Unsere liebe Frau von der Guten Hoffnung und der Arsch der Journalistin

Fallen des Online-Publishing

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Die Online Journalism Review bespricht unter dem Titel "Journalistic Mistakes Made, Internet Not to Blame" drei typische Hoaxes und Enten des Online-Journalismus.

Bild: Times of India

Gleich zur Beruhigung: Das Internet ist ausnahmsweise nicht schuld daran, dass man ihm nichts glauben kann. Glauben sollte man laut OJR erstmal gar nichts, was man hört, sieht, liest. Die Meldung, dass blonde Menschen wegen eines rezessiven Gens in 200 Jahren ausgestorben sein werden, war eines der jüngsten und dazu klassisches Beispiel eines "Big Ass Mistake" des Online-Journalismus:

"Brunettes can finally relax - natural blondes dying out" "berichtete" cyberplexafrica.com und Space News Das war vor drei Jahren und Anfang Oktober 02 war es plötzlich wieder so weit:

"Blondes to die out in 200 years" prophezeite BBC News düster; Kollegen zogen mit und unterfütterten die "Info" noch mit hochinteressanten kulturanthropologischen oder gentechnologischen Interpretationen. Unter den Gehoaxten waren ABC, NBC, CBS ("The decline and fall of the blonde is most likely being caused by bottle blondes, who researchers believe are more attractive to men then true blondes"), CNN ("According to the World Health Organization, blondes, natural ones, may be extinct within the next 200 years"), die New York Post ("Study is a blonde bombshell"), der Daily Star ("Gentlemen who prefer blondes will have to move to Finland - or make do with bottle blondes"), Daily Mail ("Too few people are carrying the blonde hair gene to continue reproducing through the generations") und der Express ("Future generations will never need to wonder whether a blonde bonce is natural - because every one will be from a bottle."), um nur einige zu nennen.

Dass alle voneinander abschrieben und keiner der Journalisten bei der WHO anrief... nun die Schuld des Internet ist das nicht. "Too good to check" war diese Schlagzeile den meisten ganz offensichtlich. Und dass es gar keine WHO-Studie gab, sondern ein drei Jahre zurückliegendes Allegra-Interview mit Irgendjemandem, kam dann aber doch raus und allen war es natürlich peinlich. "In the end" amüsierte sich die Times of India "unlike apartheid, which was very real - this was just a pigment of the imagination."

Hide the loss

Der Salon.com-Artikel "Tom White played key role in covering up enron losses" der Heeresminister Thomas White bashte, welcher zuvor bei Enron einen führenden Posten bekleidet hatte, wurde gut einen Monat nach Erscheinen wieder zurückgezogen. Der Grund war, dass große Teile des Artikels fast wörtlich sieben Monate vorher in der Financial Times gestanden hatten. Außerdem ging es um eine E-Mail, die White geschrieben haben sollte: "Close a bigger deal to hide the loss" hieß es im Artikel. In einer späteren Notiz wurde eine Korrektur vorgenommen: ("Close a bigger deal. Hide the loss before the 1Q") sollte nun der Wortlaut der Mail gewesen sein. Als der Artikel schließlich ganz vom Netz genommen wurde, geschah dies vor allem weil es die Mail möglicherweise gar nicht gegeben hatte: "we have been unable to independently confirm the authenticity of an e-mail from former Enron executive and current Army Secretary Thomas White that was quoted in the article." Zu dumm, dass die New York Times die Sache schon längst begeistert aufgegriffen hatte:

New evidence indicates that Cheney's handpicked Army secretary was a corporate evildoer....Jason Leopold, a reporter writing a book about California's crisis, has acquired Enron documents that show Mr. White fully aware of what his division was up to. Mr. Leopold reported his findings in the online magazine Salon, and has graciously shared his evidence with me. It's quite damning.

Mit einiger Verspätung, als die Geschichte schon die Runde gemacht hatte, ließ die NYTimes unter dem Titel Web article is removed; flaws cited ihren Autor zur Einsicht kommen: "I erred by citing it (die E-Mail) in my column." und versuchte sich zu rechtfertigen, dass man den Salon-Artikel als "evidence" genommen habe.

Kim Na und das Big Ass Boat

So richtig lustig ist die Geschichte der 18jährigen Journalistikstudentin Kim Na, die für die Zeitung der Washington State University The Daily Evergreen einen schönen Multi-Kulti Artikel über den Oktober als "Filipino-American History Month" schreiben sollte. Als historischer Hintergrund diente ihr Material, welches sie wörtlich von einer Website namens Pinoylife übernahm. Das liest sich dann so:

On Oct. 18, 1857, the first Filipinos landed on the shores of Morro Bay, California, on a Spanish galleon called the Nuestra Señora de Buena Esperanza, which translates to The Big Ass Spanish Boat.

Lassen wir den Schleier des Erbarmens fallen über den "Big Ass Mistake", die schlauen Belehrungen ("Be a lot more suspicious of the junk 'n' stuff you find on the Web.") und Kim Nas Rechtfertigung, die Website habe doch "offiziell" ausgesehen. Enden wir kurz und schmerzlos mit einem Dank an sowie einem Zitat von OJR Kolumnist Mark Glaser, der uns diese drei Faux-Pas nahegebracht hat:

Relax, folks. Nobody's perfect, we all make mistakes, and we should remember to think twice when quoting German wire stories, Enron e-mails, and Filipino weblogs.