Uber, Zalando & Co.: Wie Risikokapital den Kampf um Marktdominanz treibt
Digitalisierung versprach grenzenlosen Aufschwung. Doch Online-Shops haben Umsatzeinbußen und KI führt zu Fehlern. Wie kann das Geschäft noch funktionieren?
Die Digitalisierung scheint nicht für einen unendlichen Boom zu sorgen – die Zeiten des Wachstums im deutschen Onlinehandel sind vorerst vorbei. "Big Player im Onlinehandel verlieren Umsatz", berichtet die Lebensmittelzeitung. Die umsatzstärksten Onlineshops, die den Großteil des B2C-Onlinehandels in Deutschland ausmachen, verzeichnen für das abgelaufene Jahr einen Umsatzrückgang von 2,8 Prozent, wie eine neue Studie von EHI und ecommerceDB zeigt. Damit ist das kontinuierliche Wachstum des Online-Handels erstmals in der 15-jährigen Geschichte der Studie gestoppt.
Eine weitere Negativmeldung wurde von den Analysten hingegen positiv aufgenommen: Der Essenslieferdienst Delivery Hero hat im ersten Halbjahr ein Minus von gut 832 Millionen Euro gemacht – und damit deutlich weniger Verlust als bisher, nach knapp 1,5 Milliarden Euro Minus im Vorjahreszeitraum, berichtet das Manager Magazin.
Delivery Hero ist ein Paradebeispiel der Plattformökonomie und betreibt weltweit unter verschiedenen Markennamen Online-Bestelldienste, die Kunden an Restaurants vermitteln. Die Einnahmen sollen durch eine am Bestellumsatz orientierte Provision erzielt werden. "Der hartnäckig ausbleibende Gewinn ist die Dauerbaustelle von Delivery Hero", bemängelt die Wirtschaftswoche.
Beobachter fragen sich: Wie ist das möglich? Zumal das Unternehmen kein Einzelfall ist – eine Plattform aufzubauen und zu betreiben, ist enorm teuer. Der Online-Modehändler Zalando hatte jahrelang nur Verluste zu vermelden. Wie kann ein Fahrdienst-Vermittler wie Uber ein Jahrzehnt lang ohne Gewinn arbeiten? Die Antwort lautet: "Venture-Capital" (VC), das Risikokapital einer Beteiligungsgesellschaft zur Finanzierung.
Wagniskapital ist riskant, aber lukrativ. Die meisten Investitionen scheitern, aber einige wenige erzielen überdurchschnittliche Renditen, sagt Nils Peters. Er ist Fellow of Economic Sociology an der London School of Economics und forscht zur Entwicklung von Online-Diensten. Risikokapitalgeber erwerben Minderheitsbeteiligungen in einer frühen Phase nach der Gründung. Gewinne können sie realisieren, wenn das Unternehmen übernommen wird oder an die Börse geht.
Für Plattformen ist Rentabilität weniger wichtig als schnelles Wachstum. VC-Geschäftsstrategien hängen wiederum davon ab, dass die Investoren in der Lage sind, finanzielle Verluste über mehrere Jahre hinweg zu verkraften. Im Fall von Uber habe es von der Gründung bis zum Börsengang zehn Jahre gedauert, so Peters.
Ziel sei es auch, eine Marktdominanz zu erreichen, wie sie Google (Alphabet), Amazon, Facebook (Meta), Apple und Microsoft erreicht haben. Die Nutzer sollen an einen einzigen Dienst gebunden werden. Konkurrenten haben es immer schwerer. Risikokapital treibe die Unternehmen dazu, Konkurrenten auszuschließen, kritisiert Peters.
Mit dieser Logik haben Finanzakteure das Internet geprägt. Ein weiterer Effekt des VC-Einflusses: Jedes Jahr scheint ein neuer Hype nötig zu sein, um das Investment interessant zu machen. Das zeigt der Kampf zwischen Uber und Lyft oder bei Lebensmittellieferungen zwischen Getir und Gorillas.
Wie dies den Druck auf die Unternehmen erhöht, zeigt das Beispiel "Künstliche Intelligenz" (KI). KI ist ein florierendes Geschäft für Unternehmensberatungen. Die Nachfrage nach Beratung zum Einsatz von Sprachmodellen wie ChatGPT ist enorm. Das Handelsblatt schreibt dazu:
So rasant KI in den vergangenen Monaten in den Fokus geraten ist, so hektisch versuchen McKinsey, BCG und andere Strategieberater, sich zu positionieren und für den Kunden ein schlagkräftiges Beratungsangebot vorzuhalten: Wer hat die meisten Digitalexperten? Wer hat die besten Studien?
McKinsey verspricht vorwiegend Effizienzgewinne durch KI in Billionenhöhe. Die Boston Consulting Group (BCG) sieht das Thema dagegen kritischer. In einer Studie zeigen sie, dass die Textrecherche durch KI enorm erleichtert wird. Bei der Suche nach einer "wertmaximierenden Lösung" im Sinne des Kunden habe sich die Leistung der Berater aber um 23 Prozent deutlich verschlechtert: KI habe nicht die beste Lösung gefunden, sondern die Berater hätten der Technologie vertraut, ohne selbst noch einmal grundlegend zu analysieren.
"Es besteht die Gefahr, dass Technologiegläubigkeit und auch Bequemlichkeit dazu führen, dass es zu schlechteren Ergebnissen kommt", gibt BCG-Zentraleuropachef Michael Brigl zu. Meldungen wie "KI macht Berater denkfaul" machen die Unternehmensberater nervös, weil sie ihr Geschäftsmodell bedroht sehen.
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