Überraschende Ereignisse in den MH-17-Ermittlungen

Kurz nach dem Beginn des MH17-Prozesses wird der leitende Staatsanwalt Fred Westerbeke Chef der Polizei von Rotterdam, angeblich soll auch der Chef der ukrainischen MH17-Ermittler entlassen worden sein

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Vor dem beginnenden MH-17-Prozess scheint Bewegung ins Spiel zu kommen. Fred Westerbeke, der die JIT-Ermittlungen als Staatsanwalt leitete, aber auch für andere Ermittlungen im Bereich Terrorismus und Organisierte Kriminalität zuständig ist, wird am 1. April Chef der Polizei von Rotterdam. Die Versetzung ist kurz nach dem Beginn des Prozesses Anfang März, der bis in das Jahr 2021 geplant ist und unter strengen Sicherheitsbedingungen stattfinden soll, eine bemerkenswerte Entscheidung.

Nicht bekannt scheint nach den Medienberichten zu sein, wer Westerbekes Nachfolger wird. Der Staatsanwalt ersetzt Frank Paauw, der im Frühjahr Polizeichef von Amsterdam wurde. Da gab es also eine Lücke zu füllen, zumal Westerbeke seine Laufbahn als Polizist und dann als Staatsanwalt in Rotterdam begonnen hatte. Aber ihn zu Beginn des politisch hoch angesetzten Mammutprozesses aus dem Job zu nehmen, lässt zumindest auch auf eine veränderte Einstellung schließen. War man mit Westerbekes Ermittlungen nicht zufrieden, war er zu sehr auf Russland fixiert, was aber auch die niederländische Regierung war und ist, oder wird im zu große Laxheit angelastet?

Zuletzt ist dem JIT trotz Intervention der niederländischen Regierung der als wichtige Zeuge und schließlich als Verdächtige bezeichnete Wladimir Zemak (Tsemakh) durch den Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland verlustig gegangen. Er hätte womöglich der einzige Zeuge/Verdächtige sein können, der vor Gericht oder über einen Videolink befragt werden kann. Die vier übrigen Verdächtigen werden nicht vor Gericht erscheinen. Zemak, dem die Beteiligung an einer Terrororganisation (der "Volksrepublik Donezk") und das Verstecken des Buk-Systems vorgeworfen wird, was auf sehr wackeligen Beinen steht, war vom ukrainischen Geheimdienst nach Kiew entführt worden und sollte dort wohl gegen Angebote, wie er behauptet, gegen russische Verdächtige aussagen.

Der neuen ukrainischen Regierung war der Gefangenenaustausch allerdings wichtiger als der MH17-Zeuge. Jetzt befindet er sich wieder in Donezk und dürfte von der Ukraine als Staatsbürger auch gar nicht ausgeliefert werden (Niederländisches Parlament fordert Ermittlungen gegen die Ukraine). Die niederländische Staatsanwaltschaft hat bekannt gegeben, dass sie Zemak als Verdächtigen betrachtet, aber noch nicht weiß, ob sie Klage gegen ihn erheben wird. Das lässt das Spiel offen, sieht aber sehr nach Taktieren aus. Wollte vielleicht Westerbeke dabei nicht mitspielen? Zemak selbst hat gegen die Niederlande Klage beim EuGH eingereicht.

Auch in der Ukraine ergab sich eine überraschende Wende, wenn denn die Informationen zutreffen, die Larisa Sargan, die einstige Pressesprecherin des vom neuen Präsidenten Selenskyi abgesetzten Generalstaatsanwalts Yuri Lutsenko, auf ihrem Facebook-Account vor kurzem mitteilte. Danach sei der ukrainische Staatsanwalt, der Chef des ukrainischen MH17-Ermittlungsteams, entlassen worden. Angeblich sei Westerbeke daraufhin gleich nach Kiew gereist und wollte sich mit dem seit August amtierenden Generalstaatsanwalt Ruslan Rjaboschapka treffen. Der soll aber keine Zeit für ihn gehabt haben, nur sein Stellvertreter, will Sargan von einem Kollegen aus den Niederlanden erfahren haben.

Sie äußert den Verdacht, dass der ukrainische Geheimdienst SBU die Ermittlungen zusammenführen wolle und dass dabei Russland eine Rolle spielen könnte. Aber sie scheint der neuen Regierung nicht gewogen zu sein, weswegen man ihren Behauptungen nicht unbedingt Glauben schenken muss.

Update vom 27.12.2019 19:15

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mittlerweile auf Sargan reagiert, wenn auch sybillinisch. Die Behauptung von Sargan wird nicht zurückgewiesen, sondern es wird von der "Verbreitung ungenauer Informationen" gesprochen. Das "internationale Ermittlungsteam" bestehe "aus 7 Staatsanwälten und 11 Staatsanwälten des nationalen Ermittlungsteams", die ihre Arbeit mit hoher Professionalität foirtsetzen würden. Die Verfahrungsführung obliege einer neu eingerichteten "Abteilung für die Überwachung der Strafverfolgung bei Straftaten in bewaffneten Konflikten". Audrücklich betont wird, dass "die Generalstaatsanwaltschaft ein verlässlicher internationaler Partner" bleibe.