Ukraine-Krieg: US-Waffenlieferungen auf dem nächsten Level
Die Schlagkraft der Waffen steigt und die Reichweite. Auch Deutschland will ein Flugabwehrsystem an die Ukraine liefern
Jetzt kommen die Raketen. Die USA verstärken die Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Waffen, die Kiews Verteidigung gegen die russischen Angreifer unterstützen sollen, haben eine neue Schlagkraft und eine größere Reichweite. Außer Mehrfachraketenwerfer-Systemen vom Typ Himar sollen nach jüngsten Informationen der Nachrichtenagentur Reuters auch vier Drohnen des Typs MQ-1C Gray Eagle an die Ukraine verkauft werden.
Mit Hellfire-Raketen bestückt
Die Drohnen können mit Hellfire-Raketen bestückt werden, heißt es in dem Bericht, der vorsichtig anmerkt, dass die Lieferung noch durch eine Veränderung der Pläne oder durch den Kongress gestoppt werden könnte. Quellen der Nachrichtenagentur sind drei nicht näher bezeichnete Insider, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Im Pentagon würde man schon seit Wochen über die Lieferung beraten.
Die Gray-Eagle-Drohne, eine weiterentwickelte Version der bekannteren Predator-Drohne, wird als Waffe dargestellt, die einen "Technologie-Sprung" bedeute. Sie könne mit bis zu acht "leistungsstarken" Hellfire-Raketen ausgestattet werden und – je nach Auftrag und Last – rund 30 Stunden fliegen und dabei auch große Mengen an Daten für Aufklärungszwecke sammeln.
Mit der Drohne komme zum ersten Mal ein fortschrittliches, wiederverwendbares US-System auf dem Schlachtfeld gegen Russland zum Einsatz, das in der Lage sei, "mehrere tiefe Schläge auszuführen".
Verglichen wird die Gray-Eagle-Drohne mit dem bekannten türkischen Verkaufsschlager, der Bayraktar-TB2. Der türkischen Drohne gegenüber könne die US-Drohne dreimal mehr Last aufnehmen, eine größere Vielfalt an Munition und weiter und länger fliegen, so ein Experte, den die Nachrichtenagentur zu Rate zog.
Damit wird ein Aspekt deutlich, den man von anderen Kriegsschauplätzen kennt, der beim Ukraine-Krieg, bei dem lange Zeit die Diskussion über moralische Positionen dominierte, bislang eher im Hintergrund blieb: der Show-off von Waffensystemen. Wer im Stellvertreter-Krieg hat die besseren Waffen? Es geht auch um Verkaufswerte und Aufträge für die Rüstungsindustrie.
Die Regierung in Kiew hat andere Prioritäten. Die Kriegssituation im Donbass ist schwierig, der Ruf nach mehr Waffen vordringlich. Befragt danach, warum der französische Präsident Macron in die Ukraine reisen sollte, gab der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zur Antwort: "Es wäre gut, wenn er während seiner EU-Ratspräsidentschaft käme und weitere Waffenlieferungen für die Ukraine mitbringen würde."
Zeitpunkt der Lieferungen
Angesichts der für die Verteidiger bedrängenden Lage im Donbass, etwa in Sjewjerodonezk, wo russische Truppen nach Aussagen des Regionalgouverneurs Serhij Gajda "80 Prozent der Stadt" kontrollieren und anderen kritischen Zonen, wie vom renommierte französische Militäranalytiker Michel Goya detailliert, gibt es neben der Frage der Menge und der Qualität auch die danach, wann sie geliefert werden.
Die Lieferung der vier Mehrfachraketenwerfer-Systeme des Typs "M142-High-Mobility-Artillery-Rocket-System" (Himars), die die USA – mit einer Reichweite von etwa 70 Kilometern (43 Meilen) – versprochen haben, sollen gestern nach Europa geschickt worden sein. Laut Pentagon soll es etwa drei Wochen brauchen, um ukrainische Soldaten an den Himars zu schulen. Danach könnten weitere Himars geschickt werden, wie Informationen der US-Publikation Defense One in Aussicht stellen.
Dort heißt es zum aktuellen 700-Millionen-Dollar-Waffenlieferungspaket der US-Regierung, das auch die Himars einschließt, dass es außerdem "fünf Artillerieabwehrradare, zwei Luftüberwachungsradare, 1.000 Javelin-Panzerabwehrwaffen, 50 Javelin-Kommandoabschussgeräte, 6.000 andere Panzerabwehrwaffen, 15.000 155-Millimeter-Artilleriegeschosse für Haubitzen, vier Mi-17-Hubschrauber, 15 taktische Fahrzeuge und Ersatzteile" umfasse.
Die Angaben zu Umfang und Zeit der von Kanzler Scholz angekündigten Lieferung des Flugabwehrraketensystem Iris-T-SLM sind noch undurchsichtiger, wie dieser Tweet mit Bezug auf Reuters exemplarisch andeutet:
Unter Berufung auf Informationen der internationalen Nachrichtenagentur Reuters könnte die Ukraine 10 IRIS-T SLM Luftabwehrsysteme erhalten, die in den nächsten drei Jahren produziert werden könnten, wobei die ersten Systeme im November 2022 in der Ukraine eingesetzt werden könnten.
Jana Puglierin
Geht es nach dem Wissensstand des gewöhnlich gut informierten deutschen Militärbloggers Thomas Wiegold, so dürfte die Ukraine "voraussichtlich eine so genannte Feuereinheit Iris-T SLM" erhalten und die Lieferung dürfte vergleichsweise rasch möglich sein, da der Hersteller Diehl Defence ein System umleiten könne, das er für Ägypten vorbereitet habe, wohin er bereits mehrere Feuereinheiten geliefert habe.
Die Feuerkraft einer solchen Feuereinheit Iris-T SLM, deren Grundkonfiguration laut dem Experten aus drei Startfahrzeugen (Launchern), einem Radarfahrzeug und einem Führungsfahrzeug besteht, beschreibt Wiegold so: Sie könne "gegnerische Flugzeuge, Hubschrauber und Marschflugkörper bis zu einer Höhe von 20 Kilometern und einer Entfernung von maximal 40 Kilometern abschießen".
Wie vom Kanzler angekündigt, könne Iris-T SLM "als Schutz für eine Großstadt eingesetzt" werden.