Ukraine-Krieg, Nato und Russland: Perverses Spiel mit der nuklearen Gefahr

Seite 2: Wer will das Atomkraftwerk Saporischschja sprengen?

Gleichzeitig beschuldigte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, russische Militärs, Pläne zur Sprengung des Atomkraftwerks Saporischschja zu verfolgen. Diese Planungen seien sogar schon abgeschlossen, heißt es in der Frankfurter Rundschau: "Der britischen Wochenzeitung New Statesman hatte er erklärt, dass vier Kraftwerksblöcke des AKW mit Sprengstoff vermint seien."

"Russland soll Kühlbecken an Atomkraftwerk Saporischschja vermint haben", schreibt der Spiegel.

Solche Headlines entsprechen weitgehend der Haltung Kiews. Auch Selenskyj warnte in der vergangenen Woche mehrfach vor russischem "Atomterror" und schlug weltweit Alarm. "Sie haben alles dafür vorbereitet", sagte er und betonte, dass ein solcher Angriff auf das größte Atomkraftwerk Europas Folgen weit über die Ukraine hinaus haben könnte. Moskau bezichtigte Kiew daraufhin der Lüge.

Russland baut überall auf der Welt Atomkraftwerke. Dass es das größte Atomkraftwerk Europas mit derzeit 3.500 Beschäftigten mutwillig in die Luft sprengen und damit eine ganze fruchtbare und dicht besiedelte Region auf Jahrtausende verseuchen will, ist eine hehre These.

Zumal internationale Beobachter in dem von Russland kontrollierten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja bislang keine Anzeichen für Verminung sehen. Die Überprüfung würde aber fortgesetzt, heißt es von der zuständigen Internationalen Atomenergiebehörde.

Aber die These einer geplanten Sprengung des Atomkraftwerks ist in der Debatte. Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms und die Sabotage von Nord Stream zeigen, dass man solche Signale ernst nehmen muss. Am Ende wird es den zehntausenden verstrahlten Opfern einer Havarie egal sein, wer verantwortlich ist.

Unbeeindruckt von der aufgeregten Debatte um das Atomkraftwerk schrieb der kremlnahe Politologe Sergej Karaganow Mitte Juni in einer russischen Zeitschrift für internationale Analyse einen Artikel mit dem Titel "Harte, aber notwendige Entscheidung". Er rechtfertigte darin einen russischen Präventivschlag mit taktischen Atomwaffen in Europa.

Der Vorschlag war so radikal, dass er in Russland viele kritische Reaktionen hervorrief. In der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti wiederholte Karaganow seine These, sogar noch radikaler formuliert: "Es gibt keine Wahl mehr: Russland muss einen Atomschlag gegen Europa führen." In seinem Artikel schrieb er Sätze wie:

Ich glaube, dass unser Präsident irgendwann seine Bereitschaft zum Einsatz von Atomwaffen zeigen muss. Die Frage ist nur, wer das Ziel eines solchen Angriffs sein könnte und sollte.

Das sei allemal besser als das endlose Sterben russischer Soldaten in dem einem Zermürbungskrieg in der Ukraine. Dieser sei Russland "aufgezwungen" worden.

Nun kann man natürlich – wie der Chef des grünennahen Thinktanks Zentrum Liberale Moderne, Ralf Fücks –, den Vorstoß Karaganows als Akt psychologischer Kriegsführung abtun und zu noch mehr Abschreckung und Härte gegenüber Russland aufrufen. "Wer die russische Führung von einem nuklearen Amoklauf abhalten will, darf keinen Zweifel an der Antwort des Westens lassen", schrieb Fücks auf Twitter.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.