Vertuschung 2.0: Im Fall Amri erlebt man dieselben Methoden wie beim NSU-Skandal

Seite 2: Wenn Videos "nicht nicht vorhanden" sind

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Es nützt wenig, das Zeugenverhalten wird noch verwerflicher. In einem der Zwischenberichte der Task Force "Lupe" steht zu lesen, zwei Videos von Amri seien nicht mehr in Berlin vorhanden, sondern lägen beim Bundeskriminalamt (BKA). Eines zeigt den Tunesier nach der Tat am Bahnhof Zoo mit gestrecktem Zeigefinger, was die Bundesanwaltschaft als Tatbekennung wertet, das andere in einem Lokal zusammen mit seinem Bekannten Bilal B.

Als der Abgeordnete Niklas Schrader (Linke) etwas später überrascht nachfragt, wie es sein kann, dass digitale Videos nicht mehr vorhanden sind, korrigiert sich Golcher. Das sei ein Fehler im Bericht, die zwei Videos seien - wörtlich - "nicht nicht vorhanden", sondern immer noch in Berlin. "Wo?", fragt der Abgeordnete und erhält die vage Antwort: "Beim LKA."

Damit ist nicht nur auf den Zeugen ein Zwielicht geworfen, sondern auch auf die sogenannten Zwischenberichte der Task Force. Die Abgeordnete Canan Bayram interessiert, ob es Erkenntnisse gibt, die nicht in den Berichten auftauchen, und Dennis Golcher antwortet: "Ich bin nicht zensiert worden. Es gibt keinen Bericht, in dem ich auf Wunsch des Polizeipräsidenten etwas rausstreichen sollte." Jedoch: Zugleich erklärt er, dass er "täglich" dem Polizeipräsidenten über die Arbeit der Task Force berichte. Die schriftlichen Berichte seien nur "die Zusammenfassung" - im Klartext: Was mündlich zwischen den beiden hohen Polizeibeamten ausgetauscht wird, ist mehr als das, was schriftlich festgehalten wird.

Doppelte Aufarbeitung des Falles Amri in der Berliner Polizei: Doch worin unterscheidet sich die Arbeit der Task Force von der der Nachbearbeitungskommission? Die Überraschung ist groß: Obwohl dem Task Force-Verantwortlichen der "Nakom"-Bericht angeboten wurde, habe er ihn nicht verwendet, er kenne ihn nicht einmal. "Ich hab ihn nicht gelesen", so Golcher.

Wie ernsthaft wird die Aufklärung der Morde vom Breitscheidplatz betrieben? Bisher trifft man auf einen Polizeiapparat und einen Innensenator, die Zement anrühren. Ein Schauspiel vor den Augen und Ohren zweier Opfern des Anschlages, die die Sitzung in Berlin verfolgten.

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