Verbrechen oder Vergehen: Die Neubewertung kinderpornografischer Delikte

Der § 184b StGB führte zur Anklage einer Lehrerin, die helfen wollte. Gesetzesänderungen erhöhen nun den Strafrahmen, erschweren aber die Praxis. Das sind die Hintergründe.

Über die praktischen Probleme mit Paragraf 184b Strafgesetzbuch, dem sogenannten Kinderporno-Paragrafen, ist viel berichtet worden. Zuletzt über den tragischen Fall einer Lehrerin aus Rheinland-Pfalz, die einer Schülerin helfen wollte und daraufhin wegen des Besitzes von kinderpornografischen Inhalten, strafbar gemäß Paragraf 184b Absatz 3 Strafgesetzbuch, angeklagt wurde.

Die Tragödie einer Lehrerin: Ein Fallbeispiel für die Problematik des § 184b StGB

Hintergrund ist Folgendes: Durch die Neufassung im Juni 2021 wurde der Strafrahmen unter anderem betreffend Paragraf 184b Absatz 3 Strafgesetzbuch angehoben. Der Besitz kinderpornografischer Inhalte stellt seitdem ein Verbrechen dar und wird aktuell mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Gut gemeint, aber praxisfern: Die Herausforderungen des verschärften Strafrahmens

Diese Änderung war gut gemeint und sollte primär präventiv wirken. Allerdings hat sie sich als wenig praxistauglich erwiesen. Denn durch die Hochstufung von Paragraf 184b Absatz 3 Strafgesetzbuch zu einem Verbrechen wurde der Staatsanwaltschaft zugleich die Möglichkeit genommen, solche Verfahren aus Opportunitätsgründen einzustellen.

Die unerwarteten Folgen der Gesetzesänderung: Zwang zur Anklage in heiklen Fällen

Sie muss bei hinreichendem Tatverdacht nunmehr stets Anklage erheben – auch in Fällen, in denen es offensichtlich nicht um Pädokriminelle geht. Das war etwa der Fall bei der Lehrerin aus Rheinland-Pfalz, die helfen wollte. Mittlerweile hat auch das Bundesjustizministerium erkannt, dass dies zu Strafen führt, die bisweilen weder gewollt noch schuld- und tatangemessen sind.

Reformbestrebungen des Bundesjustizministeriums: Ein Schritt zur Lösung?

Zur Lösung dieses Problems präsentierte das Bundesjustizministerium daher am 16. November 2023 den "Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches". Mit dieser Novelle soll für die genannten Tatbestandsvarianten die Mindeststrafe auf sechs Monate absenkt werden, wodurch auch der Verbrechenscharakter entfiele.

Die feinen Unterschiede: Verbrechen vs. Vergehen im Licht der Gesetzesnovelle

Denn als Verbrechen gelten gemäß der Definition in Paragraf 12 Absatz 1 Strafgesetzbuch nur diejenigen rechtswidrigen Taten, "die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind". Alles andere sind sogenannte Vergehen. Handelt es sich in diesem Sinne also nicht um Verbrechenstatbestände, ist es der Staatsanwaltschaft möglich, Verfahren aus Opportunitätsgründen nach den Paragrafen 153, 153a ff. Strafprozessordnung einzustellen. So weit, so gut.

Eine Lücke im Gesetzentwurf: Die übersehenen Aspekte des § 184b Absatz 4 StGB

Im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums ist jedoch eine Sache gänzlich unerwähnt geblieben, und zwar Absatz 4 von Paragraf 184b Strafgesetzbuch. Er regelt die Versuchsstrafbarkeit. Derzeit allerdings nur im Falle von Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1. Hierbei handelt es sich aktuell bereits um Vergehen.

Für Verbrechenstatbestände braucht es keine extra Regelung der Versuchsstrafbarkeit. Hier gilt allgemein Paragraf 23 Absatz 1 Strafgesetzbuch. Er schreibt vor, dass der Versuch eines Verbrechens stets strafbar ist, "der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt".

Die Grauzone der Versuchsstrafbarkeit: Ein kritischer Blick auf die geplanten Änderungen

All das betrifft auch die vom Bundesjustizministerium geplante Änderung zur Anpassung der Mindeststrafen. Denn: Sollte der Besitz von kinderpornografischen Inhalten künftig kein Verbrechenstatbestand mehr sein und nähme man im Gesetz nicht ergänzend eine Normierung der Versuchsstrafbarkeit vor, dann wäre der Versuch dieser Tatbestandsvariante fortan straflos.

Das ist zwar im Falle von Paragraf 184b Absatz 3 Strafgesetzbuch nicht weiter tragisch, denn der Gesetzgeber hat ihn als sogenanntes Unternehmensdelikt ausgestaltet. Das heißt, dass Vollendung und Versuch bereits gleichgestellt sind (BT-Drs. 18/2601, S. 31). Dennoch bleibt ein gewisser Wertungswiderspruch. Darauf weist auch die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme vom 13. Dezember 2023 (S. 5) hin.

Offene Fragen: Die Zukunft der Versuchsstrafbarkeit im Fokus

Vor diesem Hintergrund kann man nur spekulieren, ob es sich um ein Versehen handelt oder man im Bundesjustizministerium bewusst darauf verzichtet hat, die Versuchsstrafbarkeit im Referentenentwurf mitzubehandeln. Es bleibt spannend.

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