Ukraine kappt Russlands Gas-Pipeline nach 50 Jahren
Ukraine beendet den Transit von russischem Gas. Kiew will die Geschäfte mit Moskau nicht länger fortführen. Die Folgen für Europas Verbraucher könnten gravierend sein.
Eine Ära endet: Nach fast 50 Jahren fließt kein russisches Gas mehr durch die Ukraine. Zum 1. Januar wurde der Transit komplett eingestellt. Der Grund: Kiew will nicht länger Geschäfte mit Moskau machen, die den russischen Angriffskrieg finanzieren.
Gaspreise steigen: Erste Auswirkungen am Markt spürbar
Zuletzt hatte das drohende Transit-Aus schon für Nervosität am europäischen Gasmarkt geführt. Nach dem Transit-Stopp stiegen die Referenzpreise laut Bloomberg um bis zu 4,3 Prozent auf 51 Euro je Megawattstunde (MWh). Auch wenn die Preise im Winter ohnehin höher liegen als in den übrigen Monaten, so erreichte das Preisniveau dennoch den höchsten Stand seit Oktober 2023.
Ob deutsche Verbraucher in diesem Winter noch Nachteile von dieser Entwicklung spüren werden, ist noch offen. In der Heizperiode Ende 2025 könnten die Preise allerdings steigen. Grund dafür ist, dass sich die Gasspeicher derzeit rasch leeren, was sich noch beschleunigen könnte, wenn sich die Prognosen für einen kalten Januar bewahrheiten. Auch wenn Experten jetzt keine Mangellage erwarten, so könnte es schwieriger werden, die Speicher für die nächste Heizperiode aufzufüllen.
„Es besteht ein zunehmendes Risiko, dass die EU den Winter mit niedrigen Gasspeicherständen übersteht, was das Auffüllen teuer macht“, sagte Arne Lohmann Rasmussen, Chefanalyst bei Global Risk Management in Kopenhagen, gegenüber Bloomberg.
Es ist damit zu rechnen, dass die europäischen Länder künftig mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) beziehen werden. Ab 2027 will man zwar komplett auf russische Energieträger verzichten, aber bislang bleibt Russland der wichtigste LNG-Lieferant nach den USA.
Osteuropa trägt die Hauptlast der Versorgungsänderung
Es sind momentan die Länder Ost- und Mitteleuropas, welche die Konsequenzen des Transit-Stopps zu tragen haben. Alternativen zum Pipeline-Gas sind erheblich teurer, muss das LNG doch in Deutschland, Polen oder Griechenland angelandet, regasifiziert und dann in die Slowakei transportiert werden. Die Mehrkosten belaufen sich Schätzungen zufolge auf 177 Millionen Euro.
„Die Gasmärkte in Europa sind keineswegs knapp“, sagte der Energieanalyst Walter Boltz laut Bloomberg. Aber der Transport des Brennstoffs von West nach Ost sei „etwas eingeschränkt, sodass dies zu einem Aufschlag für die Region führen wird“.
Zudem wird Europa im Sommer mit anderen Weltregionen um das knappe LNG konkurrieren müssen. In Asien steigt dann etwa der Bedarf, weil mit der Sommerhitze mehr Klimaanlagen zum Einsatz kommen. Zusätzliche Kapazitäten, mit denen der globale LNG-Markt entlastet werden könnte, werden voraussichtlich erst in einigen Jahren in Betrieb gehen.
Selenskyj weist Bedenken europäischer Politiker zurück
Auf diese Bedenken nimmt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traditionell wenig Rücksicht. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) erklärte er, die „Hysterie einiger europäischer Politiker“, die noch im „Mafia-Stil“ mit Russland Geschäfte machen wollen, müsste überwunden werden. Damit meinte er offenbar den slowakischen Regierungschef Robert Fico.
Selenskyj hofft, dass Europa – und damit auch die Ukraine – künftig mit Erdgas aus den USA versorgt werden. Allerdings gehen Experten davon aus, dass die neue Trump-Regierung kurzfristig nicht mehr LNG nach Europa liefern kann, ohne den Export in andere Weltregionen zu reduzieren. Letztlich werden die Preise an den Sportmärkten entscheiden, wer mit knappen LNG aus den USA versorgt wird.
Während man in Westeuropa noch relativ gelassen ist, hat die Republik Moldau bereits mit einem Energiemangel zu kämpfen. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte wegen angeblicher Schulden die Gaslieferungen eingestellt, was in einem Stromnotstand endete. So empfahl etwa das Bildungsministerium in Moldau, dass alle Bildungseinrichtungen Fassadenbeleuchtungen abstellen sollen. Auch die Temperatur in den Klassenräumen sollte um ein bis zwei Grad abgesenkt werden.
Solche Zustände werden für Deutschland und Westeuropa zwar nicht erwartet – ein Anstieg der Energiepreise dagegen schon. Die Rechnungen für Haushalte und Industrie könnten in die Höhe getrieben werden, heißt es bei Bloomberg. Und das, obwohl sich die europäischen Länder „gerade erst von der schlimmsten Krise der Lebenshaltungskosten seit Jahrzehnten erholen“.