Über den Erfolg des rechten Populismus
Seite 5: Demokratieverständnis ohne Moral
Demokratie wird auf einen Kampf von Interessengruppen reduziert, die nach maximalem Eigennutz streben. Kompromisse werden nur akzeptiert, soweit sie unvermeidlich sind, moralische Aspekte bleiben weitgehend auf der Strecke. Auf der Grundlage eines formalen Demokratieverständnisses lässt sich Kritik leicht durch den Hinweis abwehren, es würden doch allgemein anerkannte Prinzipien und Regeln respektiert.
Ähnlich der Lobbyarbeit großer Konzerne nehmen sich nationalistische Populisten das Recht, die Interessen ihrer Klientel schonungslos durchzuboxen. Staatsbürger sollen zu Lasten von Immigranten begünstigt werden, konservative Weiße zu Lasten von rebellischen Schwarzen, Christen zu Lasten von Moslems, Heterosexuelle zu Lasten von Homosexuellen, Arbeitsplätze zu Lasten der Umwelt, nationale Interessen zu Lasten globaler Verpflichtungen. Spektakuläre Aktionen werden favorisiert, später eintretende Negativfolgen meist verdrängt. Um für möglichen Widerstand gewappnet zu sein, sollen mehr Finanzmittel für die Ausrüstung der Ordnungskräfte bereitgestellt werden.
Der Erfolg des Rechtspopulismus erklärt sich aus dem sukzessiven Werteverlust, der dem rauen Klima des sich verschärfenden Verteilungskampfs geschuldet ist. Wachsender Leistungsdruck, Lohneinbußen und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen kennzeichnen zunehmend die Beschäftigungsverhältnisse. Die Wahrung von Besitzständen wird daher für viele zur primären Aufgabe. Die Angst vor sozialem Abstieg führt dazu, dass sich Berufstätige in gutdotierten Stellungen von einer Solidarität mit Geringverdienern und Arbeitslosen lossagen.
Bei wachsendem gesellschaftlichem Dissens werden nationale Interessen zum wichtigen Bindeglied. Indem rechtspopulistische Parteien eine Front gegen auswärtige Gegner errichten, reanimieren sie das durch wirtschaftliche Zwänge gestörte Gemeinschaftsgefühl. Hierdurch werden selbst Empfängern von Sozialleistungen Privilegien zuteil.
Der "Schwarze Peter" wird an jene Weltbewohner weitergereicht, die einen Bruchteil der hiesigen Minimaleinkommen beziehen. Sie arbeiten auf afrikanischen Kakaoplantagen, in peruanischen Silberminen oder in den Textilfabriken Bangladeschs. Weitere hunderte Millionen Slum-Bewohner des Südens leben von Trickle-down-Effekten und Zuwendungen internationaler Organisationen.
In der Absicht Donald Trumps, die US-amerikanische Entwicklungshilfe und die Mittel für zahlreiche Projekte in den ärmsten Weltregionen rigoros zusammenzustreichen, offenbaren sich die wohl bedenklichsten Seiten des "America First".