Update: Die US-Regierung hat dem Kongress die Informationen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm vorenthalten

Erst sollte die Kriegsermächtigung gegen den Irak über die Bühne gehen

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Gerade hatte US-Präsident Bush die Irak-Resolution unterzeichnet, die ihm freie Hand für einen Krieg gegen den Irak lässt, um damit den Sicherheitsrat unter Druck zu setzen, da kommt aus dem Außenministerium Ungemach. Dort gab man bekannt, Nordkorea, Teil der von Bush ausgemachten "Achse des Bösen", habe zugegeben, seit Jahren unter Verletzung von Abkommen an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet zu haben.

Update: Die Gespräche, die Staatssekretär James A. Kelly mit der nordkoreanischen Regierung führte, fanden Anfang Oktober statt. In deren Verlauf legte Kelly Geheimdienstinformationen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm vor, das dann, aus welchem Grund auch immer, von den Vertretern der nordkoreanischen Regierung bestätigt wurde. Auf der Hand liegt, dass die Bush-Regierung dies so lange zurückgehalten hat, bis der amerikanische Kongress dem Präsidenten die Ermächtigung zum Krieg auch unter Umgehung der UN ausgesprochen hatte. Man gab die Informationen erst dann der Öffentlichkeit bekannt, als Bush mit einer neuen Irak-Rede die Resolution unterzeichnet hatte, wodurch sie in Kraft getreten ist.

Diese absichtliche Manipulation der amerikanischen Kongressabgeordneten, vornehmlich natürlich der kritischen Demokraten, ist ein Skandal, zumal Bush den Kongress und die UN derart mit allen möglichen Mitteln und zweifelhaften Beweisen unter Druck gesetzt hat, dass schnell gegen den Irak vorgegangen werden müsse und es keine anderen Möglichkeiten mehr gebe, als einen Sturz der Regierung. Das Atomwaffenprogramm von Nordkorea war und ist wesentlich weiter vorangeschritten als es das des Irak jemals war. Zudem wird schon seit Jahren vermutet, dass Pakistan, der neue Freund der Bush-Regierung im Kampf gegen den Terrorismus, Nordkorea dabei unter die Arme gegriffen hatte.

Die vom Irak angeblich ausgehende unmittelbare und einzigartige Bedrohung wird durch das Atomwaffenprogramm Nordkoreas relativiert, zumal das Land auch über ein großes Arsenal an chemischen und biologischen Waffen sowie entsprechende Raketen verfügt. "Wenn der Kongress das gewusst hätte, würde dies meiner Meinung nach zu einem wirklichen Unterschied bei der Abstimmung von Manschen geführt haben", sagte etwa die demokratische Abgeordnete Chaka Fattah. "Es geht um eine wirkliche Bedrohung durch Atomwaffen in Nordkorea gegenüber einer vermuteten, in der ferneren Zukunft liegenden Bedrohung im Irak. Und das Schöne bei der Irreführung des Weißen Hauses ist, dass jetzt unsere Politik kaum mehr zu ändern ist, da er die Abstimmung in Händen hält."

Während Bush noch schweigt, suchte etwa Richard Armitage, Staatssekretär des Außenministeriums, zu begründen, warum Irak der primäre Feind der USA ist. So habe es nach ihm seit 50 Jahren weitestgehend Frieden auf der koreanischen Halbinsel gegeben, während der Irak zwei Mal seine Nachbarn angegriffen und chemische Waffen eingesetzt habe: "Die Tatsache, dass Saddam Hussein diese Waffen gegen seine Nachbarstaaten und sein eigenes Volk eingesetzt hat, lassen ihn zu einem ein wenig dringlicheren Problem werden." Die Geschichte der amerikanischen Verwicklung unterschlägt Armitage hier ebenso gerne wie Bush und andere Mitglieder seiner Regierung. Andere Regierungsvertreter begründeten das Stillschweigen damit, dass man erst mit anderen Staaten wie Japan, China oder Südkorea sprechen sollte.

"Wir glauben, dass wir andere Möglichkeiten haben, um mit Nordkorea umzugehen", so Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice. "Wir haben alles mit dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein versucht: Sanktionen, begrenzte militärische Aktionen, Inspektoren und alle anderen Dinge, und nichts hat funktioniert."

Warum aber bei Nordkorea nach diplomatischen Wegen gesucht wird, um Druck auf Nordkorea auszuüben, lässt sich nur aus nationalen und geostrategischen Gründen ableiten, über die die amerikanische Regierung nicht gerne spricht, während sie ihre aggressive Politik mit Moral einhüllt. Abgesehen davon, dass Bush wohl kaum die Amerikaner für einen kostspieligen Schlag gegen Nordkorea begeistern könnte, der dann auch zu ganz anderen Reaktionen von Russland und vor allem China führen dürfte, ist die nordkoreanische Armee größer und besser gerüstet - und verfügt eben auch tatsächlich zumindest über chemische und biologische Waffen. Der Irak aber liegt im Zentrum des Mittleren Ostens und ist damit schon lange ein wichtiger Faktor für die Energieversorgung, die schon lange ein Kernpunkt der amerikanischen Politik ist. Ansonsten aber ließen sich alle Beschreibungen des Irak ohne Probleme auf Nordkorea übertragen, was nur wieder zeigt, dass es auch nach dem Kalten Krieg natürlich nicht um Freiheit, Frieden und Demokratie geht.

Aber das wissen eigentlich alle, schließlich spielen auch bei denjenigen Staaten, die sich wie Frankreich oder Russland als permanente Mitglieder des Sicherheitsrats bislang den Kriegswünschen der US-Regierung entgegengesetzt haben, handfeste wirtschaftliche und geostrategische Gründe eine Rolle. Das Fatale aber ist, dass, wie immer auch der Irak-Konflikt ausgehen wird, die Spiele im Sicherheitsrat die Glaubwürdigkeit der UN nachhaltig schwächen werden. Schließlich hat die Weltgemeinschaft auch nicht wirklich etwas zu sagen. Entschieden wird über Krieg und Frieden von den permanenten Mitgliedern und ihren Interessen, solange sie ihr Vetorecht besitzen. Und hier ist man noch keinen Schritt über den Kalten Krieg hinausgekommen.

Noch immer lässt sich nicht absehen, ob der Sicherheitsrat, d.h. natürlich die permanenten Mitglieder, einer von der US-Regierung gewünschten Irak-Resolution zustimmen wird, die bei Nichteinhaltung mit Waffengewalt droht. Bislang scheint der Vorschlag von Frankreich, ein zweistufiges Verfahren einzuschlagen, bei dem nach Verletzungen einer ersten Resolution noch einmal über einen möglichen militärischen Eingriff verhandeln werden müsste, die Zustimmung der meisten Länder zu finden.

Die "breite Koalition", von der US-Präsident Bush stets spricht, wenn er mit militärischen Konsequenzen droht, ist weit und breit nicht zu sehen, auch wenn die US-Regierung darauf rechnen darf, bei einer Invasion, selbst wenn sie nicht von der UN legitimiert wird, zumindest passiv unterstützt zu werden. Man will die Supermacht nicht verärgern und auch die wirtschaftlichen Optionen nicht verspielen, die bei dem von Bush verlangten Regime-Wechsel ins Spiel kommen. Dieses von Bush eigentlich hinter der Durchsetzung der Waffeninspektionen und der Entwaffnung verfolgte Ziel kann, auch wenn es politisch im Sinne einer Stärkung der Demokratie und der Menschenrechte wünschbar wäre, nicht durch die Irak-Resolutionen legitimiert werden. Das Vorgehen der US-Regierung gleicht einer Erpressung der UN, zumal auch eine unmittelbare Bedrohung der USA selbst durch den Irak nicht wirklich begründet werden kann.

Bush hatte gestern bei der Unterzeichnung der Irak-Resolution des amerikanischen Kongresses, die parallel zur Aussprache in der UN inszeniert wurde, wieder einmal als Tatsache festgestellt, dass der Irak noch chemische und biologische Waffen besitze, überdies über Mittelstreckenraketen verfüge und Atomwaffen zu entwickeln versuche. Damit würde der mit Terrororganisationen zusammen arbeitende Irak viele Staaten und den Weltfrieden bedrohen. Bush rief daher die Weltgemeinschaft dazu auf, sich hinter die Interessen Amerikas zu stellen, da diese eben auch die der freien Welt seien:

"Jede Nation, die die Vorteile des Friedens genießt, hat auch die Pflicht, den Frieden zu verteidigen. Die Zeit ist wieder einmal für die UN gekommen, den Zweck ihrer Gründung einzulösen und unsere gemeinsame Sicherheit zu schützen. Die Zeit ist wieder einmal für die freien Nationen gekommen, unsere globalen Verantwortlichkeiten wahrzunehmen und sich einer zunehmenden Gefahr entgegen zu stellen."

Nachdem sich nun herausgestellt hat, dass Nordkorea nach der Bekanntgabe von Informationen amerikanischer Geheimdienste über verdächtige Orte zugegeben hat, seit Jahren ein Atomwaffenprogramm zu verfolgen und in diesem Rahmen Uran anzureichern, ist nun plötzlich das zweite Land aus der selbst ernannten "Achse des Bösen" zu einer weit konkreteren Gefährdung des Weltfriedens durch Massenvernichtungswaffen geworden. Auch Nordkorea soll biologische und chemische Waffen besitzen, eine Diktatur ist es zumal, die keinen Deut besser, sondern eher noch schlimmer ist als Husseins im Irak.

"Denkt der Präsident, dass der Staatschef von Nordkorea ein mörderischer Diktator ist, der süchtig nach Massenvernichtungswaffen ist?"

Scott McClellan, Sprecher des Weißen Hauses: "Sicher, Nordkorea ist ein repressiver Staat - hat seine Einwohner verhungern lassen - aber das sind unterschiedliche Regionen, unterschiedliche Umstände ..." - Pressekonferenz vom 17.10.2002

Mit dem wie immer motivierten Eingeständnis, ein Atomwaffenprogramm zu betreiben, hat Nordkorea den Atomwaffensperrvertrag, ein 1994 mit den USA geschlossenes Abkommen, das im Gegenzug zur Beendigung des Programms den Bau von zwei Leichtwasserreaktoren, aber auch Inspektionen vorsah (die von Nordkorea aber noch nicht erlaubt wurden, und ein Abrüstungsabkommen für Atomwaffen mit Südkorea gebrochen. Ein im Januar 2002 veröffentlichter Geheimdienstbericht ging noch davon aus, dass Nordkorea über eine oder zwei Atomsprengköpfe verfügen würde, aber nach dem mit den USA erzielten Abkommen das Atomwaffenprogramm eingestellt habe (Ist der von der US-Regierung geplante Raketenabwehrschild Unsinn?). Allerdings habe jetzt die Regierung gesagt, so die New York Times, dass man sich nicht sicher sei, ob Nordkorea bereits wirklich eine Atomwaffe besitze.

Das Außenministerium ruft Nordkorea auf, die vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten und auf "verifizierbare Weise" das Atomwaffenprogramm zu beenden. Man suche allerdings, so das Außenministerium im Unterschied zur Haltung gegenüber dem Irak, für die Situation eine "friedliche Lösung". Richard Boucher, der Sprecher des Außenministeriums, sagte darüber hinaus, dass angesichts des Atomwaffenprogramms die wirtschaftliche und politische Unterstützung Nordkoreas durch die USA beendet werden müsse. Diese hätte eingeschlossen, dass Nordkorea die Herstellung von Massenvernichtungswaffen, die Entwicklung und den Export von Raketen, die Unterstützung des Terrorismus und die Unterdrückung des eigenen Volkes einstellt.

Sie haben uns getroffen. Aber aus dem Bösen entsteht etwas unglaublich Gutes, weil dies die größte Nation mit den besten Menschen auf der Erde ist. - Präsident Bush am 17.10.2002

Sollte nun die US-Regierung im Hinblick auf beiden Staaten mit zweierlei Maß messen, dürfte die von Bush gesuchte "breite Koalition" noch weiter schrumpfen, da die Einzigartigkeit des Hussein-Regimes damit kaum mehr glaubhaft zu begründen sein dürfte. Noch schwieriger dürfte es werden, gegen zwei "Schurkenstaaten" gleichzeitig vorzugehen, während der "Krieg gegen den Terrorismus" ebenso Kräfte bindet wie die noch instabile Lage in Afghanistan und - nach der Wahl - in Pakistan. Eine Zwickmühle für die Irak-Politik von Bush, zumal Südkorea und Japan weiterhin den eingeschlagenen Prozess der Annäherung fortsetzen wollen.