Verteidigungsfähigkeit Deutschlands - mangelhaft

Leopard-2-Panzer der Bundeswehr. Foto: Sicherheitsoffizier ALÜ. Lizenz: Public Domain

Gastkommentar von Uwe Lampe, Oberstleutnant d.R.

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Vorbemerkung

Ich mahne eine massive Vernachlässigung der im Grundgesetz verankerten Verteidigungsfähigkeit Deutschlands an. Im Folgenden werde ich mich der Frage widmen, warum die Bundesrepublik Deutschland eine Armee benötigt die im Ernstfall die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland schützen kann.

Sicherheitspolitische Instabilität - Ansatz einer Lagefeststellung

Erstmals nach Beendigung des sogenannten Kalten Krieges befinden wir uns in einer gefährlichen Konfliktsituation zwischen den ehemaligen Supermächten. Die Annexion der Krim durch Russland stellt ein völkerrechtlich schwerwiegendes Problem dar. Erstmals nach dem 2. Weltkrieg, sind durch eine Großmacht Ländergrenzen verschoben worden. Immerhin hat Russland gegen die UN-Charta von 1945, die KSZE-Schlussakte von 1975, die Charta von Paris, dem Budapester Memorandum und die Prinzipien des NATO-Russlandrates eklatant verstoßen. Ob die vom Westen verhängten wirtschaftlichen Sanktionen den erhofften Erfolg zeigen werden, steht dahin.

Zusätzlich wird die Ukraine durch offene und verdeckte Kriegsführung durch Russland destabilisiert. Die politische Absicht Russlands den eigenen Einfluss in der Ukraine zu erhalten und auszubauen ist unverkennbar. Dem geschichtlichen Bezug der Dreiheit russischer Völker Großrussen-Weißrussen und Ukrainer, gerecht zu werden entspricht Putins Politikverständnis. Das ist Machtpolitik pur.

Es ist zwar richtig, dass es nur noch die amerikanische Supermacht gibt, aber Russland rüstet konventionell massiv auf. Wer von den beiden Großmächten die effektiveren, bzw. zerstörerischen Waffensysteme sein eigen nennt, möchte ich nicht im scharfen Test erleben. Veröffentlichte Geheimdienstinformationen dienen eher der gelenkten Propaganda. Hier denke ich an die verheerende Begründung für den amerikanisch geführten Kampfeinsatz im Irakkrieg durch den amerikanischen Außenminister.

Die beiderseitige nukleare Abschreckungsfähigkeit der USA und Russlands ist unbestritten hoch. Die Fähigkeit, sich mehrfach gegenseitig in der Substanz zu vernichten, ist nach wie vor gegeben. Somit ist der Satz der beiderseitigen Abschreckung immer noch gültig. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass keine Seite ein Interesse an einem nuklearen Kräftemessen hegen wird, zu unüberschaubar wären die Folgen, käme es zu einem tatsächlichen Gebrauch.

Putin und Trump

Putin

Um so mehr ist dann die konventionelle Aufrüstung Russlands bemerkenswert. Seit Jahren modernisiert Russland seine Armee. Eine einheitlich geführte Streitmacht mit über 766.000 Soldaten, 15.400 Panzern und 3.500 Kampfflugzeugen ist nicht nur zur Verteidigung fähig. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass allein die Auffüllung der Personalstärke Russlands noch grenzenlos wäre.

Wenn auch der amerikanische Präsident von einer russischen Regionalmacht spricht, bezieht sich dies wohl eher auf die ökonomische Situation der großen Landmasse Russland. Das Nichtvorhandensein einer umfänglichen Wirtschaft und die einseitige Abhängigkeit von Öl und Gasexporten machen Russland verletzlich. Solange der weltweite Ölpreis so tief angesiedelt ist, befindet sich Russland in einer ökönomischen Abstiegsspirale, aus der zu entrinnen erheblicher Anstrengungen bedarf.

Betrachtet man nun die Machtvollkommenheit des derzeitigen russischen Präsidenten und sieht sich an, wie er damit umgeht, dann ist das mehr als besorgniserregend. Die zarten demokratischen Signale in Russland gehören wohl der Vergangenheit an. Wer dem System widerspricht, findet sich bestenfalls im Gefängnis wieder. Der Lebensstandard der Bevölkerung sinkt. Gleichwohl wird Putin noch von großen Teilen des Volkes unterstützt, weil er es vermag, dem Nationalstolz ein Gesicht zu geben.

Nur währt so etwas nicht unablässig. Hier besteht die derzeitige große Gefahr, dass Putin von den eigenen Problemen ablenken will und sein Heil bei den ausgemachten Feinden des Reiches sucht, wozu auch die Bundesrepublik Deutschland gehören könnte. Seit Jahren wird in der russischen Propaganda des staatlich gelenkten Medienimperiums Stimmung gegen den Westen betrieben. In der Gesamtbetrachtung stellt sich hier eine ganz unbehagliche Gemengelage dar, denn ein Getriebener hat noch selten rational nachvollziehbare Entscheidungen getroffen. Die Hemmschwelle zum kalkulierten Waffengang darf nicht noch tiefer sinken.

Trump

Amerika im Jetzt und Heute stellt für mich nicht mehr die Verlässlichkeit des sogenannten Weltpolizisten dar. Aktuell will ich mir nicht ausmalen, was passiert wenn ein Herr Trump Präsident der Vereinigten Staaten wird. Es ist schon schwer verdaulich, dass er es überhaupt im Wahlkampf so weit gebracht hat. Allerdings ist hier wohl auch die Angst vor sozialem Abstieg ein wesentlicher Faktor der Begründung. Aber auch die jetzige Politik der USA lassen sicherheitspolitische Fragezeichen aufkommen. Wie steht es mit der Absicht, Europa unter allen Umständen auch mit Waffengewalt verteidigen zu wollen? Würden die Amerikaner heute noch, ohne großes Zögern, ihr eigenes Überleben mit dem der Europäer verknüpfen? Wie weit ist die Ausrichtung der USA zugunsten des pazifischen Raumes schon geschritten um hier Kräfteverschiebungen annehmen zu müssen? Die gelebte Absicht der USA, sich nicht mehr an jedem Krieg zu beteiligen, muss sich unmittelbar auch auf die NATO- Strategie auswirken.

Der Syrienkonflikt, verbunden mit der systematischen Ausrottung des eigenen Volkes, stellt seit über fünf Jahren leider kein gutes Zeugnis für alle übrigen Akteure aus. Keiner hat es hier vermocht dem Schlächter in Damaskus Einhalt zu gebieten. Der schlimme Zustand von Stellvertreterkriegen hat immer noch seine tagespolitische Aktualität.

Gewaltoffene Räume, China und Europa

Gewaltoffene Räume

Die Russen unterstützen offen den syrischen Diktator. Die USA haben hauptsächlich die Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staates im Visier. Da die beiden Großmächte Russland und USA hier aber aus den vergangenen Kriegen gelernt haben, beteiligen sie sich überwiegend nur aus der Luft an Gefechten, wohl wissend, dass man dadurch keinen Krieg gewinnen kann! Am Ende sind überall die Zivilisten Opfer dieser perfiden Ränkespiele der einzelnen Staaten.

Auch vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass wir nun auch im wirtschaftlich gesegneten Westeuropa die Menschen ohne Lebensperspektive vor unserer Tür haben. Es ist absehbar, dass sich dieser Zustrom noch verstärken wird - und zwar aus allen Teilen der Welt, wo Unfreiheit, Hunger und Perspektivlosigkeit herrschen. Absehbar ist auch, dass die wohlhabenden Staaten letztendlich wieder Zäune errichten, um den ungezügelten Zustrom Einhalt zu gebieten, allerdings auf Kosten der Humanität.

Auch die Situation in Afrika ist hier nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes bemerkenswert. Insgesamt ist eine Reduzierung der Entwicklungshilfe festzustellen und eine geringere Bereitschaft zugunsten stabiler Verhältnisse in den 54 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union. Der Dreikampf um Afrika zwischen den USA, der Europäischen Gemeinschaft und China hat zu mehr gewaltoffenen Räumen und mehr Kindersoldaten geführt als zuvor! Das geflügelte Wort: "Wir Europäer haben die Uhren - den Afrikanern gehört die Zeit" kann uns noch mal schwer zu schaffen machen, zumal Afrika insgesamt einen Bevölkerungszuwachs von 4 % zeitigt.

China

Bei dieser globalen Lagefeststellung muss auch noch die Rolle Chinas mit einer seit Jahren einzigartigen militärischen Aufrüstung betrachtet werden. Die wirtschaftliche Potenz Chinas und der Expansionswillen auch in westliche Wirtschaftsräume hineinragend, ist ungebremst. Unsere Demokratiebeschwörungen gegenüber China sind schon fast lächerlich - suchen wir doch die Kooperation auf fast jedem Gebiet der Zusammenarbeit. Ob wir dabei immer unsere eigene Nachhaltigkeit im Auge haben, wage ich zu bezweifeln. (Beispiel: Blaupausen für Technologie).

Die wachsende Stärke Chinas können die Anrainerstaaten seit ein paar Jahren im Streit um kleine Inselgruppen im Südchinesischen Meer erleben. Hier geht es vordergründig um Winzigkeiten, in Wirklichkeit geht es um die Ausbeutung der Meeresschätze. Nach dem internationalen Seerecht hat ein Felsen einen Umkreis von 12 Seemeilen und eine Insel von 200 Seemeilen. Schaut man sich die Karte genauer an,stellt man fest, dass hier ein gewaltiger Territorialzuwachs entstehen würde. Nicht von ungefähr arbeiten die Japaner an einer Verfassungsänderung, in der sie wieder Streitkräfte aufstellen dürfen.

Eine globale Einschätzung des Jahres 2050, nachdem dann die weltweiten Hauptakteure die USA und China sein werden, würde ich nicht widersprechen wollen. Auf einen weltpolitischen Aspekt übertragen hieße dies, das Mittelmeer ist die Vergangenheit, der Atlantik die Gegenwart und der Pazifik das Meer der Zukunft.

Europa

Wenn dies alles Realität werden würde, gilt es schon heute, die sicherheitsbezogene Politik auch und gerade in Mitteleuropa neu auszurichten. In Westeuropa leben ca. 500 Millionen Menschen, wenn hier eine grundsätzliche Einigkeit gegeben wäre, könnten wir getrost der Zukunft entgegen blicken.

In Deutschland und vielen EU-Staaten verschließen wir uns der neuen sicherheitspolitschen Herausforderungen. Können wir uns aber auf alle NATO-Partner noch so verlassen, wie wir uns es versprochen haben? Die Rolle der USA habe ich schon angesprochen, hier ist allerdings noch zu berücksichtigen, dass sich die Amerikaner nach dem Kalten Krieg massiv aus Europa verabschiedet haben. Mit jetzt ein paar neuen Kräften in Brigadestärke im Baltischen Raum ist zumindest annähernd kein Gleichstand zur Aufrüstung Russlands entstanden.

Die schleichende Erosion innerhalb der Europäischen Gemeinschaft muss uns auch strategisch zu denken geben. Die aktuelle Auseinandersetzung mit der Türkei ist mehrfach gefährlich. Einerseits hat der machthungrige türkische Präsident Erdoğan angefangen, aktiv gegen die Kurden im eigenen Land vorzugehen, und andererseits verlässt er mit seinem Tun rechtsstaatliche Prinzipien. Zusätzlich versucht er noch die türkischstämmigen deutschen Mitbürger für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Als NATO-Partner erscheint mir jedenfalls die heutige Türkei als sicherheits- und partnerschaftlich problematisch.

Unter all diesen Aspekten zwingt sich mir eine Neubewertung der gegenseitigen Beistandsvereinbarungen auf. Denn keineswegs würde z.B. ein verdeckter oder offener Angriff Russlands gegenüber den Baltischen Staaten automatisch den gemeinsamen Waffengang zur Folge haben. Der NATO-Vertrag lässt durchaus auch andere Möglichkeiten zu. Der grundsätzlichen Einschätzung, dass die Menschen nicht friedvoller durch Einsicht geworden sind, darf ich mich als Staat nicht entziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns als Bundesrepublik Deutschland auch wehrhaft und somit verteidigungsfähig halten müssen, dürfen wir nicht einem friedlichen Wunschdenken opfern.

Bundeswehr - bedingt verteidigungsfähig

In den 1980er Jahren hatte die Bundeswehr einen Gesamtumfang von 495.000 Soldaten. Heute beträgt die Gesamtstärke 176.000 Soldaten. Dem Heer stehen 59.000, der Luftwaffe 29.000 und der Marine 16.000 Soldaten zur Verfügung.

Damals war auch noch der Heimatschutz, im sogenannten Territorialheer so geregelt, dass 450.000 Soldaten sofort nach der Mobilmachung in ihren Verbänden/Einheiten hätten eingesetzt werden können. Alle Soldaten/Reservisten hatten somit auch eine zugewiesene Waffe. Damit wurde erreicht, dass die aktive Truppe unmittelbar an der Landesgrenze eingesetzt worden wäre und das Territorialheer weitere Schutzaufgaben und natürlich auch den Personalersatz darstellen sollte.

Abgerüstet

Ferner unterstützten uns auf dem Territorium der Bundesrepublik unsere verbündeten Staaten, Amerika, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Niederlande und Belgien mit Soldaten, Waffen und Gerät. 2006 waren insgesamt 98.000 Soldaten, aktuell sind es noch 40.000 Soldaten, davon sind 35.000 US-Amerikaner auf deutschen Boden stationiert.

Am Beispiel der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr wird besonders deutlich, wie im Vergleich der Kräfteansatz zu sehen ist, aus Vereinfachungsgründen beschränke ich mich nur auf die Systeme der Kampf- und der Kampfunterstützungswaffensysteme: In den 80er Jahren gab es 2.700 Kampfpanzer Leopard, 1.800 Schützenpanzer Marder, 594 Artilleriegeschütze/Haubitzen und 2.500 Raketenwerfer. 2016 hat sich dieses Arsenal auf 244 Kampfpanzer Leopard, 391 Schützenpanzer Marder, 124 Artilleriegeschütze/Haubitzen und 41 Raketenwerfer verringert. Dafür gibt es heute 38 Puma, die damals nicht zur Verfügung standen.

Selbstverständlich haben sich in der Zwischenzeit Leistungsmerkmale verändert, jedoch sind die grundsätzlichen Waffenwirkungsmöglichkeiten immer durchschlagend.

Für den nichtausgebildeten Soldaten veranschauliche ich einen denkbaren Kriegsausschnitt einer Landesverteidigung.

Zu Zeiten des Kalten Krieges hatten wir über 55 Panzergrenadierbataillone mit bis zu 1.000 Soldaten. Dazu gehörten 52 Schützenpanzer Marder und 5 Mörsergeschütze. Der Marder ist das Gefechtsfahrzeug der Panzergrenadiere und kann gegen feindliche Infanterie ( Fußsoldaten ) und bedingt gegen Kampfpanzer wirken. Mörser verschießen Artilleriegeschosse, überwiegend gegen infanteristischen Feind.

Verschiedene Waffen-Systeme komplettierten den militärischen Umfang, dazu gehören Panzerfäuste, Maschinengewehre, Sturmgewehre, Maschinenpistolen und Pistolen. In der Regel wurde ein solches Grenadierbataillon auf einer Geländebreite von 5.000 Metern, in der Verteidigung, eingesetzt. ( Norddeutsche Tiefebene )

Heute hat die Bundeswehr noch ca. sieben dieser Panzergrenadierbataillone. Gestern wie heute hat z.B. die russische Armee eine Vielzahl von ebenbürtigen Waffensystemen parat und eine Strategie, wie sie diese z.B. auf deutschen Boden einsetzen könnte!

Da Deutschland auf das verlorene Großgerät (überwiegend verkauft) nicht mehr zurückgreifen kann, wäre nach einem Kräftevergleich, z.B. mit der russischen und weißrussischen Armee eine Landesverteidigung nur sehr eingeschränkt möglich. Schon zu Zeiten des Kalten Krieges wussten die militärisch Verantwortlichen, dass im damaligen Szenario Bundeswehr und unsere verbündeten NATO-Staaten nur wenige Tage die Bundesrepublik wirksam hätten verteidigen können.

Folgerungen

Aus all dem Gesagten ergeben sich gravierende Änderungen der kurz-, mittel- und langfristigen Bedrohungsanalyse. Die Annahme nach dem Kalten Krieg, wir würden auf eine friedvollere Welt zusteuern, ist leider unrealistisch und folglich auch gefährlich!

Ein bloßer Kräftevergleich von Armeen wird einer realistischen Betrachtung nicht gerecht. Heute müssen wir uns mehr denn je mit unkalkulierbaren Machtpolitikern, die ihre jeweiligen Länder, beherrschen (Putin, Erdoğan, Assad u.a.) auseinandersetzen. Allein die Möglichkeit von Kurzschlusshandlungen, Missverständnissen oder Gesichtsverlust können zu schwerwiegenden Konflikten führen. Erstens spreche ich den genannten Politikern Demokratieverständnis ab und zweitens müssen sie derzeit keine Rücksicht auf ihre eigenen Volksvertreter nehmen.

Die Schere zwischen arm und reich auf der Welt wird uns zunehmend Probleme bereiten, die ersten Flüchtlingsströme sehen wir schon. Die Tatsache, dass 800 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser haben, lässt erahnen, was noch alles zu bedenken ist.

In der Summe sollte auch bei uns in Deutschland die Erkenntnis reifen, die Möglichkeit der Landesverteidigung wieder stärker ins Visier zu nehmen. Nachdem wir alle Strukturen nachhaltig abgebaut haben, ist es jetzt an der Zeit, wieder eine kampfkräftige Bundeswehr aufzubauen. Wer hier Säbelrasseln vermutet, hat den Kern von seriöser Sicherheitsvorsorge nicht verstanden. Ehe wir wieder eine wirksame Landesverteidigung aufgebaut haben, vergehen ohnehin Jahre.

Unsere Auslandseinsätze der Bundeswehr sollten wir gesamtgesellschaftlich hinterfragen. Nachdem ich selbst, in verantwortlicher Position, im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina und in Afghanistan als Soldat eingesetzt war, stehe ich heute unseren Militärbeteiligungen im Ausland äußerst kritisch gegenüber.

Sich allein auf unsere heutigen NATO-Partner zu verlassen, ist keine verantwortungsvolle Lösung. Die Amerikaner fordern zu recht, dass wir unseren militärischen Beitrag deutlich steigern müssen. Die derzeitige Europamüdigkeit ist auch kein gutes Zeichen für ein starkes Zusammenhalten von NATO und EU.

Eine Dienstpflicht für alle jungen Menschen in Militär oder sozialen Bereichen einzurichten, wäre durchaus ein Signal in die richtige Richtung. Auch damit würden wir die Einbettung der Soldatinnen und Soldaten in die Gesellschaft wieder deutlich verbessern.

Vielleicht brauchen wir nicht mehr den Umfang an Soldaten, Waffen und Gerät wie in den 1990er Jahren. Aber Modelle der Verfügbarkeit in Reserve und schnellem Aufwuchs sollten vor dem Hintergrund der aktuellen außenpolitschen Entwicklungen wesentlicher Bestandteil einer nötigen Strategie sein. Das neue Weißbuch der Bundeswehr ist eher eine Werbeschrift der Bundeswehr in pathetisch politischer Prosa. Die Möglichkeit, sich im Verteidigungsfall auch wehrhaft verteidigen zu können, muss wieder selbstverständlicher Teil des Staatswesens sein!

Zum Verfasser: Uwe Lampe war vier Jahre Kommandeur eines nicht aktiven Panzergrenadierbataillons, Berater an der Deutschen Botschaft in Kabul (auch zu Sicherheitsfragen) und stellvertretender Beauftragter für Sicherheitspolitik der Landesgruppe Niedersachsen des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr. Weitere Gedanken von ihm finden Sie unter anderem in Ute Susanne Werners Kriegsheimkehrerbuch und in seinen Internet-Kriegstagebüchern Erfahrungen aus 13 Monaten Balkan und Hindukusch, Afghanistaneinsatz - Nicht Fisch und nicht Fleisch und Der Deutsche Afghanistaneinsatz muss jetzt eine Ende haben.

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