Ukraine: Eine Allianz gegen die Bevölkerung

Fussnoten

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WDR-Korrespondent Stephan Laack hält Poroschenkos Wahlsieg für ein "ermutigendes Zeichen" (tagesschau.de, 26. Mai), Ingo Mannteufel von der Deutschen Welle sieht in Poroschenko einen Mann der "politischen Mitte" (dw.de, 25. Mai), Uwe Westdörp von der Neuen Osnabrücker Zeitung hält Poroschenko für einen "attraktiven Kandidaten" (noz.de, 25. Mai) und Christian Rothenberg von n-tv meinte sogar: "Ja zu Poroschenko, nein zu Putin! (…) Besser hätte es kaum laufen können." (n-tv.de, 26. Mai)

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Dies erläutert Sergej Leschenko, Journalist der Ukrainskaja Prawda in einem Interview mit dem Arte Journal.

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Pawlo Lazarenko war in den 1990er Jahren ein mächtiger Dnipropetrowsker Oligarch. Laut dem Osteuropamagazin "Ostpol" war er "Ziehvater" von Julia Timoschenko. Seine Protektion war eine zentrale Bedingung für ihren Reichtum. Seit 2006 sitzt Lazarenko in den USA wegen Geldwäsche und Korruption im Gefängnis.

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Der ukrainisch-georgische Journalist wurde im Herbst 2000 ermordet. Leonid Kutschma wird bis heute als Auftraggeber der Tat vermutet, musste sich aber nie vor Gericht dafür verantworten.

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Der heutige Präsident der Ukraine Petro Poroschenko wurde 2005 nach der "Orangenen Revolution" Vorsitzender des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates des Landes und ab 2007 Chef der Nationalbank. 2009 übernahm er zusätzlich noch den Posten des Außenministers. Juschtschenko und Poroschenko sind gegenseitig Paten ihrer Kinder. Auch mit Janukowitsch verdarb es sich Poroschenko erstmal nicht und wurde Wirtschaftsminister in dessen Amtszeit.

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Tigipkos Eintrag beim US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes

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Dies ist etwa bei den Ukraine-Nachrichten, 12. Juli 2011 zu lesen.

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Auch viele weitere Kandidaten sind wohlhabend. Grund für diesen Reichenauflauf ist sicher auch die undemokratische Teilnahmegebühr an der Wahl von 2,5 Millionen Griwna (derzeit etwa 155.000 Euro).

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Nur zehn von zahlreichen Beispielen: Rinat Achmetow, reichster Mann der Ukraine, war jahrelang Abgeordneter in der Werchowna Rada, dem Staatsparlament. Petro Dyminski, Präsident des Fußballclubs Karpaty Lwiw und als "galizische Oligarch" bekannt, saß vier Jahre lang im Parlament. Vitali Gaiduk wurde als Gashändler zum Multimillionär, war u.a. stellvertretender Energieminister. Der Finanzoligarch und ehemalige Präsident des Vereins Metalist Charkiw Alexander Jaroslawski saß ebenfalls vier Jahre im Parlament. Boris Kolesnikow, der an zahlreichen Lebensmittelunternehmen beteiligt ist, war stellvertretender Ministerpräsident der Ukraine. Wadim Nowinski, Besitzer der "Smart Holding Group", sitzt seit 2012 im Parlament. Viktor Pintschuk, Milliardär und Schwiegersohn von Leonid Kutschma, war acht Jahre lang Abgeordneter. Konstantin Shewago, Bergbauunternehmer und Bankeigentümer, ist Abgeordneter der Vaterland-Partei. Gregorij Surkis, Großindustrieller und ehemaliger Präsident des nationalen Fußballverbandes, war lange Abgeordneter in der Rada. Andrej Werewski, Milliardär und Besitzer der Agrarholding "Kernel", wechselte als Deputierter von Timoschenkos Parlamentsfraktion zur Partei der Regionen, nachdem Janukowitsch Präsident geworden war.

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Mit der Zeit verschwanden etwa die EU-Flaggen auf dem Maidan und wurden durch Parteifahnen, ukrainische Nationalfahnen und zahlreiche nationalistische Symbole ersetzt. Aus dem kreativen, auch sozialkritischen Protesten zu Beginn wurden nationale Rituale wie das permanente Singen der Hymne und das Rufen der rechten Parole "Slawa Ukraini, Gerojam Slawa" - "Ehre der Ukraine, Ehre den Helden [der Ukraine]". Die Oppositionspolitiker waren es schließlich, die sich zu den Verhandlungsführern des Maidan aufschwangen.

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Dieser Artikel (22. Mai) bei Ostpol.de zeigt exemplarisch die Enttäuschung vieler Maidan-Aktivisten.

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So sitzen etwa im Ministerkabinett gerade mal drei Maidan-Aktivisten auf weniger bedeutenden Ministerposten: Der Automaidan-Aktivist Dmitro Bulatow als Sport- und Jugendminister, der Maidan-Arzt Oleg Muhsij als Gesundheitsminister und schließlich als Kulturminister der Schauspieler Jewgeni Nischtschuk - er war Moderator der Maidan-Bühne. Der Milliardär Viktor Pintschuk behauptet in einem Artikel für die Financial Times (englisch, 24. Februar) jedoch anderes: "Wir haben eine Volksrevolution, keine Revolution der Politiker gesehen." Trotzdem sitzen zahlreiche etablierte Politiker im Kabinett: Der erste Vizepremierminister Vitali Jarema leitete von 2005 bis 2010 das Ministerium für innere Angelegenheiten in Kiew, Sozialministerin Ludmilla Denisowa war bereits von 2007 bis 2010 Ministerin für Arbeit und Sozialpolitik, Finanzminister Alexander Schlapak arbeitete unter Juschtschenko im Präsidialsekretariat (2006 bis 2010), Innenminister Arsen Awakow ist Vorsitzender der Vaterland-Partei und war von 2005 bis 2010 Gouverneur in Charkiw, Juri Prodan (Minister für Energie und Kohle) war unter Timoschenko von 2007 bis 2010 bereits Minister für Brennstoffe und Energie.

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Die Wahl der Mittel ist ebenfalls nicht sonderlich revolutionär: Die neue Regierung und die Präsidenten Turtschinow und Poroschenko gehen mindestens genauso gewalttätig gegen ihre inneren Gegner vor, wie die Vorgänger-Regierung und Präsident Janukowitsch dies taten.

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Das englische Wort hat sich als Lehnwort im Russischen und Ukrainischen etabliert.

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Der Einkommenssteuersatz in der Ukraine liegt für alle bei 15 Prozent. Menschen, die mehr als das Zehnfache des Mindestlohns bekommen, müssen seit drei Jahren 17 Prozent ihres Einkommens als Steuer abführen. (hier detailliert erklärt) Dividendeneinkünfte werden sogar nur noch mit fünf Prozent besteuert. Zinseinkünfte sind komplett steuerfrei. Die Gewinnsteuer für Unternehmen ist ebenfalls pauschal und liegt bei 25 Prozent. Unter Juschtschenko wurden 2009 zudem zahlreiche Steuererleichterungen für Wohlhabende und ihre Unternehmen beschlossen. Dies wurde bereits ganz im neoliberalen Sinn als notwendige Reaktion auf die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise dargestellt. Dies sind nur die offiziellen Zahlen. Bei den vorherrschenden Seilschaften kommen real vermutlich deutlich geringere Steuerzahlungen im Staatssäckel an.

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Dieses Mittel wird in der Ukraine vor allem selektiv angewendet, wenn konkurrierende Geschäftsleute bekämpft werden sollen.

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Viele Konzerne ukrainischer Oligarchen sitzen offiziell in Steueroasen. Hier einige von zahllosen Beispielen: Die SCM Holding Rinat Achmetows ist auf Zypern registriert. Der Agrokonzern UkrLandFarming des Milliardärs Oleg Bachmatjuk sitzt ebenfalls auf Zypern (Limassol). Das Unternehmen ist übrigens der größte Getreide-, Eier- und Rindfleischproduzent der Ukraine und zudem größter Agrarlandbesitzer in der gesamten ehemaligen Sowjetunion. Dmitro Firtaschs Gaskonzern "RosUkrEnergo" sitzt in der Schweizer Steueroasenstadt Zug, seine Unternehmensgruppe "DF" ist in Wien angemeldet. Alexander Janukowitschs Firma MAKO Trading sitzt offiziell in Genf. Viktor Pintschuks "EastOne"-Gruppe hat ihren Briefkasten im britischen Cheltenham. Zudem könnten durchaus auch die Privatvermögen der superreichen Ukrainer im Ausland besteuert werden.

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Laut IWF war die Ukraine Ende 2013 mit rund 44 Milliarden Euro im Ausland verschuldet (siehe tagesschau.de). Im internationalen Vergleich ist dies eine sehr geringe Summe. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt also rund 1000 Euro (zum Vergleich: Deutschland hat laut börse.de derzeit knapp 2150 Milliarden Euro Schulden; pro Kopf sind das rund 26.600 Euro). Die Grafik der Tagesschau zeigt, dass die Staatsverschuldung erst mit Beginn der weltweiten Banken- und Finanzkrise deutlich angeschwollen ist. Einen Teil dieser Schulden hat der Staat übrigens jetzt schon beim IWF. Gleichzeitig besitzen allein die elf reichsten Ukrainer laut Schätzungen rund 33,5 Milliarden Euro. Die zehn Reichsten aus der Forbes-Liste 2013 besitzen rund 32 Milliarden US-Dollar (siehe hier) - umgerechnet sind das etwa 23,5 Milliarden Euro. Dazu kommt noch Dmitro Firtasch, der laut Wikipedia rund 10 Milliarden Euro besitzt. Nicht zu vergessen bleibt, dass es zudem rund 200 ukrainische Multimillionäre gibt.

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Kolomoijski hat mit Finanzminister Alexander Schlapak (offiziell parteilos) auch einen Mann direkt im Kabinett. Schlapak saß fünf Jahre lang im Vorstand von Kolomojskis "PrivatBank" und leitete dort zudem die Abteilung Westukraine. 2010 ging er zur IMG International Holding Company, die in der Steueroase Bermuda Islands sitzt. Laut dem kanadischen Wirtschaftswissenschaftler Michel Chossudovsky ist Schlapak ein "langjähriger Schützling" des IWF ("a long-time protegé of the IMF"). Und damit gut geeignet die "Reformen" des Washingtoner Währungsfonds in der Ukraine umzusetzen.

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Taruta ist Haupteigentümer der Donezker Holding "Industrieunion Donbass". Zudem besitzt er Werften und Stahlwerke in Polen und Ungarn. 2008 - zu Zeiten Juschtschenkos - war er Forbes zufolge noch Milliardär. Unter Janukowitsch hat er, genau wie sein Geschäftspartner Vitali Gaiduk, einen Abstieg zum Multimillionär hingelegt. Taruta ist Präsident des Fußballvereins Metallurg Donezk.

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Ihre "rechte Hand" Alexander Turtschinow war zudem Übergangspräsident.

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Viktor Pintschuk ist nicht nur Gründer, sondern auch Ehrenvorsitzender dieser privaten Wirtschafts-Uni in Kiew (hier auf der Uni-Website zu sehen).

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Zu den Auflagen des IWF und zum vorauseilenden Gehorsam der neuen Kiewer Regierung ist dieser Text von Wolfgang Pomrehn zu empfehlen.

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So erwartet etwa Gunter Deuber, Volkswirt der Raiffeisen Bank International, in einem Artikel für die Ukraine-Analysen (Nr. 129, Seite 9) eine Teuerung von 10 bis 14 Prozent. Siehe dazu auch die folgende Fußnote.

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Siehe diese Pressemitteilung des IWF (englisch), dessen Europabeauftragter Reza Moghadam sich über Agenda und Aktivitäten der neuen Kiewer Regierung freut. Auch Gunter Deuber, Volkswirt der Wiener Raiffeisen Bank International, ist mit den "reformfreudigen neuen Machthaber" zufrieden. (siehe Deubers Text in den Ukraine-Analysen Nr. 129, pdf, S. 6 bis 11) Das Geldhaus ist die größte in der Ukraine tätige Auslandsbank. Auffällig in dem Text ist besonders, wie oft der Autor die Notwendigkeit von "unpopulären und schmerzhaften" Reformen und von ökonomischen "Schocks" betont. Steuererhöhungen für Reiche als mögliches Mittel zur Sanierung der Staatsfinanzen kommen bei Deuber nicht vor.

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Zum einen sei an dieser Stelle an das Buch der kanadischen Journalistin Naomi Klein "Die Schock-Strategie" erinnert. Zum anderen lässt sich bereits erahnen, dass der ukrainischen Bevölkerung mit Viktor Janukowitsch und Wladimir Putin in Zukunft immer wieder zwei Sündenböcke für die ökonomisch elende Lage präsentiert werden- was zwar nicht völlig unberechtigt, aber eben nur ein Teil der Wahrheit ist.

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Dieses extrem verwobene informelle Netz beleuchtet Ruth Berger in einem lesenswerten Artikel. An dieser Stelle sei auch auf das Video bei YouTube verwiesen, in dem die Europa-Beauftragte des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, in Washington vor eben solch einer "NGO" der "US-Ukraine-Foundation" hervorhebt, dass die USA in den vergangenen 22 Jahren fünf Milliarden US-Dollar in die "demokratische Entwicklung" der Ukraine gesteckt haben. (Passage ab 7:25 Im Video) Ebenfalls interessant, dass sie (ab 5:00) die Notwendigkeit von IWF-Reformen in den Ukraine betont: "The reforms, that the IMF insists on, are necessary."

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Das elfte Treffen soll nun nachdem die Krim als Treffpunkt für dieses Jahr wohl weggefallen ist, im September in Kiew stattfinden.

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Das Elitennetzwerk hat sich eine "gerechte, freie und prosperierende Ukraine" zum Ziel gesetzt. Nachzulesen auf der Website der Yalta European Strategy.

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Kwasniewski ist Vorstandsvorsitzender von YES und in der Ukraine geradezu omnipräsent. Er vermittelte bereits bei der Orangenen Revolution zugunsten Juschtschenkos und war auch bei der neuesten Revolte Gast auf dem Maidan. Diesen verglich er mit dem Tiananmen 1989 in China. Kürzlich hat Kwasniewski zudem neben dem Sohn des US-amerikanischen Vizepräsidenten einen Posten bei der ukrainischen Gasfirma Burisma (Sitz auf Zypern) übernommen.

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Wer sich durch die Fotos der Treffen klickt, erkennt zahlreiche illustre Gäste, die seit Jahren zu diesen Treffen kommen: Dazu gehören etwa Dominique Strauss-Kahn vom IWF, James Wolfensohn (Weltbank), die ehemalige US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton und ihr Mann der frühere US-Präsident Bill Clinton, neoliberale Reformer wie der britische Ex-Premier Tony Blair, der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der frühere Außenminister Joschka Fischer, die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite, der georgische Präsident Mikhail Saakashvili, der polnische Premier Donald Tusk und zahlreiche EU-Leute wie Stefan Füle oder Elmar Brok. Auch zu sehen sind russische Neoliberale und der damalige Präsident Viktor Janukowitsch. Natürlich fehlen auch die anderen Oligarchen nicht: So etwa Pintschuks Schwiegervater und Ex-Präsident Leonid Kutschma, Julia Timoschenko, Großindustrielle wie Vadim Nowinski, Alexander Jaroslawski, Sergej Taruta, Sergej Tigipko oder Igor Litowschenko. Mit David Petraeus durfte auch ein Ex-CIA-Chef nicht fehlen.

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Titel: "Ukraine’s leaders must be as mature as its citizens", Artikel für die Financial Times (englisch, 24. Februar)

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Immerhin hat er die Behandlung von Opfern des von ihm mitfinanzierten Maidans durch seine Stiftung bezahlen lassen - hier die Meldung der deutschen Botschaft.

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"Medienmogul" wäre ein ebenso passender Titel, denn der Fernsehsender Kanal 5 und die Zeitung "Prawda Ukraini" gehören ihm zudem. Überhaupt ist Poroschenko mit seinem riesigen Mischkonzern "UkrPromInvest" wie die meisten seiner Oligarchenkollegen in zahlreichen Wirtschaftsfeldern aktiv. Wer russisch lesen kann, kann sich hier bei Kontrakty.ua einen Überblick über sein Firmen-Imperium verschaffen.

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Siehe diesen Artikel auf Zeit.de. Dass die Medien hierzulande Poroschenkos Interessen als Rüstungsunternehmer nicht mit seinem präsidialen Handeln in Verbindung bringen, ist erneut kein Ausweis für Qualitätsjournalismus. Aber bereits die Entwicklung, dass ausgerechnet der Haupt-Finanzier eines Aufstandes gegen den Präsidenten nun selbst dessen Nachfolger wird, hat keinen deutschen Journalisten stutzig gemacht.

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