Vernichtendes Zeugnis der Regierung: Bürger mit Defiziten
Seite 2: Demokratie von oben
Im Bestreben, die Bürger vor 'demokratiegefährdenden' Ansichten bestmöglich abzuschirmen, lanciert das Demokratiefördergesetz eine heftige Attacke auf die Meinungsfreiheit.
Im Gesetzentwurf wird deutlich, dass es der Bundesregierung in erster Linie darum geht, Auffassungen und Meinungen abzuwehren, die etwa als rassistisch, extremistisch, leugnend, hassend oder hetzend gelten. Das wird jedoch verklausuliert, indem pauschalisierend von der Bekämpfung "demokratie- und menschenfeindlicher Phänomene" die Rede ist.
Mit dem Demokratiefördergesetz ist ein tiefer Eingriff in die Meinungsfreiheit geplant, denn es zielt darauf ab, Meinungen zu bekämpfen, die nicht in den Bereich von Straftaten fallen. Die Verbreitung rechtswidriger Inhalte wie zum Beispiel Volksverhetzung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten oder sogar tätliche Angriffe sind nämlich nicht Gegenstand des Demokratiefördergesetzes.
Diese strafrechtlich relevanten Äußerungen und Taten werden üblicherweise in erster Linie von staatlichen Organen verfolgt, geahndet und bestenfalls von diesen vereitelt.
Die demokratiefördernden Ambitionen der Bundesregierung liegen vielmehr darin, gewissermaßen das zivilgesellschaftliche Vorfeld zu bearbeiten. Bürger sollen durch Aufklärung resilienter werden und von gefährlichen Meinungen ferngehalten werden.
Schutz und Risiko: Meinungsfreiheit
Und hier liegt das zentrale Problem: Mit dem neuen Gesetz geht es ausschließlich um die Bekämpfung von Meinungen und Auffassungen, die unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Relevanz liegen und die aus gutem Grund vom Grundgesetz geschützt sind. Der grundgesetzliche Schutz der freien Meinungsäußerung wird durch das Demokratiefördergesetz, wie bereits seit 2017 durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), massiv untergraben.
Das deutsche Grundgesetz schützt, trotz einer Vielzahl von Einschränkungen, formal das Recht, eine Meinung frei und ungehindert zu äußern. Meinung gilt dabei als Aussage, der "ein Element der Stellungnahme" und "des Dafürhaltens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung" innewohnt, also ein subjektives Werturteil im Sinne von Stellungnahmen, Beurteilungen, Wertungen oder Auffassungen.
Auch Meinungen, die der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufen, werden durch die Meinungsfreiheit geschützt. Der Schutz der Meinungsfreiheit betrifft also auch Werturteile, die "extremistisch, rassistisch, antisemitisch oder in anderer Weise rechtswidrig oder menschenverachtend sind".
Die so definierte Meinungsfreiheit steht mit dem Demokratiefördergesetz zur Disposition, denn es zielt explizit auf die Verdrängung aller Phänomene, die als demokratie- oder menschenfeindlich eingestuft werden können. So wird staatlichen und als förderungswürdig erachteten zivilgesellschaftlichen Initiativen die Rolle eines Lautsprechers zugedacht.
Indem sie "die Stärkung und Förderung demokratischer Werte, demokratischer Kultur [und] demokratischen Bewusstseins" übernehmen, sollen "Hass und Hetze" weitestmöglich aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden.
So soll eine Zivilgesellschaft geschaffen werden, die regierungsfreundliche Meinungen und Haltungen vertritt und auf die sich Medien und Politik wiederum beziehen und referenzieren können.
Das Ergebnis ist eine staatlich sanktionierte Meinungsblase, die die öffentliche Meinung immer stärker prägt und dominiert. Für schädlich gehaltene Auffassungen werden aus dem öffentlichen Raum verdrängt und an dessen Ränder verbannt.
Der suspekt gewordene Bürger wird schleichend seines demokratischen Einflusses beraubt, indem das institutionelle Gefüge der wehrhaften Demokratie immer weiter in den öffentlichen Raum hinein ausgebaut wird.