Über die aktuelle Gefährlichkeit unterkomplexen Denkens
Seite 2: Unterkomplexes Denken in der Politik ist gefährlich
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- Unterkomplexes Denken in der Politik ist gefährlich
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Teilbereiche wirken systemisch zusammen und können eine dynamische und weltumspannende Wirkung zeigen. So zeigt uns die Verbreitung des Coronavirus, wie ein Virus zu Ansteckungsängsten in den Menschen, zu einem veränderten zwischenmenschlichen Verhalten, zu wirtschaftlichen Krisen, wie dem Umsatzeinbruch von Unternehmen und Massenentlassungen, sowie politischen Krisen führen kann.
Genauso kann die Corona-Krise zeigen, dass ein neoliberales Wirtschaftsregime, im Zuge dessen die Privatisierung und Kommerzialisierung des Gesundheitswesens vorgenommen wird, nicht geeignet ist, eine Pandemie erfolgreich zu bekämpfen. Der schreckliche Preis ist eine hohe Zahl an Schwererkrankten und Toten.
Nicht zu verstehen, wie alles zusammenhängt, kann daher höchst gefährlich sein. Auch die Wirkungen alltäglichen Verhaltens, also auf der Mikroebene, zu unterschätzen, kann äußerst gefährlich sein. Zu unterschätzen, was das alltägliche mediale Betrachten von Morden und zwischenmenschlicher Quälerei und das virtuelle Mitwirken in diesem Geschehen im jungen Menschen anrichten kann, bedeutet die psychische Anfälligkeit von Menschen zu übersehen. Amokläufe Jugendlicher in Schulen, aber auch die durch den Medienkonsum verstärkte Bereitschaft, im Krieg zu töten, sind Ausdruck dieser Ignoranz.
Der Zusammenhang wird ebenfalls deutlich, wenn wir uns die Verbrennung von Braun- oder Steinkohle zur Beheizung aber auch zur industriellen Energieproduktion in ihrer Verbindung zur Freisetzung weiterer Klimagase betrachten. Die u.a. durch die CO2-Emissionen entstehende Klimaaufheizung führt zu vielfältigen Auswirkungen von der Veränderung der Meeresströmungen, über die Entstehung von Wüsten, dem vermehrten Auftreten heftiger Stürme, dem Abschmelzen der Gletscher, dem Anstieg des Meeresspiegels bis hin zum Auftauen des Permafrostbodens und der entsprechenden Freisetzung wiederum Klima relevanten Methans.
Die klimatischen und ökologischen Verschiebungen und Verwerfungen führen zu Hungerkatastrophen, zu Massenfluchten und Völkerwanderungen, die wiederum nicht bereitwillig von den Einheimischen hingenommen werden und zu gewalttätigen Auseinandersetzungen sowie zur Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse in einer Region führen.
Zum eingangs erwähnten Beispiel hinsichtlich der von Lindner und Merz geforderten Laufzeitverlängerung der drei AKWs ist zu sagen: Die Verlängerung der Laufzeiten der drei noch aktiven AKWs umfasst nur sechs Prozent der deutschen Stromversorgung und ist daher zur Lösung des kommenden Energieproblems irrelevant.
Robert Habeck verwies zu Recht auf diesen Aspekt. Auch die restlichen drei Atomkraftwerke stellen eine gefährliche Energieversorgung dar. Die nuklearen Katastrophen in Tschernobyl, Harrisburg und Fukushima dokumentieren dies. Gerade in unfriedlichen Zeiten sind AKWs gefährdet, zum Ziel terroristischer Anschläge von Kriegsparteien oder extremistischer Terrorgruppen zu werden.
Bis heute existiert für die nukleare Energieversorgung kein realistisches Konzept der Entsorgung des radioaktiven Abfalls. Dieser wird Hunderten von Generationen zur kostenintensiven und gefährlichen Bewachung hinterlassen. Dies bedeutet, dass hier im öffentlichen Diskurs eine Ausschaltung komplexen Denkens erfolgt, um eine populistische Strategie zu verfolgen, denn Lindner und Merz sind sicherlich die komplexeren Argumente bekannt.
Sahra Wagenknechts öffentliche vorgenommene Analyse ist unterkomplex und einseitig verengend hinsichtlich der übertriebenen Schuldzuweisung gegenüber der Nato. Hingegen ist Wagenknecht durchaus in der Lage, ausgesprochen komplex und ganzheitlich zu denken, wenn es z.B. um die gesellschaftswissenschaftliche Kritik kapitalistischer Krisenbewältigung geht. Daher ist auch hier anzunehmen, dass wiederum in populistischer Manier versucht wird in der öffentlichen Wahrnehmung ein einseitiges Bild – wider besseres Wissen – entstehen zu lassen.
Sicherlich weiß sie, dass sich die osteuropäischen Staaten nach 1990 vom sowjetrussischen Einfluss befreien wollten, indem sie sich von Russland lossagten, sich als souverän erklärten und in der Mehrheit der Nato beitraten. Dies war dann auch ihr Recht als souveräne Staaten.
Dies als einseitig als ein gefährliches Heranrücken der Nato an die Russische Föderation zu deuten und als Grund für den Überfall auf die Ukraine auszugeben vernachlässigt das völkisch-nationalistische Denken der russischen Regierung Putin'scher Prägung sowie deren neoimperialistischen Interessen. Die Folge ist eine verschobene Schuldzuweisung, die sogar Putin noch als bestärkendes Argument und Legitimation dienen kann.