Über den Erfolg des rechten Populismus
Seite 2: Wechsel linker Stammwähler zu den Rechtspopulisten
- Über den Erfolg des rechten Populismus
- Wechsel linker Stammwähler zu den Rechtspopulisten
- Wirtschaftlicher Niedergang der Mittelschichten
- Gefährdung volkswirtschaftlicher Interessen
- Demokratieverständnis ohne Moral
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Der Stimmenzuwachs der Labour-Party bei den britischen Unterhauswahlen zeigt, dass sich gesellschaftlicher Protest auch nach links entladen kann. Dennoch artikulierten sich im Wahlergebnis eher Mistrauen gegenüber der Regierung von Theresa May und Angst vor einem harten Brexit als eine Zustimmung zur politischen Linie Jeremy Corbyns.
Gleichwohl überraschte der Erfolg von Jean-Luc Mélenchon im ersten Präsidentschaftswahlgang, wobei allerdings die besonderen französischen Bedingungen zu berücksichtigen sind. Wenn manche Linke Zeichen für eine Trendwende ausmachen, dann handelt es sich augenscheinlich um ein ähnliches Wunschdenken wie bei der Annahme, Emmanuel Macrons Sieg in Frankreich zeuge von der Renaissance eines neoliberalen Pragmatismus.
Wie die Wahlanalysen dokumentieren, sind es vor allem die unteren Einkommensschichten und damit die Klientel linker Parteien, die sich von den Losungen rechter Populisten angezogen fühlen. Handelt es sich vornehmlich um eine erfolgreiche Bauernfängerei? Tragen möglicherweise die Medien die Hauptschuld, indem sie die nationalistische Rechte hoffähig gemacht haben und linke Alternativkonzepte verunglimpfen?
Die Vertreter traditioneller Arbeiterparteien sollten zunächst darüber sinnieren, ob sich die gesellschaftliche Lage ihrer Stammwähler verändert hat. Fraglos hat die Globalisierung Beschäftigungsmöglichkeiten und -bedingungen nachhaltig beeinträchtigt, ebenfalls die Durchsetzbarkeit sozialer und materieller Forderungen.
Auf ihrem Hannoveraner Parteitag hat die Linke nun ein Programm der "Gerechtigkeitswende" beschlossen, das angesichts der günstigen Wirtschaftlage tatsächlich finanzierbar erscheint. Dass der aktuell nutzbare Handlungsspielraum ein Resultat von Agenda 2010 und jahrelang praktizierter Lohndrückerei ist, wird dabei genauso unterschlagen wie der globale Druck, dem die deutsche Volkswirtschaft nach einer Realisierung des Programms zunehmend ausgesetzt wäre. Forderungen nach höheren Einkommen und Sozialleistungen dürften die Glaubwürdigkeit linker Politik kaum stärken, solange internationale Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt werden.
Lumpenproletariat oder Arbeiteraristokratie?
Dass Teile der Unterschichten sich dem Kampf für eine Verbesserung ihrer sozialen Lage entziehen und von ihren Interessenvertretungen abwenden, wurde bereits von Karl Marx thematisiert. Er verweist auf das Lumpenproletariat, das er in die Nähe von Kriminellen rückt. Es lebe von den Abfällen der Gesellschaft, sei käuflich und tauge nicht als Bündnispartner. Letzteres gilt ebenfalls für die von Marx beschriebene, später von Wladimir Iljitsch Lenin begrifflich erweiterte Arbeiteraristokratie, die als Erklärung für die Wurzeln des Reformismus diente. Eine Elite innerhalb der Arbeiterschaft profitiere von der kapitalistischen Ausbeutung und sei bemüht, ihre privilegierte Stellung durch Kumpanei mit dem Kapital zu erhalten.
Die Anhänger des Brexit wie auch die Wähler Donald Trumps, der Front National, der polnischen PiS und der ungarischen Fidesz können schwerlich dem Lumpenproletariat oder der Arbeiteraristokratie zugeordnet werden. Auch wenn sie sich von ihrer "traditionellen Avantgarde" nicht repräsentiert fühlen, sind sie weder arbeitsscheu und asozial noch sehen sie sich in einer Interessenfront mit der gesellschaftlichen Elite. In ihrem Stimmverhalten artikulieren sich vielmehr Ohnmacht und Zukunftsangst, dazu ein wachsender Zorn auf die Herrschenden. Die politische Linke wird mancherorts als deren Teil begriffen, weshalb sie besonders Protestwähler verloren hat.