Ukraine zwischen Entspannung und Eskalation

Seite 3: Russische Eroberung der Krim

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Auf der Halbinsel sind z. Zt. 20.000 russische Soldaten im Einsatz, hinzu kommen die übergelaufenen ex-ukrainischen Soldaten. Nach Pressemeldungen werden u. a. Teileinheiten folgender Verbände eingesetzt: 3. Speznaz-Brigade (Tolyatti), 22. Speznaz-Brigade, 45. Speznaz-Regiment (Kubinka), 346. Speznaz-Brigade, 7. Luftlande-Gebirgsdivision (Noworossijsk), 31. Garde-Luftlande-Brigade (Uljanowsk), 76. Garde-Luftsturm-Division (Pskow), 98. Luftlande-Brigade und die 18. MotSchützen-Brigade aus Tschetschenien.

Die russischen Besatzungstruppen belagerten die ukrainischen Militäreinheiten, um sie nach und nach durch Einsatz von Blendgranaten, Rauchgranaten, Schusswaffen, Transportpanzern und Kampfhubschraubern etc. zu erobern. Ein großer Teil der ukrainischen Truppen auf der Krim lief zu den Russen über. Nunmehr unterhalten die russischen Streitkräfte auf der Halbinsel mindestens 147 Militäreinrichtungen (Bakhchisaray, Nowofedoriwka, Nowooserne, etc.). So konnten die russischen Streitkräfte zahlreiche Kriegsschiffe, Flugabwehrraketen und sonstige Waffensysteme erbeuten.

Künftig will die Regierung in Moskau die Schwarzmeerflotte (Tschernomorski flot) unter dem Kommando von Admiral Alexander Witko weiter ausbauen. Außerdem soll ein Ständiger Bereitschaftsverband seine Patrouillentätigkeit im Mittelmeer langfristig wieder aufnehmen, wo einst die 3. Eskadra der sowjetischen Marine operierte. Sollte Frankreich tatsächlich zwei Flugzeugträger vom Typ Mistral liefern, wird einer in Sewastopol stationiert.

Hinzu kommen sechs Fregatten der verbesserten Krivak-Klasse (Projekt 1135.6), die sich seit Dezember 2010 im Bau befinden: u. a. Admiral Grigorowitsch, Admiral Essen, Admiral Makarow, Admiral Butakow und Admiral Istomin. Außerdem sollen bis 2016 sechs Diesel-U-Boote der Warschawjanka-Klasse, die z. Zt. auf der Admiraltejskije-Werft in Sankt Petersburg gebaut werden, in Sewastopol und Noworossijsk eingeführt werden.

Nach der Annexion der Halbinsel Krim begannen die russischen Besatzungsbehörden in der letzten Märzwoche mit dem Aufbau neuer Organe der Inneren Sicherheit: Sicherheitsdienst (Leiter Pjotr Sima), Polizei, Zivilschutz, etc..

Russischer Truppenaufmarsch gegenüber der Ukraine

Russland: Am 25. Februar begannen die russischen Streitkräfte - nach eigenen Angaben - 150.000 Soldaten im Westen zusammen zu ziehen. Die Truppen waren Generaloberst Anatolij Alexejewitsch Sidorow (Militärbezirk West mit HQ in St. Petersburg), Generaloberst Walerij Wasiljewitsch Gerasimow (Militärbezirk Mitte in Jekatarinburg) und Generaloberst Alexander Wiktorowitsch Galkin (Militärbezirk Süd in Rostow am Don) unterstellt. Die Verbände sollten mit 880 Panzern, 90 Flugzeugen und 120 Hubschraubern bis zum 7. März Truppenübungen durchführen.

Als diese Manöver am 3. März vorzeitig abgebrochen wurden, keimte zunächst die Hoffnung auf, die Lage könnte sich entspannen:

Am 12. März begannen die russischen Streitkräfte erneut mit einem massiven Truppenaufmarsch, der diesmal noch umfangreicher sein soll. Es ist der größte Truppenaufmarsch in der Region seit der Polen-Krise im Oktober 1980. Abgesehen von der Annexion der Krim und der Einverleibung der dort stationierten ukrainischen Verbände haben die russischen Streitkräfte zahlreiche Truppen an der Grenze zur Ukraine konzentriert. Der ukrainische Verteidigungsminister Igor Tenjuch sprach am 11. März von 220.000 Soldaten, 1.800 Panzern, 150 Flugzeugen, 400 Hubschraubern und 60 Kriegsschiffen.

Demgegenüber nannte der Vorsitzende des ukrainischen Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrates, Andrej Parubi, am 13. März andere Zahlen: 80.000 Soldaten, 270 Panzern, 370 Stück Artillerie und 140 Kampfflugzeuge: "Ukraine today is facing the threat of a full-scale invasion from various directions."

Der russische Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow versuchte, Bedenken zu zerstreuen: Die zahlenmäßige Stärke des Truppenaufmarsch hielte sich in den Grenzen internationaler Abkommen. Acht Inspektionsreisen der NATO-Staaten hätten keine Verstöße registriert. Auf welche Abkommen sich Antonow bezog, blieb unklar. Jedensfalls ist der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) seit 2007 ausgesetzt.

Mit dem Aufmarsch begannen die Streitkräfte gleichzeitig mehrere Manöver mit zunächst 8.500 bis 12.500 Soldaten u. a. in Belgorod, Kursk, Kuzminski, Rostow und Tambow: Beispielsweise führten die Fallschirmjäger eine großangelegte Luftlandeübung durch, bei der 4.000 Mann, 36 Militärflugzeuge und Hubschrauber und ca. 500 Großwaffensysteme eingesetzt wurden. So landeten 1.500 Fallschirmjäger der 98. Garde-Luftlande-Division (Iwanowo) auf einem Militärgelände in Kuzminski (Gebiet Rostow).

Weißrussland: Die russische Luftverteidigung betreibt auf dem Fliegerhorst Baranowitschi bei Brest traditionell eine Luftraumüberwachungs-Radarstation der 37. Strategischen Luftarmee mit 800 Soldaten. Bereits im Dezember 2013 verlegte die russische Luftwaffe sechs Jagdflugzeuge Su-27 Flanker und mehrere Transportflugzeuge nach Baranowitschi, um die weißrussische Luftverteidigung zu verstärken, wie es offiziell hieß.

Durch weitere Verstärkungen sind hier mittlerweile 15 Su-27SM3 Flanker und mindestens ein Frühwarnflugzeug vom Typ A-50 Mainstay stationiert. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Bobrujsk landeten am 18. März sechs weitere Su-27 vom 159. Luftregiment und drei Transportflugzeuge.

Der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko erklärte zur Begründung:

Wir haben ruhig reagiert, bis die Militärmanöver in Polen begannen. (…) Das ist eine klare Eskalation der Lage an unseren Grenzen. (…) Wenn die NATO mit den USA ihre Lufteinheiten und Missionen an unseren Grenzen verstärken, was sollen wir machen? Zuschauen?

Mittelmeer: Am 12. März begann der russische Flugzeugträger Admiral Kuznetsow mit einer Flottenübung im Mittelmeer. Daran beteiligt waren Jagdflugzeuge vom Typ Su-33 Flanker-D und Hubschrauber Ka-27 Helix.

Nachdem es bei Unruhen in der Ost-Ukraine - die z. T. von bezahlten Hooligans aus Russland angeheizt worden waren - drei Tote gegeben hatte, drohte das Außenministerium in Moskau mit einer erneuten Invasion:

Russland ist sich seiner Verantwortung für das Leben seiner Mitbürger in der Ukraine bewusst und behält sich das Recht vor, die Menschen unter seinen Schutz zu stellen.

Zu seinen weiteren militärpolitischen Plänen gab der russische Präsident Wladimir Putin, der - nach Angaben von Angela Merkel - "in einer anderen Welt" lebt, folgende Erklärung ab:

Ich appelliere an das Volk der Ukraine. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, dass ihr uns versteht. Auf keinen Fall möchten wir euch Schaden zufügen und euer nationales Gefühl verletzen. Wir haben die territoriale Integrität des ukrainischen Staates stets respektiert - im Unterschied zu denen, die die Integrität der Ukraine zum Opfer ihrer politischen Ambitionen gemacht haben. Heute präsentieren die sich unter den Losungen von einer großen Ukraine, gerade sie haben es aber zu einer Spaltung des Landes gebracht. Die heutige zivile Konfrontation lastet voll und ganz auf ihrem Gewissen.

Es bleibt abzuwarten, wie lange die russischen Militärs die gefährlich überzogene Politik der Kremlführung und das Primat der Politik noch akzeptieren werden.