Ukraine: "National-sozialistische Selbstorganisation" für alle Fälle

Seite 3: "Wenn die Macht ihre Legitimität verliert"

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Was ist nun die strategische Aufgabe der Nationalni Druschini? Dazu äußert sich am 2. Februar in einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehkanal ZIK, Sergej Korotkich. Der ehemalige Asow-Kommandeur ist nach eigenen Angaben kein Mitglied der ND, gilt aber als "grauer Kardinal" der neuen Organisation.

Viele ukrainische Männer seien von der Front in der Ost-Ukraine zurückgekehrt und hätten gesehen, dass es im Land jetzt "schlechter aussieht, als vor 2014", so Korotkich. Die Front-Rückkehrer würden sich jetzt in der ND organisieren. "Sie wollen selbst die Macht werden, um endlich Ordnung im Land zu schaffen." Weiter erklärte der Asow-E-Kommandeur: "Wenn die Macht die Legitimität verliert, verliert sie ihre Vollmachten." Für diesen Fall - so soll der Fernsehzuschauer offenbar schlussfolgern - stehe die Nationalni Druschini bereit, die Ordnung im Land aufrecht zu erhalten.

Das Faustfand, was die ND angeblich zusammenhält, sei nicht Geld von Sponsoren, so Korotkich. Die ND sei "einfach eine Vereinigung von Leuten, die eine Weltanschauung haben, die eine Überzeugung haben, die ziemlich diszipliniert und selbstorganisiert sind, um etwas Gutes zu machen".

Wenn Korotkich von Weltanschauung spricht, meint er nichts geringeres als ein "Zivilisationsprojekt, dass weiter gefasst ist als die Ukraine". Die Epoche des Liberalismus habe zur "Degradierung der europäischen Gesellschaft geführt". Korotkich geht es um ein "national-sozialistisches Projekt für die Ukraine und andere Länder".

Ein Rechtsradikaler aus Russland als Ideologe

Vielen National-Liberalen in der Ukraine ist Sergej Korotkich nicht geheuer. Der aus Russland stammende Rechtsextremist hat sich zwar als Mitglied des Asow-Bataillons mit Kampferfolgen in der Ostukraine beim ukrainischen Establishment Ansehen erworben. Am 5. Dezember 2014 wurde ihm vom ukrainischen Präsidenten persönlich ein ukrainischer Pass überreicht (Foto). Doch man stößt in der Biographie von Korotkich auf einige Fakten, die bei ukrainischen Rechts-Intellektuellen ein ungutes Gefühl hinterlassen.

Der Weißrusse Sergej Korotkich (Tarnname "Maljuta") erhält von Poroschenko einen ukrainischen Pass. Bild: Fonsk.ru

Korotkich wurde im russischen Samara geboren, siedelte dann aber mit seinen Eltern nach Weißrussland über. Nach dem Militärdienst war er zwei Jahre an einer KGB-Schule, wurde dort aber gefeuert, weil er Kontakte zu Rechtsextremisten hatte.

Korotkich war Mitglied der rechtsradikalen Organisation Russische Nationale Einheit (RNE). In den 2000er Jahren war er in Russland Mitglied der Nationalsozialistischen Gemeinschaft (NSO). In Russland lief ein Ermittlungsverfahren gegen den Rechtsradikalen, wegen einem Anschlag auf dem Moskauer Manege-Platz.

2014 schloss sich Korotkich dem ukrainischen Freiwilligen-Bataillon Asow an, wo er die Abteilung "Aufklärung" leitete. Dann wechselte Korotkich in den ukrainischen Staatsdienst. Er wurde Mitglied der Nationalen Polizei und Leiter einer Abteilung zum Schutz strategischer Objekte im Gebiet Odessa. Seinen Posten bei der Nationalen Polizei habe er verlassen, erzählt er im Interview. Er sei enttäuscht gewesen, da die "Sicherheitskräfte im Land degradieren".

Korotkich behauptet, die Nationalni Druschini bekomme kein Geld vom Staat. Die ukrainischen Oligarchen, die selbst Privatarmeen haben, seien aber jetzt "besorgt", weil sie mit der Nationalni Druschini Konkurrenz bekommen hätten. Doch die ND als wirksame Waffe gegen die Herrschaft der ukrainischen Oligarchen darzustellen, scheint mehr eine geschickte PR-Strategie zu sein, mit der die ND sich als sozial und ausschließlich an den Interessen der Ukrainer orientierte Kraft darzustellen versucht.