Ukraine-Krieg: Waffenlieferungen an Russland – Ohnmacht der Sanktionen
Seite 2: Was bedeutet dies für den Kriegsverlauf? Eine Einschätzung
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Zwar ist es technisch theoretisch denkbar, Mikrochips aus Waschmaschinen und Geschirrspülern auszubauen. Die Industriechips sind ähnlich standardisiert wie Prozessoren, die in Personal Computern verbaut sind, wie etwa die x86-Prozessoren.
Allerdings wäre ein Chip inklusive einer Waschmaschine in der Beschaffung wesentlich kostenintensiver als nur den Chip zu erwerben.
Mikrochips, die für Rüstungsgüter benötigt werden, sind in der Beschaffung auf dem Weltmarkt für Russland in etwa so einfach zu kaufen wie Waschmaschinen.
Deshalb lässt das russische Beschaffungsamt die Waschmaschine einfach weg und kauft nur die Halbleiter. Dazu hat sie, wie oben gezeigt, eine Vielzahl an Handelsrouten zur Verfügung.
Schwäche der russischen Rüstungsindustrie?
Die Zukäufe an Waffen sind nur schwer als Schwäche der russischen Rüstungsindustrie zu deuten und sind kein Indikator dafür, dass die russische Armee sich in Schwierigkeiten befindet. Eine Behauptung, die etwa Pavel Luzin für das russisch- und englischsprachige Online-Medium Riddle aufstellt. Dort schreibt er:
Vor diesem Hintergrund fand das ganze Jahr über eine materielle und technische Degradierung statt: Die längst ausgemusterten Panzer T-55 und T-62 sowie die Panzerhaubitzen D-10 und D-20 kehrten in den Dienst zurück, man wandte sich an Nordkorea, um Artilleriegranaten zu erhalten, und anstelle von Marschflugkörpern wurden häufig iranische Drohnen eingesetzt.
Pavel Luzin, Riddle
Sowohl der T-55 als auch der T62 Panzer werden nicht in ihrer ursprünglichen Rolle als Panzer eingesetzt. Russland hat noch eine erkleckliche Menge an 115 Millimeter Granaten in seinen Arsenalen.
Die beiden Panzermodelle, heute genauso hoffnungslos veraltet wie der deutsche Leopard 1, werden wie Geschütze auf Selbstfahrlafetten eingesetzt.
Sie dienen frontnah der Feuerunterstützung für die kämpfende Truppe, werden also als reine Artillerie eingesetzt. Von einer technischen Degradierung kann keine Rede sein. Russland denkt, so der Eindruck, der sich aufdrängt, sehr ökonomisch, was seine Beschaffungen im Rüstungsbereich angeht.
Zukäufe: "spottbillig und ökonomisch"
Artillerie hat sich im Ukrainekrieg gerade in Verbindung mit Aufklärungsdrohnen als sehr wirksam erwiesen. Jede einzelne Granate, die zusätzlich abgefeuert werden kann, bringt einen Vorteil auf dem Schlachtfeld. Zudem dürfte ein Zukauf von Munition in Nordkorea ebenfalls ökonomisch von großem Vorteil sein.
Die Nutzung von Drohnen statt Marschflugkörper entspricht derselben Logik. Die Shaheds sind im Vergleich zu Marschflugkörpern spottbillig und ökonomisch.
Der genannte Artikel schließt mit den Worten:
Und die Tatsache, dass Russland auf systematische militärische und technische Hilfe aus dem Iran und Nordkorea zurückgreifen muss, deutet darauf hin, dass der Kreml die eigenen industriellen Kapazitäten Russlands als unzureichend erkannt hat. Pavel Luzin, Riddle
In einem Krieg ist jede zusätzliche Waffe, jedes Wirkmittel, ein Gewinn. Die eigenen Kapazitäten sind nicht notwendigerweise unzureichend, doch um hier einen beliebten Spruch unter Medizinern zu zitieren: Viel hilft viel. Im Krieg ist es besser mehr zu haben als wenig.
Das erscheint als bestechende Logik. Wenn man im Krieg die Wahl hat zwischen drei Millionen Artilleriegranaten im Jahr oder sechs hat, dann ist es nicht unsinnig, sechs zu wählen.
Vielleicht muss Russland gar noch nicht einmal Geld bezahlen, sondern kann mit Know-how die Geschäfte abschließen. Dann laufen weite Teile der Rüstungstransaktionen mit Nordkorea oder dem Iran vielleicht gar über ein solches Geschäft?
Dazu kommt: Russland schont durch den massenhaften Einsatz von reichweitenstarken Abstandswaffen das Leben seiner eigenen Soldaten.
Signifikante Waffenlieferungen durch Iran und Nordkorea
Interessant ist noch die Anmerkung, dass Russland weder Panzer, Flugzeuge, Kanonen noch Mehrfachraketenwerfer importiert hat. Von diesen Rüstungsgütern hat die russische Armee mehr als genügend. So bringt Russland laut Forbes allein rund 2.000 Haubitzen an der Front in der Ukraine zum Einsatz.
Doch nur 10.000 Granaten pro Tag, als umgerechnet fünf Granaten pro Tag und pro Haubitze, können wohl zurzeit verschossen werden.
Die Waffenlieferungen durch den Iran und durch Nordkorea sind signifikant. Die Lieferungen von hunderten ballistischen Kurzstreckenraketen, Millionen von Artilleriegranaten und Tausenden von Drohnen stellen eine erhebliche Stärkung der Fähigkeiten der russischen Armee dar.
Man sieht im Moment, dass die russische Armee an der ganzen Front die Initiative ergriffen hat, militärisch sieht es für Russland im Moment vorteilhaft aus.
Sollte sich aufgrund heute nicht absehbarer Ereignissen das Blatt wenden, so könnten Iran und Nordkorea vermutlich ihre Rüstungslieferungen weiter aufstocken.
China liefert kritische Komponenten für die russische Rüstungsindustrie und macht im Verbund mit anderen Staaten die Nato-Wirtschaftssanktionen gegen Russland zunichte.
Ausblick
Waffen hat China wahrscheinlich bisher nicht geliefert. Für den Fall, dass die Ukraine erneut eine größere Waffenlieferung von der Nato erhält und Russland dadurch in eine ungünstige Position gerät, könnten die Verbündeten Russlands, insbesondere China, die russischen Waffendefizite ausgleichen.
Sollte es dazu kommen, dass China tatsächlich Waffen liefert, würde Russland Zugriff auf einen riesigen Waffenpool erhalten.
Es ist unwahrscheinlich, dass China eine Niederlage Russlands zulassen würde. Daher schmälern sich aufgrund der genannten Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten für die Ukraine und der Nato, den militärischen Konflikt Richtung Sieg zu drehen. Ob weitere Waffenlieferungen helfen, ist angesichts der derzeitigen Lage nach Einschätzung des Autors zu bezweifeln.