Ukrainische Agrarexporte: Kiew droht EU mit Gang zum Schiedsgericht

(Bild: 1195798, Pixabay)

Spannungen zwischen Polen und Ukraine nehmen zu. Kiew verbietet Abgeordneten Reise zum Wirtschaftsforum. Warum die EU bislang keine gemeinsame Linie findet.

In einer Woche laufen die Einfuhrbeschränkungen für Getreide und andere Agrarprodukte aus der Ukraine aus. Polen, Ungarn und die Slowakei haben nun angekündigt, die Importe auch gegen den Willen der Europäischen Union unterbinden zu wollen, berichtet der Wirtschaftsdienst Bloomberg. Die drei Länder warnen demnach vor Störungen auf ihren Binnenmärkten.

Die Frage ist noch offen, ob sie die anderen EU-Länder von ihren Interessen überzeugen können oder ob sie in den nächsten Monaten einseitige Maßnahmen ergreifen werden. EU-Diplomaten erklärten gegenüber Politico, dass 22 von 27 EU-Länder eine Verlängerung des Einfuhrverbots über Mitte September hinaus ablehnen oder kritisch sehen.

Und Bloomberg hat erfahren, dass dreizehn Mitgliedsstaaten gegen eine Verlängerung sind, darunter Frankreich, Deutschland und Österreich.

Der Streit um die Getreideexporte belastet bereits seit Monaten die Beziehungen zwischen der Ukraine und Polen – und diese könnten sich weiter verschlechtern. Wie euractiv.de am Mittwoch berichtete, hat der ukrainische Ministerrat Abgeordneten verboten, zum Wirtschaftsforum nach Karpacz in Polen zu reisen.

Mit dem Verbot will die Regierung in Kiew offenbar gegen das Importverbot protestieren. Der ukrainische Botschafter in Polen, Vasyl Zvarych, erklärte dem Bericht zufolge, für Kiew sei eine Verlängerung des Embargos nur "schwer zu akzeptieren".

Nach dem Auslaufen des Getreideabkommens, das den Export über die Häfen am Schwarzen Meer gewährleistete, und nach den russischen Angriffen auf die ukrainischen Donauhäfen ist die Überlandroute der einzige Weg für die Ukraine, Agrarprodukte auszuführen. Aufgrund der hohen Transportkosten sind sie allerdings auf dem Weltmarkt kaum noch konkurrenzfähig.

Würden die Einfuhrbeschränkungen der Europäischen Union nun aufgehoben, würden ukrainische Agrarprodukte zwar in die fünf Anrainerstaaten Polen, Ungarn, Slowakei, Bulgarien und Rumänien gelangen, sich dort aber wegen hoher Transportkosten stauen und letztlich die regionalen Marktpreise drücken. Die fünf Länder erlauben deshalb nur den Transit der Agrarprodukte, aber nicht den Import.

Die Diskussion in der EU betreffe hauptsächlich Getreide, heißt es auf euractiv.de. Aber in Polen fürchte man auch den unkontrollierten Zustrom von gefrorenem, billigem Beerenobst und Apfelsaft. Diese Agrarprodukte exportiert Polen in erheblichem Maße und ist der weltweit zweitgrößte Exporteur.

Doch die polnischen Landwirte fürchten um ihre Stellung, weil sie mit der Ukraine nicht konkurrieren können. Mehrere in der EU verbotene Pflanzenschutzmittel ermöglichen es den ukrainischen Bauern, deutlich billiger zu produzieren. Daher sehen sie auch eine zeitnahe Integration – ohne Übergangsfrist – der Ukraine in die Europäische Union skeptisch.

Im Gegensatz zu Polen möchte Rumänien kein einseitiges Verbot anstreben, heißt es bei Bloomberg. Die Bulgaren bestehen dagegen weiterhin auf einen verlängerten Importstopp für Sonnenblumen, unraffiniertes Öl und Milchpulver; für Weizen strebt man in Sofia aber kein Verbot an.

EU-Kommissar für Landwirtschaft, Janusz Wojciechowski, möchte das Verbot zwar bis Jahresende verlängern – aber den EU-Staaten gleichzeitig zusätzliche Kosten aufbürden. Wojciechowski stimmt hier mit Polen und Ungarn überein: Ukrainischen Unternehmen sollen die Transitkosten, die beim Transport durch die EU anfallen, direkt von Brüssel erstattet werden. Frankreich ist damit bislang aber nicht einverstanden.

Die Ukraine droht nun allerdings: Sollte das Importverbot verlängert werden, wolle man dies vor einem Schiedsgericht anfechten. Am Mittwoch hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch einmal betont, dass man die Einnahmen dringend benötige. Für die Ukraine sei es eine Frage des Überlebens.

Für die osteuropäischen Landwirte steht aber auch die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel – und in ihren Heimatländern sind sie auch ein politischer Faktor mit erheblichem Einfluss.

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