Ukraine-Krieg: Bittere Realität auf den Kampffeldern

Seite 3: FPV-Drohnen, Rheinmetall, Panzer und ein Fazit

So verfügt zum Beispiel die Bundeswehr wohl über keine eigenen, mit FPV-Drohnen ausgerüstete Truppen. Russland hingegen hat sehr schnell reagiert und in den verschiedensten Bereichen eine eigene Drohnenfabrikation aufbauen können.

Die Ukraine produziert FPV-Drohnen, hat aber anders als Russland, keine Tiefenfertigung und schraubt stattdessen in kleinen Werkstätten Fertigteile aus China zusammen. Zurzeit hat China ein Quasi-Monopol auf FPV-Fertigung bzw. FPV-Drohnenkomponenten.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Ukraine auch nur ansatzweise in der Lage sein wird, eine derart große Rüstungsindustrie in der gebotenen Kürze aufzubauen, die es ihr erlauben würde, ihren Rüstungsbedarf selbstständig zu decken.

Produktion von Waffen in der Ukraine?

Das heute unabhängige Land war in der Sowjetzeit eine Rüstungsschmiede. Doch die meisten Werke lagen entweder in den jetzt von Russland besetzten Gebieten oder in Nähe der jetzigen Front.

Möglich wäre vielleicht eine Art Endfertigung von in westlichen Ländern vorfabrizierten Fertigsätzen.

Doch auch hier müssten Lieferketten erst aufgebaut werden, die vorproduzierten Teile in die Ukraine gebracht werden und dann die Endfertigung gegen die russische Bedrohung aus der Luft wirkungsvoll geschützt werden – mit einer Luftverteidigung, die es in ausreichender Stückzahl so nicht gibt, ohne die Nato-eigene Luftverteidigung signifikant zu schwächen.

Rheinmetall weiß das auch und würde bei Realisierung einer geplanten Panzerfabrik eine Staatsgarantie kassieren. Das Unternehmen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit das privatwirtschaftliche Risiko nicht eingehen, eine flammneue Panzer-Endfertigung als pyrotechnisches Großereignis in russischen Telegram-Kanälen wiederzufinden.

Deshalb kann die Ukraine bis auf Weiteres auf westliche Waffenhilfe nicht verzichten. Da aber die Nato-Produktionskapazitäten zu gering sind, könnten weitere substantielle Hilfen nur aus den eingelagerten Reserven der Nato-Staaten kommen oder direkt aus den aktiven Arsenalen.

Eingelagertes Material müsste aufwendig wieder aufgearbeitet und modernisiert werden – auch hier sind Industriekapazitäten zurzeit knapp.

Kriegswirtschaft in westlichen Ländern

Deshalb könnte auf lange Sicht nur eine totale Kriegswirtschaft in den westlichen Ländern die russische Armee in die Knie zwingen, und das mit allen Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft, etwa dem dann nötigen Abbau des Sozialstaates.

Doch auch wenn die Nato-Staaten ihre Waffenlieferungen wieder erhöhen würden, hätte die ausgeblutete Ukraine denn überhaupt noch genug Menschen, um alle Waffen mit Personal zu versehen?

Rekrutierung und Aussichten für die Ukraine

"Noch hat die Ukraine das notwendige Wehrpotential, aber sie steht unter Druck und die Humanresourcen sind im Vergleich zu Russland wesentlich begrenzt", meint Oberst Markus Reisner. Um die im Kampf gefallenen Soldaten zu ersetzen und frische Kämpfer an die Front bringen zu können, setzt die Regierung in Kiew zunehmend auf außergewöhnliche Maßnahmen.

Jetzt sollen private Rekrutierungsagenturen für den dringend benötigten Nachschub sorgen, denn die Rekrutierung wird für die Ukraine immer schwieriger.

Langsam scheint die bittere Realität von den Schlachtfeldern der Ukraine in den Nato-Ländern anzukommen.

Aussichten der Ukraine auf Nato-Hilfen

Hatte Robert Habeck (Grüne) noch im vorigen Dezember eine Niederlage Russlands vorausgesagt, könnte der Westen jetzt versuchen, die Ukraine an den Verhandlungstisch zu zwingen, in dem es die Zufuhr von Rüstungsgütern spürbar begrenzt.

Das behauptet zumindest die Bild-Zeitung vom Freitag.

Die Waffenhilfe der USA ist jedenfalls schon stark eingeschränkt, US-Präsident Joe Biden hat den Kongress aufgefordert, ein zusätzliches Haushaltsgesetz über 106 Milliarden US-Dollar für Militärausgaben zu verabschieden.

Ohne das Gesetz gibt es keine weitere Hilfe für die Ukraine – der größte Geldgeber würde für die Ukraine ausfallen.

Die Zukunft der Ukraine im Konflikt

Russland hat wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt wenig Interesse an einer ernsthaften Verhandlung mit der Ukraine beziehungsweise der USA. Denn der Konflikt befindet sich nicht in einer Pattsituation, wie es jetzt viele Kommentatoren schreiben, allen voran der ukrainische General Valery Zalushny.

Russland hat einen langen Atem und eine immer stärker werdende Armee. Die Ukraine verliert. Der Ukraine geht das Material aus.

Um es in leicht veränderter Weise mit den Worten von Marcus Keupp zu sagen: Strategisch hat die Ukraine in diesem Oktober den Krieg verloren. Sie steht jetzt vor der Wahl: Entweder sie zieht die Truppen zurück oder sie wird langsam aufgerieben.

Die Frage ist, wie Russland die neueste Nato-Expansion, namentlich den Beitritt Finnlands, bewertet? Wird es nach einem Sieg im Ukraine-Krieg vielleicht gar versuchen wollen, die empfundene Nato-Bedrohung zu neutralisieren und die für Russland bedenklichsten Nato-Osterweiterungsrunden militärisch rückgängig zu machen?

Aus militärischer Perspektive könnte es ein Zeitfenster von mehreren Jahren geben, in der das für Russland möglich sein könnte.

Deshalb ist es angebracht, über einen nicht-militärischen Pfad zurück zu einem gesamteuropäischen Frieden nachzudenken. Das würde sicher bedeuten, eine wahrhaft souveräne, europäische Politik zu verfolgen, eine Politik, die Europa nicht weiter schwächt zugunsten einer großen, außereuropäischen Weltmacht – nach deren eigenem Selbstverständnis: die einzige Weltmacht.