USA wollen die Führung nicht abgeben

Das Tauziehen um eine neue Irak-Resolution geht weiter

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Auch bei den Gesprächen in Genf am Samstag konnten sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - neben den USA China, Frankreich, Großbritannien und Russland - nicht auf eine gemeinsame Position verständigen.

Umstritten ist nach wie vor, wie viel Macht die UNO im Irak bekommen soll. Frankreich und Deutschland legten letzte Woche einen gemeinsamen Vorschlag vor, wonach eine irakische Übergangsregierung gebildet werden soll, die der UNO verantwortlich ist. Im Gegenzug behielten die USA das Kommando über eine multinationale Besatzungstruppe. Frankreich will zudem einen strikten Zeitplan: Bis Ende des Jahres solle unter der Aufsicht des UN-Sicherheitsrates eine neue irakische Verfassung erarbeitet, spätestens nächstes Frühjahr Wahlen abgehalten werden. Die russische Position ist etwas moderater als die französische. Moskau würde sich mit einer etwas langsameren Übergabe der politischen Kontrolle an die UNO zufrieden geben.

Die Vereinigten Staaten lehnen solche Vorstellungen bisher strikt ab. Die USA hätten Menschenleben und Ressourcen in den Krieg investiert und müssten deshalb auch die Führung haben, stellte Außenminister Colin Powell vor den Gesprächen in Genf laut "New York Times" klar. Besonders störte sich Powell an dem von Frankreich vorgeschlagenen Zeitplan, den er als "unrealistisch" kritisierte. Powell argumentierte, der von den USA einberufene provisorische Verwaltungsrat solle einen geeigneten Zeitplan erarbeiten. Der Verwaltungsrat hat jetzt verlauten lassen, eine verfassungsgebende Versammlung würde bald einberufen werden, über den erarbeiteten Verfassungsentwurf solle im Juni nächsten Jahres abgestimmt werden.

US-Außenminister Colin Powell brach nach den gescheiterten Gesprächen in Genf zu einem Besuch nach Kuwait und in den Irak auf. Gegenüber der Presse versuchte er noch, das Scheitern zu kaschieren und betonte, dass es auch viele Übereinstimmungen gegeben habe. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan, der ebenfalls an dem Treffen teilgenommen hatte, lobte das Treffen als "konstruktiv". Doch bis zur UN-Vollversammlung diese Woche finden keine offiziellen Verhandlungen mehr statt.

Bleibt nun die Frage, wer sich zuerst bewegt. Die US-Regierung hofft, über eine neue Resolution mehr Staaten zu militärischer und finanzieller Hilfe bewegen zu können. Aber auch die Forderung von Frankreich und Deutschland nach einer Übergabe der Macht an die Vereinten Nationen ist alles andere als uneigennützig: Die Besatzung unter US-Kontrolle begünstigt amerikanische Unternehmen. Die major contracts für den Wiederaufbau sind allesamt an US-Firmen wie Bechtel und Halliburton gegangen, die dann wiederum einzelne Aufträge an Sub-Unternehmer vergeben (vgl. Der große Jackpot). Je länger die US-Besatzung andauert, je mehr Aufträge über Bechtel & Co vergeben werden, desto schlechter für die deutsche und französische Wirtschaft, die traditionell gute Wirtschaftskontakte zum Irak hat.

Eine der Schlüsselfragen ist jetzt, wer die Kontrolle über den sogenannten Entwicklungsfond hat, in den derzeit alle Einnahmen des Irak einschließlich der Erlöse aus dem Ölgeschäft fließen. Laut UN-Sicherheitsratsresolution 1483 üben derzeit die USA als Besatzungsmacht die Kontrolle über den Fond aus. Daraus werden beispielsweise Wiederaufbauprojekte der U.S. Export-Import Bank (ExIm) bezahlt. Deutschland und Frankreich fordern daher, die Kontrolle über den Ölverkauf in die Hände einer Übergangsregierung unter Kontrolle der UNO zu legen. Vor der nächsten internationalen Geberkonferenz, die im Oktober in Madrid stattfindet, solle zudem ein internationales Gremium eingerichtet werden, das die Verwendungen von Einnahmen aus dem Ölverkauf und von Hilfsgeldern überprüft.

Unterdessen mehren sich die Anzeichen, dass Indien auch dann keine Soldaten in den Irak entsenden wird, wenn eine neue UN-Resolution verabschiedet ist. Für die US-Regierung wäre das ein schwerer Schlag, hatte sie doch die indische Regierung im Sommer gebeten, 15-20.000 Soldaten zu schicken. Die indische Regierung sagte daraufhin zu, einen Einsatz im Irak unter der Bedingung zu prüfen, dass ein "explizites UN-Mandat" vorliegt. Wie die "Times of India" letzte Woche berichtete, will die indische Regierung jetzt aber anderweitige Verpflichtungen geltend machen: Ein Drittel der Armee sei mit Aufstandsbekämpfung in Kashmir, Jammu sowie im Nordosten des Landes beschäftigt, hieß es aus Regierungskreisen, zudem sei die 1,1 Millionen Soldaten starke indische Armee an der indischen-pakistanischen Grenze "schwer beschäftigt". Offiziell hat die indische Regierung allerdings noch nicht bekannt gegeben, ob sich das Land an der Besatzung beteiligen will.