Verdunklungsgefahr in Sachen Gentechnik
Der Entwurf zur Änderung des Gentechnikgesetzes schränkt die Information über Freilandversuche für die Öffentlichkeit erheblich ein
Horst Seehofer hat ein Problem: Er hat ein allzu offenes Ohr für die Gentech-Lobby (Grüne Gentechnik: Volle Kraft voraus?) und unterschätzt dabei das Lager der Gegner der "grünen" Technologie. Alsbald nach seinem Amtsantritt hatte der Verbraucherschutzminister verkündet, das Gentechnikgesetz der rot-grünen Regierung kippen zu wollen - doch wegen Differenzen mit dem Koalitionspartner ist die Novelle nun bis Mitte des Jahres vertagt worden. Stattdessen ließ er mit dem Drittes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes ein abgespecktes Teilpaket erarbeiten, das die vorgesehenen neuen Haftungsregelungen ausklammert und stattdessen vorgeblich unumstrittene Punkte abhaken sollte, wie sie die EU mit ihrer Freisetzungs-Richtlinie aus dem Jahr 2001(!) vorgegeben hat.
Doch nun könnte der Minister selbst damit scheitern: Zunächst setzten "Gentech-Falken" durch, dass Seehofers neue Vorlage von der Tagesordnung des Bundestages abgesetzt wurde, bevor sie überhaupt verlesen war. Die Vorlage wurde binnen Wochenfrist überarbeitet - und erntet nun Proteststürme der gegnerischen Seite: Kritiker wettern, dass aus einem Gesetz, das die Informationspflichten der Behörden bei Freisetzungsversuchen regeln sollte, ein Gesetzesentwurf zur Informationsverhinderung wurde. Unter anderem hat das Online-Protest-Portal Campact (Post-Demokratie im 21. Jahrhundert) die neueste Vorlage zum Anlass genommen, im Rahmen ihrer Kampagne "Stoppt Seehofer!" zu einer weiteren E-Mail-Aktion aufzurufen, die sich an die Mitglieder des Bundestags-Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz richtet, denen Seehofers neuestes Gentech-Teilgesetzpaket jetzt zur Beratung vorliegt.
Es ist der Paragraph 28a, der im Mittelpunkt der Empörung steht. Der Paragraph legt grundsätzlich fest, dass die Bürger über illegale Gen-Verunreinigungen und andere Gentech-Gefahren informiert werden müssen - und schränkt im Folgenden diese Auskunftspflicht gleich wieder ein: Die Auskunftspflicht ist demnach unter anderem dann aufgehoben, wenn a) "die Vertraulichkeit der Beratung von Behörden" gefährdet sei, wenn b) geistige Eigentumsrechte beziehungsweise "wettbewerbsrelevante Informationen von Unternehmen" berührt sind oder c) wenn in der Sache bereits ein Gerichtsverfahren - oder auch bloß ein Ermittlungs-, Disziplinar- oder ordnungsrechtliches Verfahren - eingeleitet wurde.
„Vor der Öffentlichkeit sollen künftig die Pannen der Gentechnikindustrie geheim gehalten werden, beispielsweise illegaler Anbau und Verkauf nicht zugelassener Gentechnikpflanzen", warnt unter anderem der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz von Löwenstein, in einer Pressemitteilung. Löwenstein weist noch auf ein weiteres Manko in dem neuen Gesetzesentwurf hin: Forschungs-Freisetzungen unterlägen einer "extrem kurzen" Anmeldefrist und könnten außerdem noch "an unbegrenzt vielen Orten" durchgeführt werden. Konventionell und ökologisch wirtschaftende Bauern würden dadurch überfahren, Schutzmaßnahmen unmöglich gemacht.
Es dürfte der Regierung schwer fallen, diese Angriffe auf den Schutz gentechnikfreier Landwirtschaft tatsächlich durchzusetzen. Andererseits können Seehofers Gesetzestexter auf das Motto 'Zeit ist Geld' setzen, denn am 19. Februar läuft die Frist ab, bis zu der Deutschland weiterhin ungestraft die Umsetzung der EU-Richtlinie hinauszögern darf. Danach werden pro Tag bis zu 792 000 Euro fällig. Möglicherweise hoffen die Befürworter deshalb, den Entwurf gegen alle Widerstände durchpeitschen zu können. - Mensch darf jedenfalls gespannt sein, wie es weiter gehen wird mit Seehofers Anlauf, rot-grüne Erfolge in Sachen Schutz vor Gentechnik (Strenge Haftungsbedingungen für die Gentechnik) wieder rückgängig zu machen.