Ukraine-Schock-Strategie: 100 Milliarden mehr fürs deutsche Militär (Update)

Seite 2: Angst vor Diffamierung lähmt die Debatte

Die Personalisierung durch Formulierungen wie "Putins Krieg" steht jeder Analyse der Entwicklungen entgegen und kann die notwendige Analyse durch Ängste einschränken, delegitimiert zu werden, weil man rasch zu Verharmlosern des Aggressors abgestempelt zu werden droht. Besonders deutlich war das bei der Rede von Friedrich Merz in der Debatte am Sonntag im Reichstag der Fall.

Andere Elemente der Vorgeschichte wie die gewaltsame Landnahme der Türkei auf Zypern, der völkerrechtswidrige Balkankrieg der Nato, die weiteren Völkerrechtsverletzungen durch Interventionskriege mit Nato-Streitkräften seit dem Ende des Kalten Krieges werden dann ausgeblendet und das Schwarzweißdenken ersetzt jeden genauen Blick auf die Zusammenhänge. Auf dieser Basis ist dann das vereinfachte Gut-Böse-Schema möglich, dem Westen, der Nato gehe es "um die Freiheit in der Welt".2

Die von Olaf Scholz im Bundestag vor einer Woche ausgerufene "Zeitenwende" verbindet er mit einer "nationalen Kraftanstrengung" ohne Vergleich in der Nachkriegsgeschichte. Es geht dabei um die 100 Milliarden Sondervermögen, die für die Bundeswehr bereitgestellt werden sollen, sowie um die jährliche Steigerung des Militäretats auf über 70 bis 80 Milliarden Euro gegenüber aktuell circa 50 Milliarden Euro.

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat direkt laut Konzernchef Papperger für das "Ministerium aktuell Listen aufgestellt, was kurzfristig verfügbar wäre. Wir als Rheinmetall könnten in kurzer Zeit Ausrüstung im Wert von 42 Milliarden Euro liefern …".

Der militärisch-industrielle Komplex sowie dessen Lobby in Politik und Gesellschaft nutzen den Krieg Russlands gegen die Ukraine, um weit größere Ziele zu erreichen, als die Unterstützung der Ukraine. Es geht um mehr als einen Militärstaat, mehr als die nukleare Teilhabe und die elektronische Kriegsführung im modernen Krieg des 21. Jahrhunderts. Olaf Scholz wird die Warnungen des damals scheidenden US-Präsident Eisenhower von 1961 kennen:

Wir … müssen uns vor unbefugtem Einfluss – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – durch den Militär-Industrie-Komplex schützen.

Die Unterminierung von Demokratie und Freiheit geschieht auch dadurch, dass die Militarisierung des Diskurses dem Denken in Gewaltkategorien Auftrieb gibt. Gleichzeitig entziehen die hier für Rüstung vorgesehenen Unsummen der Gesellschaft enorme Mittel, die dringend für die Zukunftsfähigkeit gebraucht werden. Die also angesichts der ökologischen Katastrophe für die Stabilisierung der Lebensgrundlagen der Menschen, für die Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und für die Sozialpolitik fehlen werden. Verzögerungen einer konsequenten Klimaschutzpolitik nennt der Uno-Generalsekretär "Brandstiftung an unserem einzigen Zuhause".

Das Programm der Stärkung des militärisch-industriellen Komplexes umfasst "die nächste Generation von Kampfflugzeugen und Panzern […], den Eurofighter […] die Verträge zur Eurodrohne […] die Anschaffung der bewaffneten Heron-Drohne aus Israel treiben wir voran. Und für die Nukleare Teilhabe werden wir […] Ersatz für […] Tornado-Jets beschaffen. Der Eurofighter soll zum electronic warfare befähigt werden."3