Verbrenner-Aus und Klimaschutz: Warum Hans-Werner Sinn falsch liegt

Elektroautos, Wärmepumpen, effiziente Industrie: Nach Meinung des Ökonomen könnte das zu einem beschleunigten Klimawandel führen. Warum er irrt. Ein Kommentar.

Hans-Werner Sinn polarisiert mit seinen Thesen. Dafür ist der Ökonom seit Jahren bekannt und wird dafür von konservativen und anderen rechten Medien geliebt. Wer ein Argument gegen grüne Energie- und Klimapolitik sucht, wird bei ihm sicher fündig. Ob sie allerdings überzeugen, steht auf einem anderen Blatt.

In der Bild-Zeitung behauptete der 75-jährige Sinn, Energiewende und nationaler Klimaschutz machten alles noch schlimmer, als es ohnehin schon sei. Der Klimawandel werde sogar beschleunigt. Damit wiederholte er, was er schon an anderer Stelle gesagt hatte.

Im Münchner Merkur schrieb er Ende Juni, Klimaschutz hätten nur die Länder wirklich in der Hand, die über Lagerstätten fossiler Brennstoffe verfügten, die sie versiegeln könnten.

Das gilt zum Beispiel für die USA, China oder Kanada, auf deren Territorium ausgedehnte Kohlevorkommen und Ölreserven liegen, deren Extraktion sie jederzeit stoppen könnten, wenn sie es wollten. Es gilt auch für jene Länder der EU, die über signifikante Braunkohle- oder Steinkohlereserven verfügen, wie etwa Deutschland, Polen und die Tschechische Republik.

Hans- Werner Sinn

Vielmehr würden die Länder auf der Nachfrageseite einen Prozess der Deindustrialisierung einleiten, wenn sie die Nachfrage nach fossilen Energieträgern reduzieren würden. Und für den Klimaschutz wäre nichts gewonnen, weil die Produzenten ihr Öl, Gas oder ihre Kohle in andere Länder verkaufen könnten.

Die logische Schlussfolgerung: Die Klimapolitik der Bundesregierung muss eine Katastrophe sein. Es ist falsch, den Einbau von Wärmepumpen zu fördern; es ist falsch, Benzin- und Dieselfahrzeuge von den Straßen zu verbannen. Allerdings: Die Grundannahmen dieser Rechnung sind reichlich unterkomplex und von der Realität längst widerlegt.

Ein Beispiel dafür sind die Ölmärkte – und das ist seit Monaten zu beobachten. In China schwächelt die Wirtschaft, und im Westen machen sich angesichts steigender Zinsen Rezessionsängste breit.

Die Folge: Die Nachfrage nach Rohöl ging zurück und konnte nicht durch andere Märkte ersetzt werden. Der Ölpreis stürzte ab und konnte nur durch Förderkürzungen stabilisiert werden. Nach diesem Muster haben die Staaten des Ölkartells OPEC+ in den vergangenen Monaten gehandelt.

Die Argumentation von Hans-Werner Sinn ist theoretischer Natur und geht an der Realität vorbei. Um die Nachfrage von einem Land in ein anderes zu verlagern, müssten dort die notwendigen Voraussetzungen gegeben sein: Infrastruktur für Import und Export, Raffinerien und eine energiehungrige Industrie. All dies lässt sich nicht ad hoc aufbauen, sondern benötigt Jahre.

Gleichzeitig üben sinkende Preise Druck auf die Angebotsseite aus. Damit sich Investitionen lohnen und neue Investitionen getätigt werden, muss ein bestimmtes Preisniveau gehalten werden. Wird dieses Niveau unterschritten, werden Investitionen in neue Ölfelder, Pipelines oder Raffinerien wahrscheinlich unterbleiben.

Ein Nachfragerückgang kann entsprechend zu einem Angebotsrückgang führen.

Die Ökonomin und Wirtschaftsweise Veronika Grimm wies in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) darauf hin, dass niedrige Preise auch nicht zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage führen müssen.

Sie sagte: "Selbst, wenn die ölexportierenden Länder ihr Öl weltweit billiger vermarkten, heißt das nicht, dass sie insgesamt mehr fördern als bisher, der Klimaschaden wird also nicht größer". Er werde vielmehr geringer, wenn alternative Energiequellen zur Verfügung stünden.

Es gibt also keinen Grund, auf Klimaschutz im nationalen Rahmen zu verzichten.

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