Ukraine-Krieg: Warum wir einen "Aufstand für den Frieden" brauchen

Atomwaffensperrvertrag wichtiger Schritt zur Friedenssicherung. Deutschland verstößt dagegen und baut die nukleare Teilhabe aus. Was stattdessen nötig wäre. (Teil 2 und Schluss)

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich in Teil 1 mit der Vorgeschichte und den Ursachen des Ukraine-Krieges und der Warnung eines US-Atomkriegsexperten, wohin der Krieg führen kann.

Zum Antikriegstag am 1. September 2023 appellierte die Organisation IPPNW, die 1985 den Friedensnobelpreis erhielt, an die Bundesregierung, diplomatische Initiativen zu unterstützen – für ein umgehendes Ende der Kampfhandlungen und ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Russland und der Ukraine.

Die IPPNW begrüßt den Verhandlungsvorschlag von Peter Brandt, Hajo Funke, General a.D. Harald Kujat und Horst Teltschik, den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden zu beenden. Laut dem Vorschlag soll der UN-Sicherheitsrat gemäß Artikel 24 Absatz 1 der UN-Charta einen Zeit- und Ablaufplan für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges und die Wiederherstellung des Friedens beschließen.

Bemühungen zur Verhinderung eines Atomkriegs

Im Folgenden solle noch einige weitere Aktivitäten und Einschätzungen unsere ärztlichen Friedensorganisation vorgestellt werden.

Atomwaffenverbotsvertrag

2017 haben die atomwaffenfreien Länder den Aufstand gegen die Atommächte gewagt. 122 Mitgliedstaaten der UNO haben damals den Vertrag über das Verbot aller Atomwaffen beschlossen.

Für den Atomwaffenverbotsvertrag erhielt ICAN, ein internationales Bündnis von Nichtregierungsorganisationen, das sich viele Jahre für die Abschaffung aller Atomwaffen durch einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag eingesetzt hat, 2017 den Friedensnobelpreis. Auch die IPPNW ist Teil dieses Bündnisses.

Inzwischen haben über 50 Staaten diesen Vertrag ratifiziert, sodass er 2021 in Kraft getreten ist. Kürzlich fand in Wien die erste weltweite Staaten-Konferenz zum UN-Atomwaffenverbot statt, an der Deutschland nur mit einem Beobachterstatus vertreten war. An dieser Konferenz hat auch eine Vertreterin unserer IPPNW-Gruppe in Kiel teilgenommen und hat darüber sehr eindrucksvoll berichtet.

Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet den Vertragsstaaten, Kernwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu erwerben und zu besitzen, Kernwaffen einzusetzen oder ihren Einsatz anzudrohen, Kernwaffen zu lagern oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen und Kernwaffen über ihr Staatsgebiet zu transportieren.

Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung, zwar mit wohlfeilen Lippenbekenntnissen, eine Welt ohne Atomwaffen zu befürworten, in der Uno jedoch gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten gegen die Aufnahme der Verbotsverhandlungen gestimmt, und, gemeinsam mit den Atommächten, die Verhandlungen in der UNO boykottiert hat.

Der Atomwaffenverbotsvertrag war ein Ziel des jahrzehntelangen Kampfes der weltweiten Bewegung gegen die atomare Aufrüstung und auch des jahrzehntelangen Kampfes gegen die in Deutschland stationierten Atombomben.

Die Friedensbewegung in Deutschland, – von der leider bisher auf den Straßen bisher nicht viel zu sehen ist, aber hoffentlich ändert sich das ja demnächst –, hat deshalb allen Grund,

• den Widerstand gegen die Beteiligung unseres Landes an der Atomkriegsstrategie der USA und

• gegen die in Büchel stationierten US-Atomwaffen,

• gegen die damit verbundene Gefahr eines Atomkriegs in Europa und

• für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags auch unseres Landes verstärkt fortzusetzen.

Gegen die "nukleare Teilhabe" Deutschlands

Deutschland verfügt bekanntlich über keine "eigenen" Atomwaffen. Vielen Menschen in Deutschland ist aber nicht klar, dass und wie wir über die "Nukleare Teilhabe" an der Atomkriegsstrategie der Nato beteiligt sind.

Im Rahmen der nuklearen Teilhabe haben die USA in vier europäischen Nato-Staaten ca. 150 taktische Atomwaffen, das sind frei fallende Atombomben vom Typ B61, stationiert. Neben Deutschland sind das Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei als Nato-Staat zählt ebenfalls dazu.

Bei der nuklearen Teilhabe liefern die USA die Atomwaffen, während die Stationierungsländer die Stützpunkte, die Trägerflugzeuge und die Piloten zur Verfügung stellen, die im Kriegsfall die Atomwaffen ins Ziel fliegen und abwerfen sollen. In Deutschland sind schätzungsweise circa 20 US-Atombomben auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert.

Die IPPNW macht seit Jahren darauf aufmerksam, dass die nukleare Teilhabe eindeutig gegen den Atomwaffensperrvertrag von 1970 verstößt, den auch Deutschland unterzeichnet hat. Darin haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet, "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen."

Entgegen einem parteiübergreifenden Beschluss des Bundestages im Jahr 2010 hält auch die jetzige Bundesregierung weiterhin an der Stationierung der US-Atombomben in Deutschland fest und lässt Piloten der Bundeswehr regelmäßig den Atomwaffeneinsatz für den Ernstfall trainieren.

In den letzten Jahren wurde die "Modernisierung" der in Büchel stationierten US-Atombomben angekündigt, die bis Ende 2022 abgeschlossen sein sollte.

Ab 2023 gibt es die neue B61-12. Es ist eine "Allround"-Atombombe, eine zielgenaue, elektronisch gesteuerte und gelenkte Atomwaffe mit variabler Sprengkraft, vergrößerter Reichweite und der Fähigkeit, tief verbunkerte Ziele zu zerstören.

Die B61-12 ist die erste Nuklearbombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet ist. Durch die variable Sprengkraft, in der Größenordnung von sog. Mini-Nukes bis zur mehrfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, ergeben sich für die Kriegsplaner erweiterte operative Möglichkeiten für den Einsatz dieser Nuklearwaffen.

Zusätzlich plant Deutschland den Kauf einer neuen Generation von Atombombern (die sog. F 35) von den USA als Ersatz für die derzeitigen Tornados, die im Rahmen der Nuklearen Teilhabe verwendet werden sollen.