Ukraine-Krise: Vorbereitung auf den Ernstfall

Situation in Moskau, NATO-Lageführung und Kriegsplan GUARDIAN EAGLE

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Zunächst protestierten die ukrainischen Bürger auf dem Maidan-Platz gegen das diktatorische Regime, aber seit Ende Februar sind die Bürgerrechtler durch die "professionellen" Politiker marginalisiert worden. Nun reisen hochverdiente Regierungsvertreter in Regierungsjets um die Welt, um sich in 5-Sterne-Hotels mediengerecht als Krisenmanagement-Macher darzustellen. Währenddessen üben sich die Geheimdienstler in ihrer Rolle als "Herr der Lage". Im Hintergrund bereiten sich die Militärs auf beiden Seiten auf den "worst case" vor. Der Osteuropa-Kriegsplan der NATO für einen Krieg gegen Russland trägt den Codenamen GIANT EAGLE. Die Konflikte innerhalb der Ukraine haben sich innerhalb eines Monats zur vielleicht schwersten Krise in den NATO-Russland-Beziehungen seit der Nuklearkrise vom November 1983 ausgewachsen.Dennoch glauben die Politiker, sie könnten einen Krieg wieder einmal verhindern.

Entscheidungsfindung in Moskau

Regierung und Parlament in Moskau haben mittlerweile die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. Dabei geht es nicht nur um die Vergrößerung des größten Flächenstaates der Erde um ein paar läppische Weinberge, sondern um den ersten gewaltsamen Verstoß der russischen Regierung gegen die europäische Jalta-Nachkriegsordnung vom Februar 1945. Welche Schlussfolgerungen man in Moskau auch immer aus den 28 Millionen Todesopfern unter der eigenen Bevölkerung des so genannten "Großen Vaterländischen Krieges" (1941-45) gezogen haben mag, die Erkenntnis, dass Krieg kein adäquates Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ist, war es offenbar nicht.

Die Annexion ist die vorläufige Schlussakte einer zunehmend expansiven russischen Sicherheitspolitik in den letzten Jahren: Georgienkrieg und Medwedew-Doktrin (2008), neue nationale Sicherheitsdoktrin (2009), Militärreform (2010), Präemptivschlagsdrohung gegen geplantes US-Raketenabwehrsystem (2012), neue Militärstrategie, Stationierung von Atomraketen Iskander an der russischen Westgrenze und Remilitarisierung der Arktis (2013), Annexion der Krim (2014).

Wie sich die Ukraine-Krise in den nächsten Wochen entwickeln wird, hängt in erster Linie von dem Machthaber im Kreml ab, der schon im Nordkaukasus seine Blutspur hinterlassen hat. Für was wird sich Wladmir Wladimirowitsch Putin entscheiden und wann wird er diese Entscheidung treffen? Bis dahin bleibt alles, was hinter den roten Klinkermauern des Kreml in Moskau besprochen und geplant wird, für Außenstehende nur z. T. einsehbar. "Wem der Präsident wirklich vertraut, das weiß nur Putin selbst", sagt Alexej Muchin, Direktor des Moskauer Zentrums für politische Information. Ausländische Russlandexperten nutzen daher die kleinsten Informationsschnipsel, um sich ein Bild von den politischen Vorgängen und Ränkespielen zu machen. Allerdings ist diese "Kremlogie" keineswegs zuverlässig.

Die (friedens-)politischen Signale aus Moskau sind widersprüchlich: Während der Präsident, sein Ministerpräsident, sein Außenminister und sein Verteidigungsminister unisono erklären, sie hätten keinerlei Absichten in die Ost-Ukraine einzumarschieren, heißt es andererseits, man behalte sich - gemäß der so genannten "Medwedew-Doktrin" von 2008 - einen Militäreinsatz zum Schutz von russischen Staatsbürgern in der Ost-Ukraine oder in Transnistrien in jedem Falle vor. So lassen sich die militärpolitischen Absichten des russischen Präsidenten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zuverlässig einschätzen.

Möglich ist, dass die fragile Situation in der Ukraine eskaliert und sich Putin zum Militäreinsatz gezwungen sieht, möglich ist auch, dass die russische Regierung durch agents provocateurs die Zustände heimlich produziert, vor denen sie öffentlich warnt, um so einen Vorwand für eine Militärintervention erst zu schaffen. Schon die abenteuerliche Invasion auf der Krim hat nicht gerade zur Stabilisierung und in der Ukraine beigetragen.

Durch die russische Vorgehensweise fühlen sich nun auch die osteuropäischen NATO-Staaten Estland, Lettland, Litauen und Polen von Moskau bedroht. Schon beim Manöver SAPAD-2013 (Sapad = dt. Westen) im September 2013 hatten 70.000 Soldaten in Weißrussland unter dem Vorwand, einen Terroranschlag abzuwehren, den Überfall auf die osteuropäischen NATO-Staaten zum wiederholten Male geübt. Dabei wurde auch der Abschuss einer atomaren Iskander-Rakete gegen das Baltikum simuliert. Demgegenüber versicherte der russische Außenminister Lawrow in Bezug auf die Aufstockung der Nato-Truppen an der russischen Grenze am 1. April 2014: "Die OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, G. P.) ist an keiner Konfrontation interessiert, besonders nicht mit der Nato (…) Wir hoffen, dass niemand eine Konfrontation provozieren wird."

Schon jetzt hat die neue, aggressive Militärpolitik der russischen Regierung nicht nur Auswirkungen für die NATO-Russland-Beziehungen, sondern auch auf die Stützpunktpolitik und Verteidigungsplanung der NATO in Osteuropa. Die westeuropäischen NATO-Mitglieder nutzten die Gelegenheit, um ihre Truppenpräsenz in diesem sensiblen Gebiet zu erhöhen. Die Militärs weisen zu Recht darauf hin, für sie seien nicht die diffusen Absichten eines potentiellen Gegners ausschlaggebend, sondern dessen militärische Fähigkeiten, die sich durch die Zahl der gegnerischen Soldaten, ihre Ausrüstung und Ausbildung und Dislozierung berechnen lassen. Dies gilt für die Militärs in Washington, Brüssel und Moskau gleichermaßen.

Seine Entscheidung für oder gegen einen Angriff auf die Ost-Ukraine wird Putin im engsten Beraterkreis abstimmen. Diese Kamarilla ist auch unter der Bezeichnung "Sankt-Petersburg-Connection" bekannt. Dazu zählen insbesondere die "alten Kameraden" aus dem KGB-Geheimdienstmilieu, die so genannten "Silowiki", die heute lukrative Positionen im Staatsapparat oder der Wirtschaft bekleiden. Zu nennen sind hier der frühere Geheimdienstgeneral Sergej Borissowitsch Iwanow, der heute die Präsidentialverwaltung leitet, der Ölmagnat Igor Iwanowitsch Setschin vom Rosneft-Konzern und der Chef von Gazprom Alexej Borissowitsch Miller. Hinzu kommen die politisch-strategischen Berater im Präsidialapparat, wie z. B. Wladislaw Jurjewitsch Surkow und Wjatscheslaw Wiktorowitsch Wolodin. Gegen mehrere dieser Strippenzieher wurden nun von der EU und der US-Regierung Sanktionen verhängt.

Höchstes amtliches Entscheidungsgremium ist der nationale Sicherheitsrat (Sowjet Bezopasnosti Rossiiskoi Federacii). Dieser hat 13 Mitglieder, darunter den Präsidenten, den Ministerpräsidenten, mehrere Minister, die Leiter der Geheimdienste, Vertreter der Militärspitze und weitere Apparatschiks. Sekretär des Sicherheitsrates ist seit 2008 Nicolai Platonowitsch Patruschew, der ehemalige Leiter des FSB.

In diesem Gremium wird u. a. die "Strategie der nationalen Sicherheit" festgelegt. In der gültigen Strategie vom 12. Mai 2009 heißt es offiziell:

13. Langfristig strebt die Russische Föderation den Aufbau internationaler Beziehungen an, die auf den Prinzipien des Völkerrechts sowie zuverlässiger und gleicher Sicherheit für die Staaten basieren.

Zum Schutz seiner nationalen Interessen wird Russland im Rahmen des Völkerrechts eine rationale und pragmatische Außenpolitik verfolgen, die aufwändige Konfrontation wie auch ein neues Wettrüsten ausschließt.

Russland betrachtet die Organisation der Vereinten Nationen und ihren Sicherheitsrat als zentrale Elemente eines stabilen Systems der internationalen Beziehungen, dessen Grundlage die Achtung, Gleichberechtigung und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit der Staaten ist und das sich auf zivilisierte politische Instrumente zur Lösung globaler und regionaler Krisensituationen stützt. (...)

26. Die strategischen Ziele der Vervollkommnung der nationalen Verteidigung bestehen in der Verhinderung globaler und regionaler Kriege und Konflikte sowie in der Verwirklichung der strategischen Zügelung zur Gewährleistung der militärischen Sicherheit der Russischen Föderation.

Die strategische Zügelung erfordert die Entwicklung und systematische Umsetzung eines Komplexes miteinander verbundener politischer, diplomatischer, militärischer, ökonomischer, informatorischer und anderer Maßnahmen zur Verhütung oder Verringerung der Gefahr destruktiver Handlungen von Seiten eines Aggressor-Staates (einer Staatenkoalition).

Die strategische Zügelung erfolgt unter Nutzung der wirtschaftlichen Möglichkeiten des Staates, unterstützt durch Ressourcen der Kräfte zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit, durch die Entwicklung des Systems der militärpatriotischen Erziehung der Bürger der Russischen Föderation, der militärischen Infrastruktur und des Führungssystems der Militärorganisation des Staates."

Die Führung der russischen Streitkräfte liegt beim Generalstab ("Genshtab") im Verteidigungsministerium in Moskau-Arbat (Znamenka-Straße) hat, der in Kriegszeiten seinen Sitz in den Kommandobunker in Tschehow rund 80 km südlich von Moskau verlegt. In Friedenszeiten ist der Generalstab u. a. für die Formulierung der nationalen Militärstrategie zuständig, die zuletzt im Januar 2013 modifiziert wurde. Als Generalstabschef fungiert z. Zt. Generaloberst Waleri Wassiljewitsch Gerassimow. Dieser hatte schon am 26. Januar 2013 getönt, die russischen Streitkräfte seinen bereit für einen neuen Großkrieg: "Ein groß angelegter Krieg kann nicht ausgeschlossen werden."

Truppen an der ukrainischen Grenze

Der Generalstab hat seine Streitkräfte an der russisch-ukrainischen Grenze derzeit massiv verstärkt. Die Truppen werden u. a. vom nachgeordneten Militärkommando West in St. Petersburg geführt. Dessen Kommandeur ist z. Zt. Generaloberst Anatolij Alexejewitsch Sidorow, sein Stellvertreter Generalleutnant Iwan Alexandrowitsch Buwalzew. Als sein Chef des Stabes fungiert Generalleutnant Andrej Wasiljewitsch Kartapolow. Zu den weiteren Generälen im Stab gehören u. a. Generalleutnant Andrej Wiktorowitsch Toporow und Generalmajor Sergej Nikolajewitsch Poletutschij.

Zur Zahl der am Aufmarsch beteiligten Soldaten gibt es - wie üblich - höchst widersprüchliche Angaben. Während der frühere ukrainische Verteidigungsminister Admiral Igor Tenjuch von 220.000 Mann sprach, war in Kreisen des ukrainischen Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrates zunächst von 80.000, später von 88.000 Mann die Rede. Demgegenüber gab die NATO die Anzahl zunächst mit 15.000, zuletzt mit 40.000 Soldaten an. Leider lässt sich dieser Zahlensalat nicht auflösen, da die jeweiligen Zählkriterien nicht bekannt sind. Jedoch ist eines sicher, aufgrund des mäßigen Straßennetzes müssen die Truppen vor allem mit der Eisenbahn transportiert werden und können daher relativ leicht durch die NATO-Geheimdienste aufgeklärt werden.

Neben der ukrainisch-russischen Grenzregion gibt es noch ein zweites Gebiet von besonderer Bedeutung: In der russischen Enklave Kaliningradskaja oblast (15.125 qkm, 942.000 Einwohner) zwischen Litauen und Polen unterhalten die russischen Streitkräfte mehrere strategisch wichtige Militäreinrichtungen. In Baltijsk befindet sich das Hauptquartier der Baltischen Flotte unter dem Kommando von Vizeadmiral Wiktor Petrowitsch Krawtschuk, in Pionersky eine Radarstation vom Typ Woronesch-DM, eine MotSchützen-Division, eine selbstständige MotSchützen-Brigade und ein Jagdfliegerregiment mit Su-27 Flanker.

Um seine Entscheidung über Krieg und Frieden zu treffen, muss sich Putin einen Überblick über die politische und militärische Lage verschaffen. Zum Einsatz kommt hier das gesamte Agentennetz der russischen Nachrichtendienste in den Hauptstädten der NATO-Mitgliedsstaaten, nämlich des militärischen Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU) und des zivilen Auslandsnachrichtendienst Sluschba Wneschnei Raswedki (SWR), aber auch die Funkhorcher des Abhördienstes Federal'naya Agenstvo Pravitel'stvennoy Svayazi i Informatsii (FAPSI) in den Botschaftsniederlassungen.

Zur Militäraufklärung setzt die russische Regierung u. a. ihre Satelliten der Kosmos-Serie ein: Photo-Aufklärungssatelliten vom Typ Persona (Kosmos-2441 und -2486) Yantar-4K2M (Kosmos-2455, -2450 und 2462) Kobalt-M (Kosmos-2472 und -2480) und den neuen Abhörsatellit vom Typ Liana (Kosmos-2455). Die Abhörsatelliten werden ergänzt durch Auflklärungs-Flugzeuge wie z. B. die A-50A Mainstay AWACS, Aufklärungsdrohnen, Frettchen-Schiffe in der Ostsee und am Schwarzen Meer und die ortsfesten Abhörstationen und mobile Eloka-Einheiten an Land. So versuchen die Streitkräfte die verstärkte Truppenpräsenz der NATO in Osteuropa im Auge zu behalten, was sich wiederum auf die Entscheidungsfindung im Kreml auswirkt.

Ob sich Wladimir Putin für einen Einmarsch in die Ost-Ukraine entscheidet oder nicht, hängt schließlich von verschiedenen Faktoren ab. Für einen militärischen Vorstoß spricht, dass Putin damit eine Landbrücke zwischen dem russischen Territorium und der annektierten Halbinsel Krim erreichen kann. Bisher fehlt eine solche organische Anbindung völlig. Allerdings würde der Bau einer Brücke über die "Straße von Kertsch" zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer mehrere Jahre in Anspruch nehmen, wenn sich überhaupt genügend Arbeiter aus Kasachstan finden, die nach dem Betrug bei den Olympischen Spielen noch einmal für die Russenmafia arbeiten wollen. Aber ein Einmarsch in die Ost-Ukraine birgt auch Risiken. Zwar könnten die überlegenen russischen Streitkräfte die Ukraine im Handstreich durchqueren, aber damit ist das Land nicht wirklich erobert. Partisanengruppen könnten die Ukraine in ein europäisches Afghanistan verwandeln.

Sollte sich Wladimir Putin dennoch für einen Einmarsch entscheiden, hängt die Wahl des Zeitpunktes von mehreren Faktoren ab: Nach der Schneeschmelze trocknet nun die Frühlingssonne die Böden, so dass diese "panzergängig" werden und die Militärfahrzeuge nicht im Schlamm stecken bleiben. Außerdem muss Putin bedenken, dass demnächst fast 90.000 Wehrdienstleistende, das entspricht über 10 Prozent der Soldaten, ihren Militärdienst abschließen und durch ungediente Rekruten ersetzt werden, die erst noch monatelang ausgebildet werden müssen. Dies wirkt sich negativ auf die Kampfkraft der Einheiten aus. Auf Grund dieser Faktoren rechnet der russische Militärexperte Pavel Felgenhauer spätestens für Mitte Mai mit einem Kriegsbeginn: "Now all decisions will be taken by the military. If we do not go to war before the middle of May, then this will not happen later either."

Der russische Verteidigungsminister General Sergej Kuschugetowitsch Schoigu warnte am 1. April 2014: "Die Ermutigung russophober Stimmungen könnte eine Tragödie nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa nach sich ziehen." Demgegenüber verurteilte der Stellvertretende Außenminister Sergei Alexejewisch Ryabkow die angebliche Kriegshysterie seiner Kollegen in Amerika und empfahl ihnen am 3. April betont salopp: "To spend more time in the fresh air, take up yoga, a food separation diet, perhaps watch some sit-coms on television."

Lageführung der NATO

Niemand rechnet z. Zt. mit einem direkten russischen Angriff auf die NATO. Dennoch sind verschiedene Szenarien möglich, die zu einer ungewollten Eskalation führen könnten. Sollten sich die Ukraine angesichts ihrer Wirtschaftsprobleme und ethno-nationalen Spannungen nicht stabilisieren können droht ein Bürgerkrieg. Auf einen russischen Vorstoß gegen die Ost-Ukraine zum vermeintlichen Schutz der dortigen russisch-stämmigen Bevölkerung könnte die polnische Regierung mit einem Vorstoß ihrer Truppen in die West-Ukraine reagieren, um die dortige polnisch-stämmige Bevölkerung zu schützen. Dann könnte ein Begegnungsgefecht nicht mehr ausgeschlossen werden. Angesichts des massiven Truppenaufmarsches und der regen Manövertätigkeit ist auch ein "irrtümlicher Krieg" (accidental war) nicht ausgeschlossen. So könnten - auf beiden Seiten - paramilitärische Provokateure, ob mit oder ohne staatlichem Auftrag, Zwischenfälle inszenieren.

Am 1. April verhaftete der ukrainische Sicherheitsdienst Sluschba bespeky Ukrajiny (SBU) einen russischen "agent provocateur":

Ukraine’s security service, known by the acronym SBU, said in a statement on its website that it had detained Oleg Bakhtiyarov, a leader of the extremist Eurasian Youth Union of Russia, for allegedly planning to storm the country’s parliament and Cabinet of Ministers buildings in Kyiv by force. (...) The SBU said that Bakhtiyarov, working under the guise of a civil society activist in Kyiv, had recruited some 200 people to assist in storming the buildings and had stockpiled Molotov cocktails and various tools to carry out the provocation. He was also in possession of an undisclosed amount of cash.

Und am 5. April 2014 nahm der SBU Lugansk in der Ostukraine 15 Personen fest, die der Vorbereitung von Terrorakten verdächtigt und nun wegen Hochverrat angeklagt werden.

Am 3. April konterte der russische Sicherheitsdienst Federalnaja sluschba besopasnosti Rossijskoj Federazii (FSB) mit der Meldung über die Festnahme von 25 ukrainischen SBU-Agenten, die die russischen Truppen an der ukrainisch-russischen Grenze ausgespäht hätten, obwohl es dort ja angeblich keinen Truppenaufmarsch gibt. Außerdem sollen die Ukrainer Terroranschläge in sieben russischen Regionen (Belgorod, Kalmückien, Orjol, Rostow, Tatarstan, Twer und Wolgograd) geplant haben. Unter den Festgenommenen befinden sich auch mehrere Rechtsextremisten: Vitali Kriwoschejew und Arjom Golowko.

Obwohl die NATO durch die russische Annexion der Krim nicht direkt betroffen ist, verfolgt man in Brüssel die Lageentwicklung mit Sorge. "Wir wissen, dass das Raubtier durch das Fressen immer noch mehr Appetit bekommt", schimpfte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. Dabei blieb offen, ob er den "russischen Bären" oder Wladimir Putin persönlich meinte. Und der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ergänzte: "Russland verhält sich in der letzten Zeit als Feind und nicht als Partner. Es verliert Partner und Prestige."

Das Netz der NATO

Der Nordatlantikrat (NAC), das höchste militärpolitische Entscheidungsgremium des Bündnisses, hat seinen Sitz in der NATO-Zentrale in Brüssel (Boulevard Léopold III). Die Bundesrepublik ist hier durch ihren Botschafter Martin Erdmann vertreten. Der NAC tagt wöchentlich oder bei jeder besonderen Gelegenheit.

Der politische Apparat wird durch den NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen geleitet. Dem Generalsekretär steht der International Staff (IS) mit seinen 1.200 Mitarbeitern und sieben Abteilungen (Political Affairs and Security Policy, Defence Policy and Planning, Operations, Defence Investment, Emerging Security Challenges, Public Diplomacy und Executive Management Division) zur Verfügung.

Am 2. April 2014 warnte Rasmussen - wie schon der US-Präsident Barack Obama - die russische Regierung vor einem Einmarsch in die Ost-Ukraine:

If Russia were to intervene further in Ukraine, I wouldn't hesitate to call it an historic mistake. That would lead to further isolation... international isolation of Russia. It would have far-reaching consequences for the relations between Russia and what we, as a whole, might call the Western World. It would be a miscalculation with huge strategic implications.

Now, we're not discussing military options. We do believe that the right way forward is to find a political and diplomatic solution. And in order to de-escalate the situation, I urge Russia once again to pull back its troops to live up to its international obligations and engage in a constructive dialogue directly with the Ukrainian government."

Allerdings stellt sich hier die Frage, wieviel "appeasement" darf es beim Krisenmanagement sein.

Zum militärischen Zweig in der NATO-Zentrale gehören das Military Committee (MC) und der International Military Staff (IMS). Das Military Committe ist formal das höchste militärische Gremium der NATO, es wird z. Zt. von dem dänischen General Knud Bartels geleitet. Das Komitee tagt wöchentlich auf der Ebene der nationalen Militärischen Vertreter (MILREPS), um die Streitkräfteentwicklung zu steuern und um über die militärpolitischen Entwicklungen im Bündnis- und den Einsatzgebieten zu konferieren. Die Bundeswehr ist hier durch Generalleutnant Markus Bentler vertreten. Dreimal jährlich tritt der MC auf der Ebene der Generalstabschefs der Mitgliedsstaaten zusammen. Dann präsentiert der Generalinspekteur (z. Zt. General Volker Wieker) die Bundeswehr.

Der International Military Staff als Arbeitsstab umfasst ca. 450 Mitarbeiter. Der IMS gliedert sich in fünf Abteilungen, deren Aufgaben von der NATO wie folgt dargestellt wird:

"The IMS’ key role is to support the MC, and to do this it is organised into five functional divisions responsible for the following.

- Plans and policy (P&P)

- The IMS develops and coordinates the MC’s contribution to NATO policy and planning matters, defence policy, strategic planning, special weapons policy and planning, proliferation of weapons of mass destruction, defence and force planning, the NATO Response Force and capabilities in general.

- - Operations (OPS)

- The IMS supports the MC in developing operational plans and addressing questions about the NATO force posture and other military management issues regarding NATO’s role in international crises. It promotes and develops multinational training and exercises for NATO and Partnership for Peace (PfP) countries.

- Intelligence (INT)

The IMS provides day-to-day strategic intelligence support to the NATO Secretary General, the NAC, the MC, the Defence Policy and Planning Committee and other NATO bodies. It collates and assesses intelligence received from NATO member countries and commands. It also develops, maintains and implements basic intelligence policy, doctrine and documents.

- Co-operation and regional security (C&RS)

- The IMS liaises with military contacts and cooperates within the framework of the Euro-Atlantic Partnership Council and PfP programme, the NATO-Russia Council, the NATO-Ukraine Commission, the NATO-Georgia Commission, the Mediterranean Dialogue, the Istanbul Cooperation Initiative and with individual partner countries across the globe. Military advice on NATO involvement in different aspects of disarmament, arms control and cooperative security issues is also developed.

- Logistics and Resources (L&R)

- The IMS develops and coordinates the MC’s contribution to NATO strategic logistics and resource planning in support of NATO military bodies. It provides staff support to NATO policy and procedures within the framework of logistics, medical issues, armaments, Research & Technology, manpower and personnel, and investment and finance.

Die Operations Division (OPS) betreibt das unterirdische NATO Situation Centre (SITCEN), das über sein Watch Office die militärische Lageentwicklung verfolgt. SITCEN wird unterstützt durch die NATO-Kommunikationszentrale Communication Centre (COMCEN). Ebenfalls bei der NATO-Zentrale angesiedelt ist das NATO Office of Security (NOS) (Leiter: Michael Turner Evanoff). Dieses gliedert sich in drei Bereiche, u. a. die Security Intelligence Branch (SIB).

Während in der NATO-Zentrale in Brüssel die Politik des Bündnisses formuliert wird, ist für die operative Kriegsführung in Europa (Allied Command Operations - ACO) das militärische Hauptquartier im belgischen Mons zuständig. Es ist unter der Bezeichnung "Supreme Headquarters Allied Powers Europe" (SHAPE) bekannt; sein Kommandeur trägt den Titel "Supreme Allied Commander Europe" (SACEUR). Diesen Posten hat immer ein amerikanischer Vier-Sterne-General inne, seit Mai 2013 ist dies General Philipp M. Breedlove von der US-Air Force. Als Chef des Stabes (COS) fungiert immer ein deutscher General, z. Zt. Werner Freers. Er leitet den Special Staff. Leiter der Aufklärungs- und Operationsabteilung ist der amerikanische Generalmajor Gordon Davis, als Leiter der Planungsabteilung agiert der polnische Generalmajor Jerzy Biziewski. Dem SHAPE sind acht Unterkommandos für eine Regionalbereiche oder Teilstreitkräfte nachgeordnet, darunter das Joint Forces Command (JFC) im niederländischen Brunssum, dessen Luftwaffenkommando Allied Air Command (AC) in Ramstein und wiederum dessen Combined Air Operations Center-1 (CAOC-1) in Uedem.

Die "moderne Kriegsführung" erfordert einen enorm hohen Kommunikationsaufwand der entsprechend leistungsfähige C3IS-Systeme (Command, Control, Communications and Intelligence) erfordert. Zur Abwicklung ihres Funkverkehrs setzt die NATO eigene Kommunikationssatelliten (SATCOM) ein, die durch die nationalen Satellitensysteme der einzelnen Mitgliedsstaaten ergänzt werden: Defense Satellite Communications System III, Advanced Extremely High Frequency Communications Satellites II, Mobile User Objective System, etc. (USA), Skynet (United Kingdom), Telesat Syracuse (Frankreich) oder SICRAL (Italien). Hinzu kommen die bodengestützten Weitverkehrsfunksysteme oder Glasfasernetzwerke. Es handelt sich um mehrere sich ergänzende Systeme: NATO Core Network (NCN), NATO General Communications System (NGCS), NATO Integrated Communications System (NICS) und HICOM. Wichtige NATO-Kommunikationseinrichtungen befinden sich auch in Deutschland: Bad Bergzabern, Euskirchen, Heidelberg, Ramstein-Miesenbach und Uedem.

Über die NATO-Kommunikationsnetzwerke werden alle Aufklärungsmeldungen und Funkbefehle übermittelt. Um dieses gigantische Fernmeldeaufkommen bewältigen zu können, wird jede Einzelmeldung einer bestimmten Dringlichkeitsstufe zugeordnet, von der die Geschwindigkeit abhängt, mit der die Meldung befördert wird: "routine", "priority", "operational immediate", "emergency" und - für die allerwichtigsten Geheimmeldungen - "flash".

Im Rahmen des NATO Intelligence and Warning Systems (NIWS) werden die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse der einzelnen Mitgliedsstaaten mit den Bündnispartnern ausgetauscht. Dabei ist die NATO zu ihrer Aufklärung insbesondere auf die amerikanischen Militärsatelliten angewiesen. Zur optischen Aufklärung mit Kameras (Imagery Intelligence - IMINT) setzt das National Reconnaissance Office (NRO) Satelliten vom Typ Keyhole-11 (KH-11) ein. Satelliten, die zur Informationserfassung Radar (RADINT) einsetzen und daher auch durch Wolken blicken können, tragen die Typenbezeichnungen Misty, Lacrosse und Topaz. Abhörsatelliten zur Signal Intelligence (SIGINT) sind die Systeme Trumpet, Naval Ocean Surveillance Satellites (NOSS) Intruder und Mentor.

Seit 1986 ist die NATO nicht mehr allein auf das US-Informationsmonopol angewiesen. So verfügt Frankreich heutzutage über ihre Photo-Aufklärungssatelliten SPOT5, -6, -7 (Satellite Pour l’Observation de la Terre), zwei Pléiades 1A/B und vier Helios 1/2. Seit Dezember 2012 besitzt Frankreich auch vier experimentelle Abhörsatelliten vom Typ Elisa. Hinzu kommen seit 2007 die fünf deutschen Radaraufklärungssatelliten mit einem Synthetic Aperture Radar vom Typ SAR Lupe, deren Bodenstation sind in Gelsdorf bei Bonn befindet. Nur für den Mittelmeerbereich zuständig sind die vier italienischen Satelliten COSMO-Skymed. Der britische Topsat ist "nur" ein Erderkundungssatellit mit begrenztem Auflösungsvermögen.

Neben amerikanischen Spionageflugzeugen aus der EC-135-Reihe setzt die NATO insbesondere ihre NATO Early Warning Force (NAEWF) mit ihren über 3.000 Soldaten aus rund 18 Nationen ein. Ein Teil des Personals an Bord der Flugzeuge wird von der Bundesluftwaffe gestellt. Die NAEWF-Operations Wing verfügt über 17 Flugzeuge Boeing E-3A Sentry AWACS auf der Hauptoperationsbasis auf der Air Base Geilenkirchen (BRD). Hinzu kommen vier französische E-3F AWACS in Avord und sieben britische E-3D AWACS in Waddington RAF. Das drehfähige Radarsystem AN/APY-1 auf dem Rücken der Flugzeuge dient nicht nur zur Frühwarnung vor gegnerischen Luftgeschwadern, es kann auch bewegliche Bodenziele in großen Umkreis aufklären und daher über die Ländergrenzen "gucken".

Nicht zuletzt rekurrieren die Nachrichtendienste der NATO auf die Human Intelligence (HUMINT) durch ihr Agentennetz und ihre Militärmissionen. So unterhält das Bündnis seit April 1999 in Kiew ein NATO Liaison Office (NLO) mit insgesamt 16 ständigen Mitarbeitern, darunter auch Gerhard Mutz von der Bundeswehr. Das NLO "pflegt" die Beziehungen zur ukrainischen Regierung, zum Parlament und den lokalen Streitkräften, beobachtet die militärischen Reformen und verfolgt die militärpolitische Lageentwicklung.

Im "Wiener Dokument" der OSZE haben sich die westeuropäischen Staaten und Russland das Recht zu gegenseitigen Vor-Ort-Inspektionen gewährt. Im Rahmen des Open-Skies-Abkommen vom 1. Januar 2002 werden dazu insbesondere Aufklärungsflugzeuge eingesetzt. An diesen Inspektionsflügen über Russland, Weißrussland und der Ukraine sind bei so genannten "Beobachterflügen mit geteiler Quote" auch Offiziere des Zentrums für Verfikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) in Geilenkirchen im Auftrag des Verteidigungs- und den Außenministeriums beteiligt, wie Oberstleutnant i. G. Olaf Gründer gegenüber Telepolis mitteilte. Nach russischen Angaben haben die westeuropäischen Staaten seit Anfang März acht Inspektionsreisen mit einem von den Russen zur Verfügung gestellten Hubschrauber Mil-8 Hip im russisch-ukrainischen Grenzgebiet durchgeführt, ohne dass es Beanstandungen gab.

Im so genannten "intelligence cycle" werden die aufkommenden Rohnachrichten gesammelt, gesichtet, auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Dann von den Auswerten mit anderen Informationen abgeglichen und als Puzzleteil in das Lagebild eingefügt. Dabei werden die eingehenden Meldungen insbesondere im Hinblick auf Indikationen für gefährliche Entwicklungen abgeklopft. Schließlich werden die Geheimdiensterkenntnisse in geeigneter Form an die Bedarfsträger weitergeleitet und in geringem Umfang verbreitet. Das nachrichtendienstliche Produkt kann eine Warnmeldung, eine Meldung oder eine Studie sein, wie z. B. ein Special National Intelligence Estimate (SNIE) der US-Geheimdienstgemeinde. Allerdings liegen die Nachrichtendienste trotz ihres ganzen Aufwandes und ihrer Geheimniskrämerei mit ihren Prognosen und Einschätzungen oft daneben.

Im Vorfeld eines bewaffneten Konfliktes initiiert das Bündnis zunächst seinen NATO Crisis Management Process (NCMP). Grundlegendes Dokument ist hier die "Allied Joint Doctrine for Non-Article 5 Crisis Response Operations" (AJP-3/4(A)) (UNCLASSIFIED).

Bei (bevorstehendem) Kriegsbeginn aktiviert die NATO ihr Alarmsystem, um die Streitkräfte vom Friedens- in den Kriegszustand zu überführen: Sollte es tatsächlich zu einem russischen Angriff auf die NATO-Staaten in Osteuropa oder die Ost-Ukraine kommen, werden die ersten Meldungen hierzu über das Alarmsystem als Flash-Meldung weitergeleitet. Die gegenwärtigen Bestimmungen und Regelungen dieses Systems zur Alarmierung und Mobilisierung der NATO-Streitkräfte unterliegen einer strengen Geheimhaltung; die aktuellen Codes sind unbekannt. Hier hilft ein Rückblick auf die Zeit des Kalten Krieges. Damals unterschied die NATO zwischen sechs aufsteigenden Bereitschaftsstufen: Military Vigilance, Simple Alert, Reinforced Alert, General Alert und die beiden Sonderstufen für Überraschungsangriffe State Orange und State Scarlet.

In der KGB-Instruktion Nr. 6282/PR/52 vom 17. Februar 1981 hieß es: "Das 'Battle Alarm System' sieht zwei Stufen der Gefechtsbereitschaft vor: Ein 'Orange'-Alarm und ein 'Scarlet'-Alarm. 'State Orange' wird erklärt, wenn 'ein Angriff möglicherweise erwartet wird' in unmittelbarer Zukunft (innerhalb von 36 Stunden), ein 'State Scarlet' dann, wenn militärische Kampfhandlungen bereits begonnen haben oder wahrscheinlich in wenigen Minuten beginnen werden."

Hinzu kommen die nationalen Alarmierungssysteme der einzelnen NATO-Mitgliedsstaaten, insbesondere das amerikanische DEFENSE CONDITION-System (DEFCON V bis DEFCON I), das britische Bikini-System (WHITE, BLACK, BLACK SPECIAL, AMBER und RED) oder das französische Vigipirate-System (WHITE, ORANGE, RED und SCARLET).

Kommt es tatsächlich zu einem Krieg, aktiviert die NATO ihre verschiedenen NATO-Kommandosysteme, u. a. das NATO Air Command and Control System (ACCS). Verbindungsstellen in Deutschland befinden sich u.a. in Uedem und Gerstetten, in Polen sind es die beiden Standorte Bydgoszcz und Krakau.

Lageführung bei der Europäischen Union

Die ukrainischen Demonstranten auf dem Maidan-Platz in Kiew forderten monatelang einen Anschluss ihres Landes an die Europäische Union (EU). Seit deren Gründung hat sich noch niemals zuvor jemand mit seinem Leben für die "europäische Integration" eingesetzt. Daher fühlt sich die EU jetzt in besonderem Maße gegenüber der Ukraine verpflichtet. Wie bei der NATO beobachtet man auch bei der EU in Brüssel die Lageentwicklung in Osteuropa minutiös:

Beim Rat der European Union ist das EU-Generalsekretariat mit seinem Intelligence Centre (INCENT) seit Dezember 1999 für die Lageführung bezüglich Krisenregionen zuständig. Es ist dem Secretary General High Representative direkt unterstellt und wird dem European External Action Service (EEAS) (dt. Bez.: Europäischer Auswärtiger Dienst - EAD) zugerechnet, der z. Zt. von Cathrin Ashton geleitet wird. Damit ist das SitCen eine zentrale Institution zur Generierung einer Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (GAPS).

Das INTCEN befindet sich in Brüssel (Rue De La Loi. 175). Das SitCen wird seit dem 17. Dezember 2010 vom früheren finnischen Geheimdienstler Ilkka Salma geleitet. Das INTCEN gliedert sich in zwei Abteilungen: Die Abteilung A1 unter dem Spanier José Miguel Palacios Coronell ist für die Auswertung der Nachrichtenmeldungen zuständig, die Abteilulng A2 unter Leitung des Ungarn József Molnár ist für die EU-Außenbeziehungen zuständig. Nach anderen Angaben gliedert sich INTCEN in eine General Operations Unit (GOO), die den rund-um-die-Uhr-Betrieb (24/7) aufrechterhält und auch als "Alert Desk" bezeichnet wird. Außerdem gibt es die Communications Unit, die die Fernmeldeverbindungen wie z.B. das "Argus Rapid Alert System" betreibt. Außerdem ist INTCEN für das EU-Kommunikationssystem Correspondance Européenne (COREU) zuständig.

Das INTCEN rekrutiert sein Personal (rund 110 bis 130 Mann) aus der Policy Planning and Early Warning Unit (kurz: Policy Unit) mit ihren 40 Mitarbeitern und dem EU Military Staff (EUMS). Der Military Staff hat seinen Sitz im Brüsseler Kortenberg-Gebäude (Avenue de Kortenburg 150) und wird derzeit von dem österreichischen Generalleutnant Wolfgang Wosolsobe geführt. Sein Stab umfasst über 190 Offiziere. Die Bundesrepublik ist durch Personal vom Bundesnachrichtendienst und der Bundeswehr vertreten. Zu seinem Apparat gehören die Military Intelligence Division (DIVINT) und die Single Intelligence Analysis Capacity (SIAC).

Zur politisch-institutionellen Bedeutung des INTCEN berichtete Tim Schumacher von der Informationsstelle Militarisierung (IMI):

Das SitCen (ältere Bezeichnung des INTCEN bis 31.12.2012, G. P.) soll also für die neue Bedrohungsanalyse sensibilisieren. Damit spielt es eine enorm wichtige Rolle bei der Ausformulierung, Angleichung und Verankerung der Bedrohungsanalyse und letztendlich bei der Herausbildung eines Konsenses darüber, was als wichtigste Bedrohung erkannt wird. Das Lagezentrum liefert damit gewissermaßen den Nährboden, auf dem die Militarisierung der EU aufbaut. Außerdem verfügt das SitCen teilweise über Informationen, auf die andere Akteure, wie beispielsweise Regierungen, Think Tanks oder Universitäten keinen Zugriff haben. Damit vergrößert sich die Deutungsmacht von geheimdienstlichen Institutionen wie dem SitCen bezüglich der Wichtigkeit von Bedrohungen enorm. (…) Da die Arbeit des SitCen jedoch extrem undurchsichtig ist, da alle Veröffentlichungen unter Verschluss gehalten werden, kann nicht an konkreten Beispielen untersucht werden, welchen Einfluss das SitCen auf die jeweiligen Akteure hat.

Die Informationshoheit und die Definitionsmacht über Bedrohungen bleiben weiterhin ein umkämpftes Feld, in dem das SitCen, auch mit seiner neuen Rolle im Europäischen Auswärtigen Dienst, eine entscheidende Rolle spielen wird.

Seine Aufklärungsdaten erhält das CIC aus verschiedenen Quellen: Sie werden u. a. vom der Lageabteilung des EU Military Staff (J-2) zur Verfügung gestellt.

Für die Grenzüberwachung ist Frontex zuständig. Diese Agentur mit Sitz in Warschau (Polen) nahm im Mai 2005 ihre Arbeit auf. Unter der Leitung von Ilkka Pertti Laitinen beschäftigt Frontex z. Zt. etwa 270 Mitarbeiter, das Jahresbudget beträgt ungefähr 80 Millionen Euro. Fahrzeuge, Boote, Hubschrauber und Grenzüberwachungsanlagen stehen zur Verfügung. Sollte ein Mitgliedsstaat der EU nicht mehr in der Lage sein, seine Grenzen effektiv zu überwachen, kann er auf die personelle und technische Hilfe von Frontex rekurrieren. So können nationale Grenzschutzeinheiten vor Ort kurzfristig durch internationale Rapid Border Intervention Teams (RABIT) aus rund 200 Mann verstärkt werden. Durch den Einsatz von modernster Sensor- und Radartechnik in Verbindung mit Kommunikations- und Alarmsystemen sollen die nationalen Grenzanlagen ausgebaut werden.

Auch Sentinel-Satelliten des europäischen GMES-Systems (Global Monitoring for Environment and Security) werden eingesetzt. So steuert da European Union Satellite Centre (SATCEN) in Torrejón de Ardoz (Spanien) seine Spezialinformationen (Geospatial Intelligence - GEOINT) bei.

Die osteuropäischen NATO-Mitglieder

Die drei baltischen Staaten wurden von Juni bis August 1940 - also quasi mitten im Frieden - von sowjetischen Truppen besetzt und an die Sowjetunion angeschlossen. Erst fünfzig Jahre später, von März 1990 bis August 1991, konnten sich die drei Kleinstaaten nach und nach von der damaligen Sowjetunion loslösen.

Heute grenzt Estland an Russland, Lettland an Russland und Weißrussland, Litauen an die russische Enklave Kaliningrad und Weißrussland. Polen und Litauen trennt eine rund 100 km lange Landgrenze mit den beiden Grenzübergängen Ogrodniki und Budzisko, so dass die baltischen Staaten organisch an das NATO-Gebiet angeschlossen sind.

Estland

Estland hat 1.286.479 Einwohner, darunter 25,48 % Russen. Das Land ist seit dem 29. März 2004 Vollmitglied der NATO. Die estnischen Streitkräfte haben einen Gesamtumfang von rund 3.800 Soldaten (3.300 Heer, 200 Luftwaffe und 300 Marine), hinzu kommen im Kriegsfall rund 11.000 Reservisten.

Militärischer Befehlshaber ist z. Zt. Generalmajor Riho Terras. Das Hauptquartier mit Generalstab (Kaitseväe Peastaap) und Stabsbataillon (Staabija sidepataljon) befindet sich in Tallinn. Außerdem verfügt Estland über einen militärischen Nachrichtendienst (Luurepataljon). Die Streitkräfte besitzen 89 Panzer, 4 Flugzeuge, 4 Hubschrauber und 5 kleine Kriegsschiffe. Nach zwölfjährigen Verhandlungen konnte 2011 mit Russland ein Grenzvertrag abgeschlossen werden.

Lettland

Lettland hat 2.023.800 Einwohner, davon sind 26,9 Prozent Russen. Lettland ist seit dem 29. März 2004 NATO-Mitglied. Militärischer Befehlshaber ist Generalleutnant Raimonds Graube.

Seit dem 1. Januar 2007 verfügt das Land über eine Berufsarmee (Nacionālie bruņotie spēki) aus rund 5.500 Soldaten (4.300 Heer, 270 Luftwaffe, 930 Marine). Hinzu kommt eine paramilitärische Nationalgarde mit 11.000 Reservisten. Die Streitkräfte verfügen über 5 Panzer, keine Flugzeuge und 12 Patrouillenboote. Das Militärbudget betrug 2011 289 Mi. Dollar.

Litauen

Litauen hat 2.944.459 Einwohner, darunter 5.4 Prozent Russen. Der Staat wurde am 29. März 2004 NATO-Mitglied. Militärischer Befehlshaber ist Generalleutnant Arvydas Pocius.

Die Streitkräfte haben einen Gesamtumfang von 15.000 Personen, darunter 12.400 Soldaten; hinzu kommen 10.000 bis 100.000 Reservisten im Mobilmachungsfall. Das Heer verfügt über mehrere gepanzerte Mannschaftstransportwagen M113, die Luftwaffe hat vermutlich 17 unbewaffnete Transport- und Ausbildungsflugzeuge und 16 Transport- bzw. Seenot-Rettungshubschrauber, die Marine setzt mehrere Kriegsschiffe ein.

In Litauen befindet sich seit 2006 die Koordinationsstelle des Regionalen Luftraumüberwachungssystems Baltic Air Surveillance Network (BALTNET). Es gibt sechs Radarstationen der sowjetischen Typen P-18 Spoon Rest und P-37 Bar Lock (Juodkrantė, Degučiai, Vidiškės, Sutkūnai, Gražiškiai und Antaveršis). Hinzu kommen drei mobile Radarfahrzeuge TRML-3D aus Deutschland. Der Militärhaushalt betrug 2011 351 Mio. Dollar.

Die NATO hat auf dem Fliegerhorst Šiauliai mehrere Jagdflugzeuge im Rahmen des "Air Policing Baltikum" auf Rotationsbasis stationiert. In den vergangenen Jahren beteiligte sich die Bundesluftwaffe mit F-4F Phantom II daran. Wenn sich ein russisches (Militär-)Flugzeug der Grenze zu sehr nähert, starten die NATO-Abfangjäger zu einem "scramble"-Abfangeinsatz.

Polen

Polen hat 38.501.000 Millionen Einwohner; der Anteil der russisch-stämmigen Bevölkerung beträgt nur 0,03 Prozent. Das Land ist seit dem 12. März 1999 NATO-Mitglied.

Militärischer Befehlshaber ist z. Zt. Generał Mieczysław Gocuł. Die Streitkräfte (Siły Zbrojne Rzeczypospolitej Polskiej), die seit 2010 eine Berufsarmee sind, verfügen über 99.000 Soldaten. Das Heer (Wojska Lądowe) verfügt über 714 Kampfpanzer (T-72 und Leopard 2A4) und 2.550 gepanzerte Fahrzeuge (BMP-1, PT-91 und Patria AMV). Die Luftwaffe (Siły Powietrzne) besitzt 45 MiG-29, 48 F-16 und 48 Su-22. Die Marine (Marynarka Wojenna) setzt sich zusammen aus 2 Fregatten, 3 Korvetten, 5 Landungsschiffe, 5 U-Boote und 40 Patrouillenbooten. Hinzu kommen die Spezialstreitkräfte (Wojska Specjalne) als selbstständige Teilstreitkraft.

Am 13. November 2006 wurde gemeinsam mit Deutschland, Lettland, Litauen und der Slowakei ein Abkommen zur Bildung einer gemeinsamen EU-Einsatztruppe unterzeichnet. Polen soll dabei das Oberkommando übernehmen und 750 Soldaten zur Verfügung stellen. Am 14. Juni 2009 vereinbarte man die Gründung einer Trinationalen Brigade aus polnischen, ukrainischen und litauischen Einheiten. Auch die NATO unterhält in Polen eigene Dienststellen bzw. Einheiten seines Kommandosystems: In Bydgoszcz ist das 3rd NATO Signals Battalion stationiert, in Krakau ein Action Request System (ARS).

Kriegsplan GUARDIAN EAGLE

Mit der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation gehört die Ukraine keinem Militärbündnis mehr an. Das Land beteiligt sich lediglich am NATO-Programm "Partnership for Peace" (PfP). Damit profitiert die Ukraine nicht von dem Beistand, die die NATO ihren Mitgliedsstaaten im Kriegsfall garantiert. Allerdings verpflichten die Artikel 4 und 5 des Washingtoner Vertrages vom 4. April 1949 die Bündnisländer im Kriegsfall nur zu gegenseitiger Konsultation - mehr nicht. In diesem Sinne ist es fast egal, ob man Mitglied der NATO ist oder nicht. Ob "der Westen" im Kriegsfall der Ukraine militärischen Beistand leistet oder nicht, ist somit eine eminent politische und keine bloß vertragsrechtliche Frage. Vermutlich wird die NATO ihre Beziehungen zur Ukraine (Militärhilfe, Stationierung alliierter Militäreinheiten, Manövertätigkeit, etc.) soweit ausbauen, dass dies einer Quasi-Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO gleichkommt, ohne dass das Land in absehbarer Zukunft offiziell in das Bündnis aufgenommen würde.

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat während der Ukraine-Krise wiederholt klar gestellt, dass die USA zu ihren Bündnisverpflichtungen gegenüber den transatlantischen Bündnispartnern steht, auf der anderen Seite hat er mehrfach betont, dass die USA keinen Krieg führen wollen. Dies ist nur dann kein Widerspruch, wenn sich der Krieg auf das Territorium der Ukraine respektive die Krim begrenzen lässt. Derweil erhöht die NATO - bisher nur in symbolischem Umfang - ihre Truppenpräsenz in Osteuropa.

Polen grenzt im Norden an die russische Enklave Kaliningrad und im Osten an Weißrussland und die Ukraine. Mit der Aufnahme von Polen in die NATO 1999 wurde es notwendig, für den Fall eines hypothetischen russisch/weißrussischen Angriffs einen Kriegsplan darüber zu erstellen, wie die Bündnispartner dem Land zu Hilfe kommen könnten. Damals hatte Polen nur mit zwei weiteren NATO-Mitgliedern eine gemeinsame Landgrenze, nämlich die Bundesrepublik und Tschechien, das am selben Tag wie Polen in die NATO aufgenommen worden war.

Wie der frühere polnische Verteidigungsminister Bogdan Klich bekanntgab, hatte die Erarbeitung des Notfallplans für Polen durch eine unbekannte Zahl von Schreibtischtätern der NATO-Stäbe zwei Jahre gedauert. Die ursprüngliche Fassung des Kriegsplanes wurde schließlich im Februar oder März 2009 fertiggestellt.

Mit der NATO-Aufnahme der drei baltischen Staaten am 29. März 2004 wurde es notwendig, diese Länder in die Kriegsplanung des Bündnisses zu integrieren. Zwar hatten NATO-Politiker im Rahmen ihrer Osterweiterung immer betont, dass sie nur Länder aufnehmen wollten, die einen "Netto"-Beitrag zur Sicherheit des Bündnisses leisten könnten, davon kann beim Baltikum nicht die Rede sein. Vielmehr handelt es sich um drei kleine Staaten mit geringer Bevölkerung, schwachen Streitkräfte und ohne Vorfeld und strategische Tiefe. Unter diesen Umständen ist eine klassische "Verteidigung" oder - wie sich die NATO heute ausdrückt - "smart defence" nicht möglich.

Dennoch machten zwei Ereignisse deutlich, dass ein Schutz der baltischen Staaten dringend notwendig war: Am 27. April 2007 kam es zu einem Cyber-Angriff auf mehrere estnische Ministerien, das Parlament, Rundfunkanstalten und Banken. Da es zur selben Zeit Demonstrationen der Angehörigen der russischen Minderheit gab, wurde vermutet, dass die russische Regierung hinter der Denial-of-service-Attacke stecken könnte, was bis heute aber nicht bestätigt werden konnte.

Nach dem russisch-georgischen Krieg (8.-12.8.2008) wurde die Frage der Verteidigung des Baltikums innerhalb der NATO mit größerer Dringlichkeit verfolgt. Hinzu kam, dass die russischen Streitkräfte im Jahr 2009 das Manöver SAPAD-2009 durchführten, bei dem ein paralleler Angriff auf das Baltikum und Polen simuliert wurde. Während des Manövers übten die russischen Streitkräfte auch einen Atomwaffeneinsatz.

Innerhalb der NATO kam daher 2008 der Vorschlag auf, den Eventualfallplan für Polen im Rahmen einer "regionalen Verteidigung" auf das Baltikum auszudehnen. Jedoch reagierten die Polen zunächst noch ablehnend. Der polnische Vize-Verteidigungsminister Stanislaw Komorowski war zunächst gegen dieses Konzept, er betrachtete einen regionalen Verteidigungsplan sehr "skeptisch" und bevorzugte einen Einzelplan für die Verteidigung Polens. In einer vertraulichen Depesche, die William Heidt von der US-Botschaft in Warschau am 18. Dezember 2009 ans US-Außenministerium schickte, hieß es dazu:

Komorowski was skeptical that a regional approach to contingency planning was the best way ahead. Komorowski said Warsaw would prefer a unique plan for Poland, although he allowed that Warsaw could accept the notion of two complementary chapters for Poland and the Baltic States within EAGLE GUARDIAN. More important for Poland was the need to avoid any delay in completing the plan or to rehash already-agreed components, such as the threat assessment. He added that he "agreed entirely" that the issue should remain as secret as possible, and that it was in the "common interest" to avoid public discussion of NATO contingency planning.

In gleicher Weise äußerte sich der polnische NATO-Diplomat Adam Kobieracki:

Kobieracki made similar points to DCM on December 15, and suggested the USG engage in detailed consultations with Polish officials in Brussels and with the General Staff in Warsaw. He said Poland had hoped that a revised EAGLE GUARDIAN plan could be used as a starting point for developing contingency plans for the Baltic States rather than become intertwined with them. He hinted that a creatively packaged regional plan that met Polish needs in terms of conditionality and automaticity might be acceptable, but cautioned that Warsaw would need assurances that NATO's defense of Poland was an "issue in its own right" and not dependent on the security or defense of other NATO members. Kobieracki insisted that Poland would also need assurances that regional planning would not negatively impact on NATO's response to prospective crises, particularly with respect to pre-planned deployments. He urged that completion of EAGLE GUARDIAN not be delayed to accommodate incorporation of the Baltic States into a regional contingency plan. Kobieracki agreed that contingency planning discussions should not be made public.

Auch die Bundesrepublik - vertreten durch ihren damaligen NATO-Botschafter Ulrich Brandenburg - verhinderte monatelang eine Ausdehnung der Verteidigungsplanung für Polen auf das Baltikum, um die russische Regierung nicht zu verprellen. Doch schließlich übernahm die deutsche Bundesregierung selbst die Initiative, so bei einem vertraulichen Treffen mit dem NATO-Generalsekretär und den NATO-Botschaftern der USA und der vier betroffenen Ländern am 15. Dezember 2009.

Am 22. Januar 2010 beschloss das Military Committee der NATO endlich, die Eventualfall für Polen zu aktualisieren und auf das Baltikum auszudehnen. Als Abstimmungsmodus wurde das "silent procedere"-Verfahren gewählt: Da kein nationaler Militärvertreter Einwände äußerte, gilt der Plan nunmehr - ohne formale Abstimmung - als angenommen.

In einer geheimen Depesche, die Nancy McEldowney am 26. Januar 2010 an das US-Außenministerium schickte, hieß es:

We see the expansion of EAGLE GUARDIAN as a step toward the possible expansion of NATO's other existing country-specific contingency plans into regional plans. This is the first step in a multi-stage process to develop a complete set of appropriate contingency plans for the full range of possible threats - both regional and functional - as soon as possible. At the same time, we believe contingency planning is only one element of NATO's Article 5 preparedness.

Dabei berücksichtigte der modifizierte GUARDIAN EAGLE die neuesten Entwicklungen bei den russischen Streitkräften, die im Jahre 2010 eine umfassende Reform zur Modernisierung einleiteten. Das Ziel der russischen Armeereform war und ist ein wiedererstarktes Russland.

Allerdings ist "moderne Kriegführung" ein hoch komplexes, dynamisches Geschehen, dass selbst mit den modernsten Planungsmethoden nur unzureichend dargestellt werden kann. Hinzu kommt, dass das Kampfgeschehen durch Imponderabilien charakterisiert ist; mit zunehmender Kriegsdauer kann man nicht mehr vorhersagen, welche Militäreinheit zu wieviel Prozent noch existent ist oder nicht. Daher umfasst die geplante Zeit gerade mal die ersten sieben, acht oder neun Kriegstage. Für die Zeit danach können nur grobe Vorhersagen gemacht werden.

Eines der grundlegenden Dokumente für die Ausarbeitung eines Kriegsplans ist das Dokument "Allied Joint Doctrine" (AJP-01(D)) vom 21. Dezember 2010. Dazu verwenden die Generalstäbler ein Bündnis-internes Planungsverfahren, das als "Operational Planning Process" (OPP) bekannt ist.

Dieser abgestimmte Planungsprozess gliedert sich in fünf Phasen: 1. Planungsvorbereitung (u. a. Erarbeitung eines "Military Assessment" und einer militärpolitischen "Initiating Directive"), 2. Orientierung, (u. a. "Estimate of the Situation" und "Mission Analysis", in dieser Phase wird insbesondere der Informationsbedarf abgeklärt: "Commander's Critical Information Requirements") 3. Entwicklung des operativen Konzepts (Eruierung der Handlungsmöglichenkeiten gemäß dem "Course of Action" und dem "Concept of Operations", sowie Festlegung des notwendigen Streitkräftebedarfs im "Statement of Requirements", etc.), 4. Entwicklung des Plans (nach den Vorbereitungsarbeiten wird in dieser Phase der eigentliche Kriegsplan ausgearbeitet und die nationalen Streitkräftekontingente ("National Force Contributions") und die Truppendislozierung ("Multinational Detailed Deployment Plan") festgelegt), 5. Kontrolle des Plans (im "Progress Review" wird überprüft, ob der fertige Operationsplan mit den politischen Vorgaben und den angenommenen Rahmenbedingungen übereinstimmt). Die Planung umfasst dabei nicht nur die Gefechtshandlungen und logistische Unterstützung der eigenen Kampftruppen, sondern auch die Zivil-Militärische-Zusammenarbeit und die psychologische Kriegsführung. Dabei geht es immer um den "6W"-Fragenkomplex: Wer tut was, wie, wann, wo und wozu.

Speziell für die Einsatzplanung für die Landstreitkräfte wird zusätzlich ein Verfahren mit dem Namen "Decision Making Process" (DMP) angewendet. Auch dieser abstimmte Führungsprozess gliedert sich in mehrere Phasen: 1. Lagefeststellung, 2. Entscheidungsfindung, 3. Planung, 4. Befehlsgebung und 5. erneute Lagefeststellung mit abschließender Kontrolle. Dabei rekurriert man auf die übliche Arbeitsweise des Stabes ("Standard Operating Procedures" - SOP) und die vorgegebenen Einsatzrichtlinien für die Feldeinheiten ("Rules of Engagement" - ROE).

Durch die gegenwärtige Ukraine-Krise und die Reaktionen der NATO wird der Kriegsplan wohl erneut modifiziert werden. Dazu wird ein vereinfachtes Planungsverfahren angewendet, das weniger gründlich ist, aber auch weniger Zeit (ca. eine Woche) erfordert. Die NATO spricht hier vom "Crisis Response Planning".

Sollte es tatsächlich zu einem NATO-Kriegsfall kommen, müsste der hypothetische Kriegsplan durch den so genannten "Commander's Decision Cycle" in die Praxis umgesetzt werden. Dabei wird die bloß virtuelle Schubladenplanung nicht eins-zu-eins umgesetzt, sondern sie muss der aktuellen Lage der eigenen und der feindlichen Truppen angepasst werden. Dazu erlässt der militärische Befehlshaber einen entsprechend modifizierten Operationsbefehl ("Operations Order" - OPORD). Dabei richtet er seine Aufmerksamkeit insbesondere auf die kampfentscheidenden Faktoren: "Center of Gravity" (CoG), "Decisive Points" (DP) und "Critical Capabilities and Vulnerabilities" (CC/CV). Auch im weiteren Kampfverlauf muss die Kriegsplanung ständig an die Lageentwicklung angepasst werden. Diese Nachsteuerung führt zu einer Gleichzeitigkeit von Planung und Führung unter den Bedingungen von Bedrohung, Zeitdruck und unvollständiger Information. Der DMP-Planungsprozess wiederum wird durch einen beständigen Prozess zur Informationsgewinnung begleitet, der als "Intelligence Preparation of the Battlespace" (IPB) bezeichnet wird.

Der Kriegsplan unterliegt der Geheimhaltungsstufe NATO SECRET, daher wurden über seine operativen Details nur wenige Einzelheiten bekannt: Bei den Landstreitkräften sind neun Divisionen für Kampfoperationen vorgesehen. Drei Verbände werden von Polen gestellt (s.o.), die übrigen sechs Divisionen kommen aus den USA, Großbritannien und Deutschland.

Es fällt auf, dass zur Verteidigung der osteuropäischen Staaten gegen einen russischen Angriff nur Verstärkungen aus Westeuropa, nicht aber aus anderen osteuropäischen Staaten herangeführt werden. Tschechien und die Slowakei sind somit von ihren Bündnispflichten gegenüber Polen befreit, obwohl sie näher in Frontnähe liegen. Die Verstärkungen aus der Bundesrepublik müssten erst über die Straße, per Eisenbahn oder auf dem Seeweg herangeführt werden.

Um welche Divisionen es sich konkret handelt, wurde nicht berichtet; es kann daher nur darüber spekuliert werden, welche Verbände gemeint sind. Die amerikanische Seventh Army der US Army Europe (USAREUR) verfügt heutzutage über keine Divisionen mehr, sondern nur noch über mehrere selbstständige Kampfverbände, u. a. das 2nd Cavalry Regiment (Vilseck), die 12th Army Aviation Brigade (Ansbach-Katterbach) und die 173rd Airborne Brigade (Vicenza, Italien). Zu den British Forces Germany (BFG) zählt die 1st Armoured Division in Herford, die allerdings im kommenden Jahr nach Großbritannien abziehen wird. Die Bundeswehr verfügt u. a. über die 1. Panzerdivision in Hannover (mit der Panzergrenadierbrigade in Torgelow und der 21. Panzerbrigade in Augustdorf), die Division Schnelle Kräfte in Stadtallendorf (mit der Luftlandebrigade 31 in Oldenburg, der Luftlandebrigade 26 in Saarlouis und dem Kommando Spezialkräfte in Calw), die Division Süd in Veitshöchheim (mit der Panzerbrigade 37 in Frankenberg) und die 10. Panzerdivision in Sigmaringen (u. a. mit der 12. Panzerbrigade).

Zum Einsatz der NATO-Luftwaffen wurden keine Informationen veröffentlicht. Es ist davon auszugehen, dass die NATO - wie schon bei früheren Plänen aus den achtziger Jahren - umfassende Jagdbomberangriffe auf die erste, zweite und dritte Staffel der russischen Angriffskeile bis tief im Hinterland des Gegners plant. Außer der polnischen Marine sollen auch die Seestreitkräfte der USA, Großbritanniens und Deutschlands eingesetzt werden. Auch an einen Einsatz der Marineinfanterie ist gedacht. Dazu könnten auch die Kampfschwimmer der Spezialisierten Einsatzkräfte der Marine (SEK M) in Eckernförde zählen.

Die deutschen und polnischen Hafenstädte würden zur Drehscheibe für die maritimen Operationen. Dazu dürften nicht nur die deutschen Kriegshäfen an der Ostsee (Flensburg, Glücksburg, Olpenitz und Kiel), sondern auch die Kapazitäten der zivilen Handelshäfen genutzt werden, die in den letzten Jahren modernisiert wurden.

Der Kriegsplan GUARDIAN EAGLE zur Verteidigung Osteuropas wird wohl ergänzt durch Kriegspläne gegen Russland, die die NATO in ihren geheimen Schubladen bevorraten dürfte. Allerdings wird die Existenz solcher Pläne offiziell bestritten und auch die russische Seite hält sich hierzu bedeckt. Lediglich der ehemalige russische NATO-Botschafter und jetzige Stellvertretende Ministerpräsident Dmitri Rogosin erklärte dazu im November 2011, dass "die Allianz weiterhin eine militärische Planung gegen Russland, darunter auch die atomare Planung, fortsetzt". Hinzu kommen die nuklear-strategischen Kriegsplanungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs.

Selbst wenn der Frieden - erwartungsgemäß - bewahrt werden kann, muss man die Modifikationen der NATO-Strategie bezüglich der Verteidigung Osteuropas und die weitere "Osterweiterung" in den kommenden Jahren im Auge behalten.

Risiko: Atomwaffen

Ein unkalkulierbares Problem stellen heutzutage die Massenvernichtungswaffen dar. So sind die russischen Streitkräfte an der Grenze zur NATO mit taktischen Atomwaffen ausgerüstet. Spätestens seit Dezember 2013 ist an der Grenze zum Baltikum eine Artilleriebrigade mit mobilen Boden-Boden-Raketen vom Typ 9K720 Iskander (NATO-Bezeichnung SS-26 Stone) stationiert. Die Reichweite der Iskander beträgt maximal 415 km bei einer Treffgenauigkeit von 10 Metern. Die Nutzlast liegt bei 800 kg.

Neben konventionellen Gefechtsköpfen aus hochexplosivem Sprengstoff stehen auch drei verschiedene Atomsprengkopftypen zur Auswahl. Der AA-60 hat eine variable Sprengkraft von 10 bis 50 KT, der AA-86 5-50 KT und der AA-92 100-200 KT. Eine atomare Raketenbrigade hat - nach unterschiedlichen Angaben - 12 bis 27 Werferfahrzeuge vom Typ 9P71, die jeweils zwei Raketen transportieren. Dazu erklärte der Pressesprecher des Moskauer Verteidigungsministeriums Generalmajor Igor Konaschenkow am 16. Dezember 2013: "Raketen- und Artillerie-Einheiten des westlichen Militärbezirks sind mit taktischen Iskander-Raketensysteme bestückt." Überinterpretationen, die russischen Streitkräfte hätten auch in der Enklave Kaliningrad diese Atomraketen stationiert, wurden am 19. Dezember 2013 durch Präsident Putin persönlich dementiert.

Vermutlich ist die zeitliche Koinzidenz der Stationierung der atomaren Iskander-Raketen mit dem damaligen Beginn der Ukraine-Krise nur Zufall und keine flankierende Maßnahme zur (geplanten) Annexion der Krim. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums erklärte damals: "Wir haben Moskau aufgefordert, keine Schritte zu unternehmen, um die Region zu destabilisieren." Bereits während des Georgien-Krieges hatten die russischen Streitkräfte drei konventionelle Iskander-Raketen eingesetzt.

Zwar ist es in der Praxis nicht wahrscheinlich, aber theoretisch auch nicht völlig ausgeschlossen, dass es - wie zu Zeiten des Kalten Krieges - bis zu einer nuklearen Entfaltung des Konfliktes kommt. So warnte der russische Militärexperte Pavel Felgenhauer: "A clash with the forces of other states is improbable. But the probability of a global nuclear war is not equal to zero. Everything is possible. These decisions … will be taken by the military in the near future."

Schon im Mai 2012 drohte der damalige Generalstabschef Armeegeneral Nikolai Makarow angesichts der drohenden Stationierung eines amerikanischen Raketenabwehrsystems in Osteuropa mit einem atomaren Präventivschlag:

Eine Stationierung neuer Angriffswaffen im Süden und im Nordwesten Russlands für die Bekämpfung von Teilen des Raketenabwehrsystems, einschließlich einer Stationierung von Iskander-Raketen im Gebiet Kaliningrad an der Ostsee, stellt eine der möglichen Varianten der Zerstörung der Raketenschild-Infrastruktur in Europa dar. (…) Angesichts des destabilisierenden Charakters des Raketenabwehrsystems, der konkret in der Schaffung der Illusion besteht, ein unbestrafter entwaffnender Schlag sei möglich, wird der Beschluss zu einer Anwendung der bestehenden Waffen in der Periode einer Zuspitzung der Lage gefasst.

Längerfristig plant die russische Regierung die Stationierung von Atomwaffen auf "ihrer" Krim. Es handelt sich um die Dislozierung der Mittelstreckenbomber Tu-22M3 (Nato-Code: Backfire-C) ab dem Jahr 2016. Bis dahin sollen die Fliegerhorste Gwardejskoje und Katscha entsprechend modernisiert werden. Die Tu-22M3 ist mit sechs Luft-Boden-Raketen vom Typ Ch-15 (NATO-Bezeichnung: AS-15 Kickback) ausgerüstet. Eine der vier Ch-15-Varianten im Dienst der russischen Streitkräfte dient der Schiffsbekämpfung, eine andere Version trägt einen Nukleargefechtskopf mit einer Sprengkraft von 350 KT.

Auch mehrere russische Analytiker haben sich für die Stationierung von taktischen Atomwaffen auf der Halbinsel Krim ausgesprochen, so der bekannte Hardliner Generaloberst a. D. Leonid Iwaschow und Wladimir Jewssejew, Direktor des Zentrums für gesellschaftspolitische Forschungen. Iwaschow erklärte: "Das wäre natürlich die äußerste Maßnahme, aber unsere westlichen Gegner sollten das nicht vergessen. Denn die Krim ist jetzt russisches Territorium, und auf unserem Territorium können wir jegliche Waffen aufstellen, solange das nicht gegen unsere internationalen Verträge verstößt."

Vorwärtsdislokation

Die russische Annexion der Krim führte zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen der NATO und Russland und innerhalb der NATO selbst: Während die klassischen NATO-Mitglieder in Westeuropa, die die sowjetische Bedrohung immer beschworen haben, aber nie Opfer einer sowjetisch-russischen Aggression wurden, relativ gelassen reagieren, sind die neuen osteuropäischen NATO-Mitglieder, die einst "Bruderländer" der Sowjetunion in der Warschauer Vertragsorganisation (WVO) waren, aber dennoch zum Ziel blutiger sowjetischer Militäraktionen wurden (DDR, Polen, CSSR, Ungarn), höchst alarmiert. Sie sehen in der Annexion einen ersten russischen Verstoß gegen die in Jalta 1945 vereinbarte europäische Nachkriegsordnung und deren Unantastbarkeit der Grenzen.

"Viele Alliierte bewerten das russische Vorgehen als historische Zäsur und Zeitenwende für die euro-atlantische Sicherheitsarchitektur. (…) Im NATO-Rat treffen die unterschiedlichen Sichtweisen (..) zum Teil sehr kontrovers aufeinander. (…) Das Nachdenken über die strategischen Auswirkungen für die Allianz hat gerade erst begonnen", kabelte der deutsche NATO-Botschafter Martin Erdmann nach Berlin.

Bereits mit der Annahme der polnischen Ursprungsversion von GUARDIAN EAGLE im Jahr 2009 verstärkten die USA ihre Militärpräsenz in Polen: Naval Special Forces wurden in den polnischen Hafenstädten Gdansk und Gdynia disloziert, Jagdflugzeuge F-16 Fighting Falcon und Transportmaschinen C-130 Hercules verlegten auf polnische Fliegerhorste und in Morag wurden Flugabwehrraketen Patriot auf Rotationsbasis zu Trainingszwecken stationiert. Seit dem NATO-Beitritt der baltischen Staaten 2004 stellt die NATO zudem die Jagdfliegerkräfte der regionalen Luftverteidigung im Rahmen der Operation "Air Policing Baltikum".

Nach der russischen Annexion der Krim drängen die osteuropäischen NATO-Staaten darauf, dass die Allianz ihre Truppenpräsenz in Osteuropa als Teil ihrer "Crisis Response Operation" (CRO) massiv erhöht. Der russische Botschafter bei der NATO, Alexander Gruschko, berichtete dazu: "Wir wissen, dass die Militärs der Allianz in der Tat den Auftrag bekommen haben, zum Nato-Gipfel im September in Wales Verstärkungspläne an den Ostgrenzen vorzulegen. (…) Es handelt sich um eine Verstärkung des Militärpotentials in einer Region, die an unser Gebiet Kaliningrad angrenzt."

Gerade die polnische Regierung will nun den Teufel mit dem Beelzebub austreiben und sich die Russen vom Hals halten, indem sie die US-Regierung bittet, möglichst viele alliierte Kampfverbände auf polnischen Territorium zu stationieren. Die Rede ist von mindestens zwei Panzergrenadierbrigaden. Möglicherweise müssten diese beiden Brigaden dann aus der Bundesrepublik abgezogen werden.

Auch die Bundeswehr verlegt Truppenteile in den Osten: Das Bundesheer will sich im Juli 2014 an dem Manöver RAPID TRIDENT im Raum Lwiw (Ukraine) beteiligen. Bereits am 10. März 2014 beschloss der Nordatlantikrat der NATO einen Aufklärungseinsatz mit AWACS-Flugzeugen. Da die Ukraine kein NATO-Mitglied ist, werden die Maschinen offiziell über Polen und Rumänien eingesetzt. An Bord befinden sich auch Soldaten der Bundesluftwaffe. Außerdem plant die Bundesluftwaffe eine Beteilung am Air Policing der NATO im Baltikum erstmals durch die Verlegung von sechs Eurofightern. Sie sollen entweder in Ämari (Estland) oder in Šiauliai (Litauen) stationiert werden. Die Bundesmarine will einen Minensucher und eventuell ein Führungsschiff ins Baltikum verlegen.

Während sich die Bundeswehr auf ihren Auslandseinsatz Ost vorbereitet, stellt sich die Frage, was macht eigentlich die deutsche Friedensbewegung. Die Anhänger der Linkspartei unter Führung von Gregor Gysi äußerte ihre Sympathien für das russische Vorgehen auf der Krim. Zunächst verurteilte man - im Prinzip - den Verstoß gegen das Völkerrecht. Schließlich wollte "Die Linke" keinen Präzedenzfall dafür schaffen, dass irgendwelche deutschen Neonazis nun eine Annexion der russischen Enklave Kaliningrad, dem alten Ostpreußen, an das wiedervereinigte Deutschland forderten. Allerdings hieß es in "linken" Argumentationshilfen, man solle die Hauptschuld der NATO und ihrer aggressiven Politik der letzten fünfzehn Jahre zuschreiben, wonach die "westlichen" Völkerrechtsverstöße im Kosovo, im Irak und in Libyen etc. den akuten Völkerrechtsbruch Russlands mindestens aufwiegen würden. Der russische Täter soll so zum Opfer umstilisiert werden.

Hatte man in den letzten Jahren gegen die amerikanische "Koalition der Willigen" noch eine Stärkung der UNO und der OSZE wiederholt gefordert, so nahm man nun die Bedrohung von deren Inspektionsteams durch russische Paramilitärs auf der Halbinsel Krim gelassen hin. Nachdem so allerlei friedenspolitisches Porzellan zerschlagen worden war, mokierte sich Katrin Göring-Eckhardt von den einst antimilitaristischen Grünen zurecht darüber, auch die "Linke" würde nun Auslandseinsätze favorisieren.

Der kirchlich-pazifistische und bürgerlich-demokratische Flügel der Friedensbewegung war durch die Ereignisse auf der Krim und die Geschwindigkeit, mit der der "Kalte Frieden" seit 1989/90 nun einer neuen, aber dennoch antiquierten West-Ost-Konfrontation wich, konsterniert. Nur allmählich kommt man dazu, politische Position zu beziehen. Dazu bietet der kommende Ostermarsch eine neue Möglichkeit.

Gerhard Piper ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.