Über den Erfolg des rechten Populismus
Nicht raffinierte Propaganda, sondern die veränderte wirtschaftliche Lage veranlasst Globalisierungsverlierer, rechte Populisten zu wählen. Grundwerte werden dabei aufgegeben
Dass Rechtspopulisten in Ungarn und Polen an die Macht gelangen konnten, wurde nationalen Besonderheiten und propagandistischem Geschick zugeschrieben. Als der Populismus dann aber in den "Wiegen der westlichen Demokratie" Großbritannien und USA erfolgreich war, gerieten Verteidiger abendländischer Werte in Schockstarre. Das Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahlen wurde daraufhin in den EU-Hauptstädten mit Erleichterung aufgenommen, ja sogar als Beginn einer Wende interpretiert.
Endlich hätten verantwortungsbewusste Politiker begriffen, dass die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen seien. Anstatt mit fremden- und EU-feindlichen Agitatoren zu wetteifern, wie es etwa Repräsentanten der CSU tun, soll sich Regierungstätigkeit sichtbarer an Werten ausrichten. Das Wachstum der Einkommensschere soll gestoppt, soziales Engagement erhöht und das Image der EU aufpoliert werden.
Der Martin-Schulz-Boom steht für diese Neuorientierung. Die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen zeigen jedoch unmissverständlich, dass bei den Bürgern erhebliche Zweifel bestehen, ob nach einem Regierungswechsel den starken Worten entsprechende Taten folgen würden.
Protest der Globalisierungsverlierer
Wie die Wählerbefragungen belegen, lassen sich die überraschenden Resultate der drei wichtigen Urnengänge der vergangenen zwölf Monate kaum durch populistische Stimmungsmache erklären. Vielmehr offenbaren sie, dass sich die gesellschaftlichen Interessenlagen während der letzten Jahrzehnte maßgeblich verändert haben. Ein wachsender Teil der Bürger beklagt eine Verschlechterung der aktuellen wirtschaftlichen Situation, noch stärker sind die Zukunftserwartungen gesunken. Bei "n-tv.de" wird das Brexit-Ergebnis wie folgt kommentiert:
Ohnehin konnten die EU-Gegner vor allem bei Menschen punkten, die von sich selbst sagen würden, zu den untersten sozialen Schichten zu gehören. In Großbritannien kennt man die Bezeichnungen ‚DE-Class‘. Dazu gehören gering oder gar nicht ausgebildete Arbeiter, Geringverdiener, Rentner und Personen, die auf Unterstützung des Staates angewiesen sind. … 68 Prozent der Personen, deren höchster Abschluss der GCSE ist, wollen die EU nicht mehr. Der GCSE entspricht in etwa dem deutschen Realschulabschluss.
n-tv
Zur US-Präsidentschaftswahl schreibt "Spiegel-Online":
Einer der entscheidenden Gründe für Donald Trumps Wahlsieg dürfte dessen Mobilisierung von frustrierten, sich aktuell in der Politik nicht angemessen vertreten fühlenden Wählern sein. Hierzu zählen im besonderen Maß ältere, weiße Männer. Nicht zufällig fiel die Wahlentscheidung in den altindustriellen Staaten des "rust belt".
Der Spiegel
Und nach der ersten Wahlrunde in Frankreich merkt [Link auf http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/waehler-frankreich-analyse-wahlbeteiligung]die "Zeit" an:
dass vor allem eine Wählerschicht im zweiten Wahlgang wichtig sein wird. In Deutschland nennt man sie im Zusammenhang mit rechtspopulistischen Parteien gerne die Abgehängten, die Globalisierungsverlierer, die mit ihrer eigenen Situation Frustrierten. In Frankreich spricht man häufig von den "classes populaires", den Unterschichten, die die Basis Le Pens ausmachen sollen. Und tatsächlich: Unter den Arbeitern und Arbeitslosen hatte Marine Le Pen den größten Erfolg, gefolgt von Jean-Luc Mélenchon.
Die Zeit
Wiederholt warfen Medien und Politiker rechten Populisten vor, durch eine Mobilisierung von Ressentiments und mithilfe von Fake-News Ängste zu schüren. Dabei beziehen sie sich insbesondere auf die Themen Flüchtlingshilfe und Wirtschaftsimmigration. Die Wahlanalysen zeigen jedoch, dass weder rassistische noch anti-islamistische Beweggründe für das Stimmverhalten der Bürger ausschlaggebend waren.
Wenn sich sozial Abgehängte statistisch häufiger fremdenfeindlich äußern, dann offenbar aufgrund realer Betroffenheit. Zum einen wetteifern Immigranten mit ihnen um die Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich mit der Gefahr von Jobverlust und Lohndumping. Zum andern absorbieren Unterbringung und Integration von Flüchtlingen staatliche Mittel, sodass Einsparungen an gesellschaftlichen Leistungen befürchtet werden.