Ukraine zwischen Entspannung und Eskalation

Seite 5: NATO-Maßnahmen

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Der polnische Regierungschef Donald Tusk brachte seine Kritik an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland deutlich zum Ausdruck:

Das verändert Grenzen und die geopolitische Situation in diesem Teil der Welt und birgt Risiken auch für Osteuropa in sich. Das ist nicht nur ein Problem der Ukraine oder von Ländern, die an Russland angrenzen. Wir sind sicher, dass diese Besorgnis auch Europa, die USA und die gesamte westliche Welt teilen.

Derweil leitete die NATO erste begrenzte Massnahmen ein: Am 10. März beschloss der NATO-Rat in Brüssel die Entsendung von E-3A Sentry AWACS-Flugzeugen der NATO Airborne Early Warning Force (NAEWF) in Geilenkirchen (BRD). Sie sollen Aufklärungsschleifen - wahrscheinlich mit deutscher Beteiligung - entlang der ukrainisch-russischen Grenze fliegen. Die Maschinen wurden dazu auf Fliegerhorsten in Polen und Rumänien disloziert.

Im Rahmen des "U.S. European Command’s Joint Training and Exercise Program" wird die US Army Europe (USAREUR) zusammen mit einheimischen ukrainischen Truppenteilen im Juli 2014 im Raum Lwiw das Manöver RAPID TRIDENT durchführen. Ziel der Übung ist es, "die regionale Stabilität und Sicherheit fördern, die Partnerschaft stärken und die gemeinsame Operationsfähigkeit der USAREUR mit den Landstreitkräften der Ukraine und Bodentruppen anderer Partner- und NATO-Staaten verbessern", erklärte dazu die US Army.

Außerdem sind folgende Länder an dem Manöver beteiligt: Armenien, Aserbaidschan, Bulgarien, Kanada, Georgien, Deutschland, Moldawien, Polen, Rumänien und Großbritannien.

Am 21. März kündigte der amerikanische Botschafter in Warschau Stephen Mull ein Luftwaffenmanöver der NATO in Polen an:

Die USA bereiten ein groß angelegtes Manöver in Lask vor. An der Übung werden Soldaten aus Ländern Zentral- und Osteuropa teilnehmen, darunter aus Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei, Bulgarien, Rumänien und den baltischen Republiken.

Vereinigtes Königreich: Die Briten haben am 12. März anscheinend ein E-3D AWACS-Frühwarnflugzeug von Waddington RAF nach Osteuropa verlegt.

Frankreich: Am 21. März wurde bekannt, dass Frankreich vier Jagdflugzeuge der Typen Rafale und Mirage 2000 und eventuell auch E-3F AWACS-Flugzeuge nach Polen und ins Baltikum entsenden will, um die dortige Luftverteidigung zu verstärken.

Die neue deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte die Truppenmassierungen:

Jetzt ist für die Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die NATO Präsenz zeigt. Die aktuelle Lage spiegelt klar, dass die NATO nicht nur ein militärisches, sondern auch ein politisches Bündnis ist.

Dies löste innerhalb der Großen Koalition einen Richtungsstreit aus. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Niels Annen, kritisierte die Verteidigungsministerin: "Der Vorschlag der Verteidigungsministerin trägt weiter zur Eskalation bei." Und der FDP-Chef Christian Lindner mutmaßte: "Ursula von der Leyen ist offenbar von allen guten Geistern verlassen." Damit widersprachen die Politiker der SPD und FDP der aktuellen Politik der NATO.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk forderte die EU zu stärkeren Wirtschaftssanktionen auf: "Jedem sollte klar sein, dass für Stabilität in der Welt ein Preis zu zahlen ist. Da gibt es zwei Wege: entweder mit Opfern oder mit Euro und Dollar. Es ist besser, Euro und Dollar zu opfern als über tausende Opfer eines blutigen Krieges zu trauern." Für diesen Fall machte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) deutlich, für welche Option er sich dann entscheiden würde:

Ich mache mir große Sorgen, dass der völkerrechtswidrige Versuch, 25 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs international anerkannte Grenzen in unserer europäischen Nachbarschaft zu korrigieren, die Büchse der Pandora öffnet. (...) Sollte Russland über die Krim hinausgreifen, werden wir in Europa einschneidende Maßnahmen beschließen, selbst wenn wir hierfür wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).

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