Umgeht der Iran Sanktionen mit Bitcoin?

Bitcoin, für die US-Regierung die Währung der Schurkenstaaten, wird auch im Iran beliebter

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Die Ermordung von Qasem Soleimani durch die Trump-Regierung am 3. Januar schlug auch Wellen auf dem Bitcoin-Markt. Schnell verbreitete sich das Gerücht, dass der Bitcoin-Kurs im Iran auf 24.000 oder sogar 29.000 US-Dollar gestiegen sei, eine Vervierfachung des Standes zum Jahreswechsel.

Was sich als oft zitierte Fake-News herausstellte, enthielt jedoch ein Körnchen Wahrheit. Bitcoin ist die neuzeitliche Version der Krisenwährung Gold. Geopolitische Beben lassen den Kurs steigen, Regulierungen ihn fallen. Einer Umfrage von Statista zufolge ist die Beliebtheit der Währung nicht etwa in Ländern groß, die zu den Early-Adoptern der Digitalisierung gehören, sondern in krisengeschüttelten. Bedroht von Unruhen, Sanktionen oder Hyper-Inflation.

Das alles ist aktuell im Iran, dort blüht auch die Kryptowährung. Das US-Magazin Foreign Policy schreibt in einem kürzlich erschienenen Artikel: "Die Wirtschaftssanktionen haben sich als wirksam erwiesen und die iranische Wirtschaft ist um 10 bis 20 Prozent geschrumpft. Sie haben aber auch die Verwendung von Kryptowährungen wie Bitcoin durch den Iran beschleunigt." Die Welt der Kryptowährung eröffne der iranischen Regierung und den Menschen im Iran neue Möglichkeiten, sich Sanktionen zu entziehen, heißt es darin.

Mit Bitcoin gegen Sanktionen

Die Wirtschaft des Iran wurde bekanntlich durch die US-Sanktionen schwer getroffen. Sie dezimierten Irans Rohölexporte, ließen zugleich die Inflation auf über 35 Prozent anschwellen. Ausländische Unternehmen werden daran gehindert, Geschäfte im Land zu tätigen. Die Kryptowährung Bitcoin ermöglicht es iranischen Bürgern und Unternehmen jedoch, zumindest teilweise internationale Zahlungen zu leisten. Dadurch umgehen sie die Sanktionen, doch was anderes bleibt ihnen kaum übrig.

Als im November 2018 die internationale Bankenorganisation SWIFT auf Druck der USA mehr als zwei Dutzend iranische Geldinstitute von ihren Diensten aussperrte, waren Kryptowährungen im Iran noch verboten. Die EU-Kommission hatte erklärt, die Drohungen aus Übersee nicht zu beachten, und betont, Swift werde die iranischen Banken nicht abschalten, doch der Versuch der EU, den Iranhandel aufrecht zu erhalten, scheiterte. Auch das 2019 initiierte Instex blieb von symbolischer Natur.

Doch nun wurde es für iranische Bürger und Unternehmen unmöglich, am internationalen Handel teilzunehmen, außer sie nutzen Kryptowährungen. Das erkannte auch die iranische Regierung, ein Umdenken fand statt. Zum Jahresbeginn 2019 kündigte das Land eine an Gold gekoppelte Kryptowährung namens PayMon an. Ali Divandari, der neue Leiter der iranischen Zentralbank sagte: "Blockchain hat das Potential, das Konzept des Geldes zu revolutionieren."

Als PayMon nicht auf die gewünschte Nachfrage stieß, setzte der Iran auf das Bitcoin. Im August 2019 wurde Kryptomining als Wirtschaftszweig legalisiert, Bitcoin war ohnehin zur einzigen Möglichkeit geworden, grenzüberschreitende Überweisungen zu tätigen.

Divandari sagte dennoch: "Blockchain fehlt es einfach an der Fähigkeit und dem Vermögen, Sanktionen zu umgehen." Die Handels- und Finanztransaktionen des Irans seien zu umfangreich, als dass sie mit neu gefundenen Technologien wie der Blockkette abgewickelt werden könnten. "Vorschläge wie diese sind unreif und weit hergeholt."

Doch für die USA bedeuteten Kryptowährungsinitiativen in Russland, China, Venezuela oder im Iran bedrohliche Machenschaften nicht nur gegen US-Sanktionen, sondern auch gegen die Bankenwelt.

"Die iranische Regierung hat seit langem ein Interesse daran, Kryptowährungen zur Unterstützung des internationalen Handels außerhalb des traditionellen Bankensystems einzusetzen", schreibt das US-Magazin Foreign Policy. "Der Iran hat klar verstanden, dass Kryptowährungen zu den Möglichkeiten gehören, die von den USA dominierte Finanzarchitektur herauszufordern und zu untergraben."

"Erstens laufen diese Projekte unweigerlich auf privaten Blockchains, die keine Rückverfolgbarkeit nach außen bieten, wie dies bei einem Bitcoin-Netzwerk der Fall ist. Zweitens liegen diese Instrumente völlig außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der aktuellen US-amerikanischen globalen Finanzarchitektur." In einer Erklärung des US-Finanzministeriums von 2018 heißt es: "Das Finanzministerium wird den Iran und andere Schurkenregime, die versuchen, digitale Währungen auszunutzen, aggressiv verfolgen."

War on Crypto?

So stellt sich die Frage, inwieweit Bitcoin und andere Kryptowährungen das Versprechen einlösen können, eine Alternative für das globale Finanznetz bieten zu können. Als die ersten Kryptowährungsbörsen eingerichtet wurden, war die Landschaft nicht reguliert - und für viele war das ein Teil ihres Charmes. Doch nehmen seitdem auch in der Krypto-Welt die Hürden zu. Internationalen Aufsichtsbehörden versuchen immer wieder, gegen Bitcoin vorzugehen.

Zum Beispiel gegen ihre Kernidee, die dezentrale Finanzierung (DeFi). Sie zielt darauf ab, traditionelle Finanzdienstleistungen wie Bankgeschäfte, Kredite und Handel über dezentrale Netzwerke und ohne Zwischenhändler oder Bankinstitute bereitzustellen. "Durch den Einsatz dezentraler Börsen kann das Regime auch dazu beitragen, Kryptowährungen über Kanäle, die von externen Regulierungsbehörden nicht wirksam kontrolliert werden können, in Fiat umzuwandeln", schreibt Foreign Policy.

Es kommen auch neue Hindernisse hinzu. Der Raum für Anonymität für Kryptowährungstransaktionen wird immer kleiner, da die formelle Identifizierung von Kunden durch die Einhaltung der Know Your Customer-Richtlinien weltweit zunimmt. Darunter versteht man die Prüfung von persönlichen Daten und Geschäftsdaten von Neukunden eines Kreditinstituts zur Prävention vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Standards, die der Financial Action Task Force im Jahr 2019 festgelegt und nun in 37 Mitgliedstaaten durchgesetzt werden, sehen die vollständige KYC-Konformität auf der Ebene der Anbieter von Diensten für virtuelle Assets sowie eine "Reiseregel" vor, nach der sowohl Urheber als auch Begünstigte von Kryptowährungstransaktionen verdächtige Informationen identifizieren und melden müssen.

Seither blockieren mehrere bekannte Handelsseiten Käufer und Verkäufer aus dem Iran. Einige beschlagnahmen Geld, das Kunden mit Sitz im Iran gehört. Zu befürchten ist, dass die Nutzung von Kryptowährungen durch Venezuela, Iran, Russland oder China, den "Crypto-Feinden" der USA zur Legitimierung dient, die für die Finanzwelt bedrohliche Idee hinter Bitcoin streng zu regulieren.