Ugly, Ugly, Ugly
Bush in Gefahr? Gezeichnete Pistole provoziert Geheimdienst
"Wenn ich jeden Tag nicht mindestens einen Anruf bekomme, in dem ich als Schwachkopf oder Arschloch beschimpft werde, dann hab' ich meinen Job nicht gut gemacht", soll der politische Zeichner Michael Ramirez einmal gesagt haben.
Um den Mann müssen wir uns keine Sorgen machen: Er ist in den letzten Tagen so ausgiebig beschimpft worden, dass es für eine ganze Karriere reichen sollte. Nicht nur das, er hat es auch geschafft, dass sich der US-Geheimdienst Sorgen um den Präsidenten macht, denn möglicherweise wird er ernsthaft bedroht; bedroht von einer Waffe, die auf seinen Kopf gerichtet ist. Der Umstand, dass es sich um eine gezeichnete Waffe handelt, macht die Bedrohung nicht weniger real und unheilschwanger; das scheint zumindest der Secret Service zu finden. "Wir wissen, dass es dieses Bild gibt und jetzt sind wir dabei, festzustellen, was und ob wir etwas unternehmen werden", so der Sprecher der Organisation und ein anderes Mitglied, das anonym bleiben wollte macht klar:
Der Geheimdienst nimmt Drohungen an alle seine Schützlinge sehr ernst und er hat die Pflicht, jeder Drohung, die einer seiner Schützlinge erhält, nachzugehen.
Die Bedrohung geht auf der Zeichnung von einer dunklen Gestalt mit dem Vermerk "Politik" aus, Bush steht in einer Kulisse mit der Bezeichnung "Irak". Seine Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Seine Ohren sind sehr groß.
Ramirez, dem Urheber des Cartoons, könnte weiland doch etwas mulmig geworden sein, denn er hat ausdrücklich erklärt, seine Karikatur, die am Sonntag in der Los Angeles Times erschien, sei nicht als Bedrohung intendiert: Er habe ja im Gegenteil für Bush plädieren wollen mit dieser Metapher, die auf dessen politische Hinrichtung verweist, die er für ungerechtfertigt halte. Eigentlich soll also diese gezeichnete Waffe Bush schützen vor der Häme der politischen Vernichtung, indem sie auf diese hinweist.
In jedem Fall ist die Inspiration, aus welcher das Bild geboren ist, interessant; bei dem Vorbild zu der Zeichnung handelt sich um ein berühmtes Foto aus dem Vietnamkrieg, auf dem ein Vietkong kurz vor seiner Erschießung gezeigt wird. Das Foto wurde 1968 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, eine Ehre, die übrigens auch Michael Ramirez schon zuteil wurde (1994). Das Foto aus dem Vietnamkrieg hatte damals ein Umschwenken der Öffentlichkeit in Bezug auf den Krieg bewirkt.
"Präsident Bush ist, metaphorisch gesprochen, das Ziel einer politischen Hinrichtung und das wegen 16 Worten, die er in der Rede an die Nation äußerte" (vgl. "Macbeth" und die gefälschten Niger-Dokumente), so Ramirez. Unmetaphorisch gesprochen klingt das ganz schön nach sich-rausreden-wollen; aber wer kann's ihm verdenken. Als der Geheimdienstagent bei ihm anrief, hatte der Zeichner das Ganze erst für einen witzigen Telefonstreich gehalten. Als die Typen dann in seinem Büro auftauchten, um in den Räumen eine "Routinedurchsuchung" vorzunehmen, dürfte er dann ganz schön gestaunt haben. Vom Geheimdienst als Bedrohung angesehen zu werden, ist in diesen Zeiten wohl auch für einen preisdekorierten Provokationsroutinier wie Ramirez nicht witzig. Oder doch? Zu wünschen wäre es ihm.
Sein Hausblatt, die L.A. Times, hat distanziert betont, dass Cartoons generell nicht die Meinung der Zeitung, sondern die des Urhebers repräsentierten. Die Kommentare in anderen Blättern sind wenig freundlich: Als "sinnlos, bösartig und dumm" bezeichneten die einen Ramirez' Werk, während andere schon in der Schlagzeile tobten: COMIC NOT FUNNY BUT UGLY UGLY UGLY. (Satire und Geschmacklosigkeit schließen sich aber nicht immer aus - vgl. Gandhi hauen, "Dummheit: Sich vor einen Bulldozer setzen, um Terroristen zu schützen" - zum Glück haben wir Deutschen mit der Titanic ein Blatt, welches uns das immer wieder aufs schönste vorführt.)
Immerhin: Der Vorsitzende des House Homeland Security Committee warf dem Geheimdienst "extrem schlechtes Urteilsvermögen" vor und forderte, er müsse sich bei Ramirez entschuldigen.