Selenskyjs riskantes Spiel: Zieht er den Westen tiefer in den Konflikt?
Kiew plant Angriffe tief in Russland. Der Westen zögert, befürchtet Eskalation. Zieht Selenskyj uns in einen größeren Krieg?
In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde immer wieder vor einer weiteren Eskalation des Krieges in der Ukraine gewarnt. Der Kreml zog rote Linien und drohte mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die Ukraine – und ihre westlichen Verbündeten – ließen sich davon nicht beeindrucken und hielten sich nicht daran. Und nichts passierte – bis jetzt.
Selenskyj setzt weiter auf militärischen Sieg
In Kiew scheint man davon überzeugt zu sein, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Deshalb werden die militärischen Pläne der Ukraine immer kühner. Der Einmarsch in das russische Gebiet Kursk ist ein Beispiel dafür – aber auch dafür, dass die ukrainische Regierung immer noch auf einen militärischen Sieg über Russland hofft.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte am Dienstag, die Operation in der Region Kursk sei Teil eines Plans, Russland zum Frieden zu zwingen. Man wolle den Krieg zwar durch Dialog beenden, aber die Ukraine solle eine starke Position haben, was letztlich nur fair sei.
Im Endeffekt orientiert sich Selenskyj immer noch an seinem Maximalziel: den Grenzen von 1991. Schließlich könne es keinen Dialog mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geben, sagte er laut Reuters. Ein Dialog mit ihm sei "leer und sinnlos".
Ukraine will tiefer in russisches Gebiet vordringen
Zum Plan, den Frieden zu erzwingen, gehört offenbar auch, immer tiefer im russischen Hinterland anzugreifen. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow und Andrij Jermak, ein hochrangiger Berater Selenskyjs, wollen noch in dieser Woche entsprechende Ziele mit Washington abstimmen, berichtet Politico.
Beide möchten hochrangigen US-Sicherheitsbeamten eine Liste hochwertiger militärischer Ziele vorlegen, die mit westlichen Waffen angegriffen werden sollen. Die Liste sei der vorerst letzte Versuch, die westlichen Staaten zur Aufhebung der Beschränkungen zu bewegen.
US-Vertreter hatten zuvor monatelang betont, dass die Russen Flugzeuge und andere wichtige Ziele von der Grenze weg und außer Reichweite verlegt hätten. Deshalb würde eine Aufhebung der Beschränkungen keinen strategischen Unterschied im Krieg machen. Die Ukrainer sind jedoch nach wie vor davon überzeugt, dass sie mehrere potenzielle Ziele ausfindig gemacht haben.
Großbritannien signalisiert Unterstützung für Ukraine-Offensive
Großbritannien hat offenbar bereits grünes Licht für Angriffe mit Storm-Shadow-Raketen in Russland gegeben. Das berichtet The Telegraph. Die Regierung in London wird sich aber wohl nicht öffentlich dafür aussprechen, um keinen Streit mit den USA zu provozieren.
Ein Streit dürfte auch deshalb vorprogrammiert sein, weil die Biden-Administration eine weitere Eskalation befürchtet, auch wenn die USA nicht zustimmen sollten. Sollten dennoch westliche Raketen auf das russische Hinterland abgefeuert werden, könnten US-Truppen in diesen Krieg hineingezogen werden, was man aber vermeiden wolle.
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Dass diese Gefahr besteht, wird schon seit Langem im Weißen Haus gesehen – und auch, dass die Ukraine versuchen könnte, die USA bewusst in den Konflikt hineinzuziehen. US-Präsident Joe Biden soll laut Financial Times gegenüber Berater gesagt haben, Selenskyj könne absichtlich versuchen, Amerika in einen dritten Weltkrieg zu ziehen.
Lawrow: Atomkrieg würde auch USA betreffen
In Washington nimmt man die nukleare Bedrohung aus Moskau allerdings ernst und geht mit den ukrainischen Wünschen noch vorsichtig um. Im Weißen Haus hat man nicht nur registriert, dass der Kreml mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, sondern auch, dass er seine Truppen immer wieder deren Einsatz üben lässt.
Und im Weißen Haus dürfte man sich bewusst sein, dass ein Atomkrieg nicht nur Europa, sondern auch die USA selbst verwüsten würde. Daran hat der russische Außenminister Sergei Lawrow am Dienstag noch einmal explizit erinnert.
Der Westen strebe eine Eskalation des Ukraine-Krieges an und provoziere "Ärger", wenn man erlaube, Raketen tief ins russische Hinterland abzufeuern. Vor Journalisten in Moskau sagte er weiter:
Wir bestätigen jetzt wieder einmal, dass das Spiel mit dem Feuer - und sie sind wie kleine Kinder, die mit Streichhölzern spielen - eine sehr gefährliche Sache für erwachsene Onkel und Tanten ist, die in dem einen oder anderen westlichen Land mit Atomwaffen betraut sind.
Die Amerikaner würden in Gesprächen über einen Dritten Weltkrieg davon ausgehen, so Lawrow, dass dieser ausschließlich Europa betreffen werde. Dem sei aber nicht so.