Ukraine: Militante Nationalisten proben den Aufstand

Seite 2: Die zweite Front in der Ukraine

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Mit den gewalttätigen Protesten der militanten Rechtsnationalisten vor der Rada, dem Parlament der Ukraine, dürfte nun endgültig klar geworden sein, dass die Maidanbewegung keine wesentlich pro-europäische Bewegung war, wie sie immer dargestellt wurde. Gerade die Militanten der "Selbstverteidigungskräfte", die sich schon blutige Schlachten mit den Polizisten der Janukowitch-Regierung lieferten und sich bereits in dieser Zeit bewaffnet haben, schlossen sich schließlich den so genannten Freiwilligen-Bataillonen an. Viele sind in die Nationalgarde, die extra dafür geschaffen wurde, eingetreten, viele Milizen haben sich auch pro forma den Streitkräften bzw. dem Innenministerium unterstellt. Der Rechte Sektor hatte sich allerdings schon immer geweigert, die Waffen zu strecken, und darauf beharrt, zwar an der Seite der Streitkräfte, aber nicht unter deren Kommando zu kämpfen.

Der rechte Mob vor dem Parlament. Erinnerungen an den Maidan werden wach. Bild: Unian.info

Bislang hat die ukrainische Regierung es nicht gewagt, entschlossen gegen die Milizen des Rechten Sektors und deren Anführer, den von den Rechten verehrten Dmitri Jarosch entschlossen vorzugehen, die eine "nationalsoziale Revolution" anstreben. Das kommt einem bekannt vor. Die Ukraine ist ein Land, das zwar eine Zentralregierung besitzt, die aber den Donbass nicht kontrolliert und die Krim verloren hat und die auch innerhalb des von ihr kontrollierten Gebiets nicht das Gewaltmonopol innehat. Die tausenden bewaffneten Kämpfer des Rechten Sektors, die nur auf den Befehl von Jarosch hören, sind eine reale Bedrohung, dazu kommen weitere Angehörige von Milizen, die eine ähnliche Gesinnung haben und sich einem Aufstand schnell anschließen könnten. Zudem wurden und werden Milizen, die nicht nur gegen die Separatisten an der Ostgrenze kämpfen, auch von Oligarchen finanziert.

Jetzt will Präsident Poroschenko ausgerechnet die militanten Nationalisten als "anti-ukrainisch" darstellen. Nicht nur die Täter, auch die Organisatoren des "anti-ukrainischen Protestes" vor der Rada müssen zur Verantwortung gezogen werden, sagte er in einer Fernsehansprache. Niemand werde unbestraft bleiben, drohte er. Das richtet sich nicht nur gegen den Rechten Sektor, sondern auch gegen Swoboda und die Radikale Partei, die auch zu dem Protest aufgerufen hatten.

Man darf zweifeln, dass dies dieses Mal der Fall sein wird, nachdem bislang auch nicht mit Entschiedenheit gegen die Rechtsnationalisten vorgegangen wurde, die sich als Vertreter der Maidan-Bewegung oder der Janukowitch-Opposition ausgeben und offenbar deswegen geschont werden - aber auch, weil man die Militanten weiterhin an der Front braucht. Poroschenko stellte die Proteste vor der Rada so dar, dass sie ein hinterhältiger Stich in den Rücken seien. Und er machte erneut deutlich, dass die "Volksrepubliken" keinen Sonderstatus erhalten, was endlich auch die westlichen Regierungen hören sollten, denn damit wird das Minsker Abkommen unterlaufen. Eine Selbstverwaltung wird es nach Kiew nur geben, wenn die lokalen Wahlen nach ukrainischem Recht abgehalten wurden.

Regierungschef Jazenjuk erklärte, die Protestierenden seien ein "Mob", schlimmer als die "russischen Gangster und Terroristen im Osten". Während die Rechtsnationalisten der Regierung vorwerfen, sie seien Handlanger Moskaus, wirft Jazenjuk dies den "so genannten pro-ukrainischen politischen Kräften" vor, die "eine andere Front im Land eröffnen" wollen. Kaum vorstellbar, dass so die Konflikte beendet werden können, mit einer solchen Sprache hat man, damals noch mit Swoboda und der Vaterlandspartei, auch, gedeckt durch den Westen, den militärischen "Antiterrorkampf" gegen die Separatisten begonnen, wovor Janukowitsch gegenüber der Maidanbewegung noch zurückgeschreckt ist.