher stagnierte, um 1990 einen Peak zu erreichen. In den 1990ern sanken Geburten und Zahl der Geburten, als manche ein andauerndes, durch Technik angetriebenes Wirtschaftswachstum und Wohlstand für alle prophezeiten. Wired, damals ein Kultmedium, fragte provokativ: "Wir gehen einem Vierteljahrhundert Wohlstand, Freiheit und besserem Umweltschutz auf der ganzen Welt entgegen. Haben Sie damit ein Problem?" Ein "long boom" wurde prophezeit. Dann kamen die Jahrtausendwende, der Dotcom-Crash und schließlich 9/11 und die Zeit der langen Kriege (GWOT), die Geburten und die Geburtenrate nahmen dennoch zu. Mit der "Großen Rezession" drehte sich die Entwicklung wieder nach unten - offenbar unaufhaltsam.
Aber es sind weitere Veränderungen erkennbar. So kriegen die Teenager weniger Kinder (steigt die sexuelle Abstinenz oder werden mehr Verhütungsmittel verwendet?), vor allem kriegen mehr Frauen Ende 30 und Anfang 40 mehr Kinder und es sind mehr Frauen mit Hochschulabschlüssen. Es wird also wahrscheinlich abgewartet, bis die beruflichen und finanziellen Existenzgrundlagen gesichert sind. Das Durchschnittsalter der Frauen bei der ersten Geburt ist mit fast 27 Jahren auf ein Rekordhoch (in Deutschland liegt es bei 30 Jahren).
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