Über die militärische Unfähigkeit Russlands – und die der USA

Seite 3: Die wahre Verteidigungslinie der USA

Es wird Sie vielleicht nicht überraschen, dass der Plan für eine Armee der Zukunft, oder besser gesagt die Vision darüber, keinerlei Aussagen zu den Kosten enthält. Auch werden mögliche Komplikationen nicht berücksichtigt – zum Beispiel mit Atomwaffen ausgerüstete Gegner –, die die angestrebte Überlegenheit in allen Bereichen beeinträchtigen könnten.

Dennoch verdient das Dokument unsere Aufmerksamkeit als ein hervorragendes Beispiel für die Denkweise des Pentagons. Denn es liefert die präferierte Antwort für das Militär auf eine Frage von nahezu existenzieller Bedeutung – nicht aber auf die Frage "Wie kann das Heer dazu beitragen, die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten?", sondern darauf "Wie kann das Heer sein Budget aufrechterhalten und im Idealfall erhöhen?"

Hinter der Frage verbirgt sich die Annahme, dass ein Militär mit globaler Reichweite und enormer globaler Präsenz erforderlich ist, um die Sicherheit der Amerikaner wenn auch nur scheinbar zu gewährleisten. Angesichts der spektakulären Ergebnisse des James-Webb-Teleskops wird der Begriff "galaktisch" vielleicht eines Tages den Begriff "global" im Lexikon des Pentagons ersetzen.

In der Zwischenzeit unterhält das Pentagon vielleicht 750 Militärbasen auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis, verweigert sich aber einer Ausrichtung auf das übergeordnete Ziel, die Amerikaner dort, wo sie leben – d. h. innerhalb der Grenzen der 50 US-Bundesstaaten – zu beschützen.

Und hier kommen wir zum Kern der Sache: Der militarisierte Globalismus – das vom Pentagon bevorzugte Paradigma – ist zunehmend unbezahlbar geworden. Im Laufe der Zeit ist es auch zur Nebensache geworden. Die Amerikaner haben aber schlicht nicht die Mittel, um die im Pentagon ausgeheckten Haushaltsforderungen zu erfüllen, vor allem wenn sie die elementarsten Probleme ignorieren, mit denen wir konfrontiert sind, darunter Krankheiten, Dürre, Waldbrände, Überschwemmungen und der Anstieg des Meeresspiegels, ganz zu schweigen von der Abwendung eines möglichen Zusammenbruchs unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Militärische Dominanz über alle Bereiche hinweg ist für solche Bedrohungen kaum von Bedeutung.

Um für die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Republik zu sorgen, brauchen wir keine weiteren Verbesserungen in Bezug auf militärische Geschlossenheit, Taktiken mit kombinierten Waffen, flexible Führung und reaktionsschnelle Logistik. Stattdessen brauchen wir einen völlig anderen Ansatz für die nationale Sicherheit.

In Anbetracht des prekären Zustands der amerikanischen Demokratie, den Präsident Biden in seiner jüngsten Rede in Philadelphia treffend beschrieben hat, besteht unsere dringendste Priorität darin, die Schäden an unserem innenpolitischen Gefüge zu beheben, und nicht darin, uns auf den nächsten "Großmachtwettbewerb" einzulassen, den sich die hitzigen Köpfe in Washington ausdenken. Anders ausgedrückt: Die Verfassung ist wichtiger als das Schicksal Taiwans.

Ich bitte um Entschuldigung: Ich weiß, dass ich lästere. Aber die Zeiten legen nahe, dass wir das Für und Wider abwägen. Angesichts der Tatsache, dass ernstzunehmende Leute öffentlich vor dem möglichen Herannahen eines Bürgerkriegs warnen und viele unserer viel zu gut bewaffneten Mitbürger diese Aussicht begrüßen, ist vielleicht der Moment gekommen, die selbstverständlichen Prämissen zu überdenken, die die nationale Sicherheitspolitik der USA seit den unmittelbaren Nachwehen des Zweiten Weltkriegs gestützt haben.

Befürworte ich damit eine Politik des Isolationismus?

Um Himmels willen! Vielmehr geht es mir um ein Mindestmaß an Bescheidenheit und Besonnenheit und um Respekt vor dem Krieg (und nicht um Vernarrt-Sein in ihn).

Hier liegt die Zwickmühle, in die das Pentagon sich selbst – und den Rest von uns – gebracht hat: Indem es sich darauf vorbereitet, überall gegen jeden Feind in jeder Art von Konflikt zu kämpfen (wie ineffektiv auch immer), kämpft es nirgendwo wirklich gegen etwas Spezifisches. Daher der Drang, spontan zu improvisieren, wie es in jedem unserer Konflikte seit dem Vietnamkrieg der Fall war. Gelegentlich klappt das auch, wie bei der längst vergessenen, im Grunde bedeutungslosen Invasion der Karibikinsel Grenada 1983. Meistens klappt es jedoch nicht, ganz gleich, wie energisch unsere Generäle und Truppen die Grundsätze der Geschlossenheit, der kombinierten Waffen, der Führung und der Logistik anwenden.

Die Amerikaner verbringen in diesen Tagen viel Zeit damit, herauszufinden, wie Wladimir Putin tickt. Ich gebe nicht vor, es zu wissen, und es interessiert mich auch nicht wirklich. Ich würde jedoch Folgendes sagen: Putins Einmarsch in die Ukraine bestätigt, dass er nichts aus der Torheit der US-Militärpolitik nach 9/11 gelernt hat.

Werden wir unsererseits etwas aus Putins Torheit lernen? Verlassen Sie sich nicht darauf.

Der Artikel von Andrew Bacevich erscheint in Kooperation mit dem US-amerikanischen Online-Magazin TomDispatch.

Andrew Bacevich ist Präsident des Quincy Institute for Responsible Statecraft und schreibt regelmäßig für TomDispatch. Sein neues Buch, das er gemeinsam mit Danny Sjursen herausgegeben hat, heißt "Paths of Dissent: Soldiers Speak Out Against America's Misguided Wars". Im November wird sein neues Dispatch-Buch "On Shedding an Obsolete Past: Bidding Farewell to the American Century" veröffentlicht.

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