Und ewig schleichen die Werber...

Product Placement, Schleichwerbung und Produktionskosten-Zuschüsse

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Lange vertuscht, war der Knall umso größer, als ausgerechnet die öffentlich-rechtliche ARD bei bezahlter Schleichwerbung in der Serie "Marienhof" erwischt wurde. Inzwischen scheinen dem Entdecker des Skandals, Dr. Volker Lilienthal, die Folgen jedoch fast peinlich zu sein.

Bei Schleichwerbung handelt es sich nicht um dateimäßig zu groß geratene animierte Werbebanner, die deshalb erst nach einer Minute geladen sind. Auch einfaches Produktplacement in Form von zur Verfügung stellen von Filmrequisiten ist nicht unbedingt Schleichwerbung. Schließlich muss der Wagen, der im Spielfilm beim Wettrennen zu Schrott gefahren wird, ja von irgendeiner Marke sein. Es ist dabei noch nicht einmal klar, ob der Hersteller des Unglücksautos dies wirklich als positive Imagepflege ansieht, wenn ausgerechnet der neue Golf GTI von einem betrunkenen jungen Bauern an einen Alleebaum gesetzt wird. Doch wird eine Filmproduktionsgesellschaft nicht Nein sagen, wenn sie die Chance bekommt, dieses Auto vom Hersteller zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Schleichwerbung, Product Placement oder einfache (süße) Bestechung? NBC / "Das Vierte" sorgte auf den Medientagen München für ein kleines Frühstück (Bild: W.D.Roth)

Das interessante: Für Filme ist dieser Art der Schleichwerbung längst gang und gäbe und legal, solange das betreffende Objekt einfach nur verwendet wird. Dies nennt man Product Placement und die Produzenten achten dabei sogar oft auf Ausgewogenheit: Während er auf einem IBM-Notebook chattet, benutzt sie einen Apple Macintosh. Auch in Sex and the city war immer klar, dass die Hauptfigur Carrie einen Apple Notebook benutzt. Pech für den kalifornischen Hersteller, dass dieser dann auch einmal in einer Folge unter totalem, nicht mehr zu behebendem Datenverlust zusammenbrach.

Unangenehm fällt dies allerdings auf, wenn es allzu plump wird und im Spielfilm "E-Mail für Dich" ständig der AOL-Bildschirm zu sehen ist und auch explizit darauf hingewiesen wird, dass sich sämtliche Begegnungen der beiden Protagonisten innerhalb von AOL abspielen. Der Kinogänger fühlt sich verappled, Verzeihung, verAOLt. Doch ist dies komplett legal, auch für deutsche Filmproduktionen.

Anders wird es, wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen involviert ist. Fernseh-finanzierte Filmproduktionen sollen von Product Placement freibleiben – in Deutschland jedenfalls. In Österreich hat der ORF dagegen schon seit langem Sendungen, Uhrzeit, Wetterberichte und Ähnliches unter dem Motto "präsentiert Ihnen Firma XXX" ansagen lassen, in ARD und ZDF ist dies erst seit einigen Jahren üblich. Auch, dass das Auto des Herrn Kommissars gerade eine bestimmte Marke hat, liegt natürlich nicht daran, dass der Intendant kostensparend für den Dreh seine Dienstlimousine zur Verfügung stellt, sondern das dies der Autohersteller tut.

Affiges Product Placement bei VW

Wie so eine Kooperation zwischen Unternehmen und einem Fernsehsender aussehen kann, präsentierte Martin Biswurm, Leiter des Bereichs Internationale Markenkooperationen bei Volkswagen, am Beispiel der bevorstehenden Einführung des Touareg Kong. Dazu schnürten die Autobauer mit der amerikanischen NBC Universal ein umfangreiches Kommunikationspaket. In der Neuverfilmung des Filmklassikers King Kong ist neben dem Gorilla auch der Touareg Kong nicht zu übersehen. Und natürlich treten die beiden auch in sämtlichen Vermarktungsmaßnahmen, wie unter anderem einem Shuttle-Service bei Filmpremieren, auf der Internetplattform, Automessen, bei klassischer Werbung etc., gemeinsam auf.

Damit es zur Schleichwerbung kommt, ist unter anderem ein Geldfluss erforderlich – besonders übel wird es allerdings, wenn wie im Falle Marienhof geschehen, der Auftraggeber auch noch auf das Drehbuch der Serie Einfluss bekommt und versteckte Werbung einbaut. Auch das ist in Amerika schon aus den Anfangszeiten des Fernsehens bekannt, wie Charlie Chaplin in seinem Film "Ein König in New York" satirisch zeigte.

Auf den Medientagen München war der Schleichwerbungsskandal und seine Folgen dementsprechend oft das Thema. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk forderte Ministerpräsident Edmund Stoiber gerade angesichts der jüngsten Fälle von Schleichwerbung „mehr Transparenz und klare Regeln“, keine weitere Selbstkommerzialisierung, eine bessere Gremienkontrolle sowie dauerhaft den Verzicht auf Sponsoring und Werbung. Dr. Hubert Burda, Vorstandsvorsitzender Hubert Burda Media, warnte, die Aufhebung der Trennung von Werbung und Programm gefährde nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern könne auch zur „Marken-Verschleuderung“ beitragen. VPRT-Präsident Doetz hingegen begrüßte Pläne der EU, ausgewiesenes Product Placement künftig in fiktionalen TV-Programmen zuzulassen.

Schleichwerbung ist von Natur aus nur schwer als Werbung erkennbar

Allerdings, so gab der ARD-Vorsitzende Gruber zu bedenken, lasse sich Schleichwerbung oft gar nicht erkennen. Diese Erfahrung jedenfalls habe die ARD mit ihrer neuen Clearingstelle machen müssen: „Bei der Hälfte aller Fälle, die nicht in Ordnung schienen, ist gar kein Geld geflossen, bei vielen unbedenklich erscheinenden Stellen allerdings schon.“ Bei dem Skandalfall „Marienhof“ hatten auch Apothekenverbände für Schleichwerbung gezahlt – zwar nicht für konkrete Produkte, aber für die häufige Darstellung der Selbstmedikamentation. Dabei versaut Schleichwerbung zwar den Ruf, bringt aber wenig ein: Guillaume de Posch schätzte, Schleichwerbung spiele wirtschaftlich für die Branche kaum eine Rolle, bewege sich insgesamt nur „im Bereich zwischen ein und zwei Millionen Euro“.

Michael Loeb, COO der Werbetochtergesellschaft Mediagroup des westdeutschen Rundfunks, früher WWF (Westdeutsches Werbefernsehen), begrüßte den für die Revision der EG-Fernsehrichtlinie gewählten Ansatz einer Inhaltsrichtlinie, forderte aber, im Interesse der Glaubwürdigkeit das Gebot der Trennung von Programm und Werbung aufrecht zu erhalten und nicht durch die unspezifische Zulassung von Product Placement zu erschüttern. Dies müsse für beide Säulen des dualen Systems gelten, wolle man im deutschen Fernsehen kein Zwei-Klassen-System.

Dr. Volker Lilienthal, Ressortleiter von EPD Medien, sprach seine eigene journalistische Arbeit (Bavaria Film verdiente über Jahre an Schleichwerbung) beinahe verleugnend davon, dass nach der Hysterie der letzten Monate (Jetzt hat die ARD ihr Watergate) heute eine Versachlichung eingetreten sei. Tatsächlich hatte Lilienthal zwar genug unter den juristischen Folgen seiner Recherche in Sachen Marienhof-Schleichwerbung zu leiden gehabt: Er war mit einem Streitwert von einer halben Million verklagt worden und hatte nur durch die Unterstützung des bayerischen Journalistenverbands wagen können, tatsächlich vor Gericht zu gehen und die Weiterführung der Recherche bzw. die Veröffentlichung seiner Erkenntnisse durchzusetzen. Doch heute scheint ihm fast leid zu tun, was die Folgen des Skandals sind: als er bei der Bavaria das Set für "Marienhof" besichtigte, musste er feststellen, dass inzwischen sogar die Markennamen der in der Küche im Regal stehenden Gewürzgläser abgeklebt sind.

Dr. Volker Lilienthal deckte den Maerienhof-Schleichwerbeskandal auf und würde nun die Geister gerne wieder los, die er rief (Bild: W.D.Roth)

Auch hat sich inzwischen längst herausgestellt, dass nicht nur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschlichen wird – es gab auch Fälle bei RTL, es wird von der "Cologne-Connection" gesprochen und Sat1 sowie ZDF ebenso wie Radiosender (Geschmeidige Schleichwerbung auf Antenne Bayern) wurden auch schon ertappt.

Georgia Tornow, Generalsekretärin der „Film 20 Interessengemeinschaft Filmproduktion“ hielt fest: Schleichwerbung ist verboten und soll es auch bleiben, die Zulassung von Product Placements soll dagegen im fiktionalen Bereich möglich sein, um in der europäischen Union einheitliche Voraussetzungen zu haben, die momentan ebenfalls darüber nachdenkt. Sie wünscht sich eine Freigabe des Product Placements mit Kennzeichnung, wobei die von Jürgen Doetz vom VPRT angeregte Lösung, wie im Werbeblock das Senderlogo abzuschalten, unvernünftig sei, weil der Sender so aus der Verantwortung gehe.

Auch bei Nutzwertartikeln tauchen immer Produkte auf, ob bei der Stiftung Warentest oder bei Testberichten in Computerzeitschriften. Derartige Rubriken sind also keine Schleichwerbung, denn wie soll man sagen, ob ein Test gut oder schlecht ausgefallen ist, ohne das betreffende Produkt zu erwähnen?

US-Unternehmen sind sehr an Product Placement interessiert

Hubertus Meyer-Burckhardt, Vorstand Corporate Development und Medienpolitik bei Pro7Sat1-Media, legte dar, dass der Anteil der Werbung, der international verwaltet wird, ständig mehr wird, der nationale Anteil dagegen ständig weniger. Die Unternehmen können deshalb zum Beispiel in USA ganz andere Werbeformen nutzen als bei uns und Deutschland muss seine Sonderrolle erklären, denn die USA sind das Lizenzgeberland Nummer eins. Procter & Gamble will beispielsweise 1/4 des TV-Werbeetats gezielt für Product Placement einsetzen.

Im fiktionalen Bereich werde Product Placement folglich kommen, da hier international verkauft werde. Ein Remake von "Die drei von der Tankstelle" oder "Herbie dem Käfer“ müsse möglich sein, ohne dass es Diskussionen über die Marke der Tankstelle oder die Tatsache, dass ein VW Käfer von Volkswagen komme, geben dürfe. Im nonfiktionalen Bereich (Magazine, Nachrichten, Reporte) ist sie dagegen weiter inakzeptabel.

Dr. Johannes Kreile, Justitiar beim Bundesverband deutscher Fernsehproduzenten, erinnerte daran, dass im deutschen Werbe- und Rundfunkrecht das Kaufen von Meinungen verboten ist, also politische Werbung, inklusive Product Placement und natürlich auch Schleichwerbung. Doch VW liefert jedes Jahr für 40 Millionen Euro Autos für US-Spielfilme, auch im deutschen Film ist dies ok und auch beim ORF, der bereits 30 Millionen durch Product Placement einnimmt. In deutschen TV-Auftragsproduktionen ist es dagegen problematisch: vor fünf Jahren wäre es noch OK gewesen, heute nicht mehr. Es sei normal, dass am Ende eines Beitrags dann im Rahmen eines Ausstatterhinweises BMW oder Dior gedankt werde und die Einnahmen ausgewiesen werden. Ein Ausstatterhinweis sei ein Sponsoring, aber keine Schleichwerbung.

Entscheidend: Fließt Geld?

Bernd Neumann, medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, schimpfte, dass in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf kriminelle Weise jahrelang durch Tarnorganisationen das Gesetz unterlaufen wurde. Die Diskussion beziehungsweise das Aufdecken durch Lilienthal sei somit verdienstvoll. Die Trennung Fiction/Nonfiction hät er für problematisch, da unklar sei, wie beispielsweise Historienfilme oder Doku-Soaps einzustufen seien.

Dr. Hermann Eicher, Justitiar des Südwestrundfunks, informierte, dass die ARD nun auf Produktionskostenzuschüsse verzichte. Doch herrsche nun Hysterie: Schon ein Karstadt-Logo beim Schwenk über einen Bahnhof war zu viel und eine Lateinamerika-Journalistenreise mit Meteor wurde nicht mehr akzeptiert. Sendungen wie Elke Heidenreich (Bücherbesprechungen) oder „Fahrt ins Elsaß“ (also touristische Programme) müssen erlaubt sein, aber: Wenn auch nur einmal Geld fließt, ändert sich der Charakter der Sendung sofort und für immer.

Prof. Eberle merkten schließlich an, dass die deutschen Gesetze nicht immer strenger seien als die der EU: So ist virtuelle Werbung (Einblenden computergenerierter Werbeplakate beispielsweise in eine Fußballübertragung) ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, obwohl sie in Deutschland erlaubt und in der EU verboten ist. Dr. Norbert Schneider, Vorsitzender der Landesmedienanstalt NRW, ergänzte, dass eine Kennzeichnung im Abspann der Sendung das Problem nicht wirklich löse, denn was passiere dann bei einer Kurzberichterstattung von wenigen Sekunden, in der das manipulierte Fußballfeld ebenso zu sehen sei, jedoch keine Zeit für einen langen Abspann bleibe? Ebenso seien Sport oder "Wetten dass" absolute Negativbeispiele der "irgendwie muss man ja finanzieren"-Ausreden. Und eine Freigabe von Product Placement nur für die Privatsender würde ein „Zweiklassen-Fernsehen“ erzeugen und damit den Privatsendern keinen Gefallen tun.