Ukraine-Krieg und Kultur: Viel Jubel und lauter Protest für Anna Netrebko
Aufführung in Staatsoper Unter den Linden war massiv umstritten. Beobachter sehen Triumph für Sopranistin. Was vor Ort geschehen ist.
Ein Auftritt der russisch-österreichischen Sopranistin Anna Netrebko an der Berliner Staatsoper am Freitagabend hat erwartungsgemäß polarisiert: Während das Haus mit 1.400 Plätzen für die Aufführung der Verdi-Oper Macbeth schon länger ausverkauft war, versammelten sich nach Angaben lokaler Medien einige Hundert Demonstranten vor dem Gebäude. Sie protestierten gegen den Auftritt der 51-jährigen Sängerin, der sie Nähe zur Regierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin vorwarfen.
Michael Meier von der Berliner Zeitung beschrieb, wie sich einige hundert Demonstranten vor der Aufführung vor der Staatsoper Unter den Linden versammelten, um gegen den Auftritt von Anna Netrebko zu protestieren. "Die Demonstranten forderten, dass europäische und deutsche Kulturinstitutionen die Zusammenarbeit mit russischen Kulturinstitutionen unterbinden sollten", so Meier.
Immer wieder skandierten sie "Schande!" und Parolen gegen Russland. Sie zeigten Anna Netrebko in blutverschmiertem Gewand. Ein Plakat zeigte eine Foto-Montage von Intendant Matthias Schulz, Wladimir Putin und Anna Netrebko. Die Demonstranten warfen den Besuchern der Oper die Teilnahme vor und riefen ihnen, während sie die Oper betraten, "Schande!" zu. Die Veranstaltung verlief bis zum Beginn der Vorstellung friedlich.
Michael Meier, Berliner Zeitung
Am Ende der Aufführung sah Meier, der die Proteste und die Aufführung verfolgte, jedoch einen "Triumph für Netrebko, die eine künstlerische Weltklasseleistung hinlegte". Er beschreibt minutenlange, einhellige stehende Ovationen für die Sängerin sowie große Begeisterung für alle Mitwirkenden.
Julian Würzer von der Berliner Morgenpost beschrieb, wie es nach "den ersten Arien der künstlerisch bravourösen Sopranistin ein Kraftmessen zwischen dem Applaus und hartnäckigen Buh-Rufern" gab. Netrebko habe die Proteste ihrer Kritiker zweimal mit demonstrativ verschränkten Armen und gewinnendem Lächeln am Bühnenrand gekontert.
Die international gefeierte Sopranistin war wegen angeblicher Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Beginn des Krieges in die Kritik geraten. Vor dem Opernhaus protestierten den ganzen Abend über Gegner des Auftritts mit lautstarken Rufen, Plakaten und ukrainischen Fahnen. Sie skandierten unter anderen "Schande Netrepko" und "Russland ist ein Terrorstaat".
Julian Würzer, Berliner Morgenpost
Telepolis hatte am Freitag in einem Leitartikel darauf verwiesen, wie seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine russische Kultur ins Visier gerät.
Im März 2022 ersetzte das walisische Cardiff Philharmonic Orchestra die Ouvertüre 1812 des Russen Pjotr Tschaikowski durch die ukrainische Nationalhymne und die 8. Sinfonie von Antonín Dvořák.
Ebenfalls im Frühjahr 2002 hatte der CDU-Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Gemeinde Lindlar ein Konzert des Jungen Orchesters NRW abgesagt, weil auch dort Tschaikowski und russische Musik auf dem Programm standen. Nach heftigen Protesten durfte das Orchester im Mai vergangenen Jahres doch noch auftreten.
Im gleichen Sinne forderte der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkatschenko in einem Beitrag für den britischen Guardian die westlichen Staaten auf, Tschaikowskis Werke zu boykottieren. Musik des Komponisten solle bis zum Ende der "blutigen Invasion" nicht mehr erklingen. Das passt zu den Ereignissen in der Ukraine, wo Puschkin-Denkmäler vom Sockel gerissen werden. Telepolis dazu weiter:
Das alles ist längst nicht mehr rational und sollte mehr Kritik hervorrufen. Nur die uneingeschränkte – ich betone: die uneingeschränkte – Solidarität mit der Ukraine und alles, was ihre Vertreter so von sich geben, steht dem entgegen. Und das ist gerade in der Kultur verheerend.
Wenn Netrebko singt, sollte Makejew schweigen
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