Verwanzte Synchronisation

Bei Futurama fehlt der Debugger

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Nachdem am Montag die erste Folge der lange erwarteten Serie Futurama in Deutschland ausgestrahlt wurde, brach in den Futurama-Diskussionsforen, ein Proteststurm ob der Qualität der Synchronisation los. Noch am Montag sollen 300 Beschwerdemails bei Pro7 eingegangen sein. Die Fehler in der Übersetzung übertrafen die Befürchtungen vieler Fans.

Wer sich dafür interessiert, warum aus diesem Artikel die Illustrationen verschwunden sind, findet am Schluss des Artikels eine Erläuterung.

So wurde z.B. "Debugger" - völlig aus dem Kontext gerissen - mit "Entwanzer" übersetzt. Daneben beklagte man unpassende Stimmen für die Charaktere. Die bisherigen Zuschauerreaktionen lassen vermuten, dass der Marktanteil von etwa 10% (2,65 Millionen Zuschauer) bei der ersten Folge zukünftig erheblich sinken wird.

In manchen Staaten gab es bis in die 80er Jahre Ersatzprodukte für Genussmittel wie Kaffee und Schokolade. Als zunehmend Menschen mit den qualitativ hochwertigeren Originalen solcher Produkte in Berührung kamen, hatten die Hersteller und Vertreiber der Ersatzprodukte ein Problem. So geht es jetzt deutschen Fernsehsendern wie RTL oder Pro7: Anders als noch in den 80er Jahren, in denen viele Zuschauer die Qualität der Synchronfassungen aufgrund des mangelnden Zugangs zu den Originalfassungen schwer beurteilen und sich manchmal nur wundern konnten, warum Serien in den USA oder in Großbritannien Erfolge wurden, lässt sich eine Generation, die sowohl die Vorzüge von digitalem Datentransport als auch von Englischunterricht kennen lernen durfte, weniger leicht mit Ersatzprodukten abspeisen.

Zuschauerbedürfnisse werden vom "Markt" der Fernsehanstalten und Ouotenermittlungsgeräte nur mangelhaft befriedigt. Die zur Quotenermittlung eingesetzten Verfahren sind nicht repräsentativ, sondern vielmehr schlichte Glaubenssysteme, die nur funktionieren, weil sich sowohl Fernsehanstalten als auch Werbekunden daran halten. Diese Glaubenssysteme werden deshalb selten in Frage gestellt, weil bisher niemand eine vergleichbar große Datenerhebung anstellt. Videorecorder und vor allem das Netz brachte in Verbindung mit digitalen Multimedia-Formaten hier einen erheblichen Freiheitsfortschritt für den Konsumenten. Sendungen, die von den deutschen Fernsehsendern nicht gezeigt werden, z. B. "Da Ali G Show", "Shin Seiki Evangelion", "Card Captor Sakura" oder "Cowboy Bebop" sind in digitaler Form bei entsprechend intensiver Suche im Netz zu finden.

Das Usenet bietet hier meist eine größere Auswahl als das Web, obwohl viele Newsserver *.bin-Newsgroups ausgesperrt haben. Auch die Unsitte, Serien in der deutschen Fassung mit anderer Musik zu versehen, wie sie etwa bei "Sailor Moon" von RTL2 praktiziert wird, kommt durch die Verfügbarkeit der Originalfassungen schnell ans Licht. Lediglich bei Serien aus den Zeiten vor der Massenverbreitung des Videorecorders, die von den Fernsehanstalten nicht wiederholt werden, wie etwa "Die Rebellen von Liang Shan Po" oder "Die Shadoks", bestehen noch Verfügbarkeitsdefizite. Obwohl auch hier einiges in Bewegung kommt.

Medienkonzerne versuchen diese größere Konsumentenkompetenz mittels immer schärferer Copyright- bzw. Urheberrechtsgesetze auszuhebeln. Lobbyarbeit in Parlamenten und die Schließung von Fanseiten durch Anwälte scheint weniger aufwendig als die Befriedigung von Konsumentenwünschen, etwa durch eine Beteiligung von Fans im Vorfeld.

Im Gegensatz zum Internet brachte das Privatfernsehen in Deutschland nicht wirklich mehr Freiheit für den Konsumenten. Serien wie "Red Dwarf" und "Blake's 7" erschienen auch weiterhin nicht auf deutschen Bildschirmen. Eher war das Gegenteil der Fall: RTL und andere Sender zwangen in Süddeutschland das österreichische Fernsehen (ORF 1) aus dem Kabel, weil der Sender durch ein besseres Angebot mit weniger Werbung zur unerwünschten Konkurrenz wurde.

Dabei sitzen die Verantwortlichen für das Synchronisationsproblem gar nicht bei Pro7. Der zur Kirch-Gruppe gehörige Sender ist gezwungen, seine Serien fertig von Kirchs Einkaufsfirma Beta-Taurus zu übernehmen. Die dort Verantwortliche Frau Barrera-Vidal ist ungefähr Mitte sechzig und steht offensichtlich auf dem Standpunkt, dass die Synchronisation ziemlich egal sei, weil die Leute sich amerikanische Erfolgsserien ohnehin ansehen würden. Und so wird das von Beta-Taurus gekaufte Material im eigenen Haus unter der Ägide eines Herrn Ivar Combrinck, der Gerüchten nach nur wenig Englisch kann, synchronisiert.

Diese Synchronabteilung der Kirch-Gruppe scheint der Auffassung zu sein, dass die Displayanzeige "1000 Years" unbedingt von einem Sprecher aus dem Off erklärt werden muss. Ein derartiges Misstrauen in die Englischkenntnisse der Zuschauer verwundert spätestens dann nicht mehr, wenn die Sätze berücksichtigt werden, die vom Synchronisationsteam nicht verstanden wurden: Als Leela bis fünf zählen will, um Fry eine Frist zu stellen, sagt sie in der synchronisierten Fassung: "Du musst den Timer auf fünf Minuten stellen, um mich hier rauszulassen". Andere Fehler lassen die Frage aufkommen, ob die Mitarbeiter der Kirch-Synchronabteilung während der Arbeit überhaupt nüchtern sind. Wie kommt man sonst von "Cryogenics" auf "Genetik"? Selbst ein kostenloses Übersetzungsprogramm wie Babelfish erzielt hier bessere Ergebnisse als das Kirch-Team.

Obwohl es auch Beispiele für relativ gelungene Synchronfassungen wie etwa "Die Nanny" oder den Spezialfall der Serie "Die Zwei" gibt, bei der die Synchronfassung lustiger ist als das Original, wird die Ausschließlichkeit von Synchronfassungen im deutschen Fernsehen zunehmend als Problem empfunden. Die Bearbeitung mittels Synchronsprechern hatte einmal ihre Berechtigung, als ein Großteil der Fernsehzuschauer keinen oder nur unzureichenden Englischunterricht genossen hatte. Mittlerweile ziehen aber auch viele deutsche Fernsehzuschauer das z. B. in Schweden übliche Untertitelungssystem der in Deutschland üblichen Synchronisationstradition vor.

Über die Alternative Zweikanalton waren von Pro7 unterschiedliche Stellungnahmen zu hören: Eine Stelle ließ verlautbaren, dass die technischen Voraussetzungen dazu fehlen würden, eine andere, dass dafür eine neue Sendelizenz erworben werden müsste, die noch einmal den Preis der synchronisierten Fassung kosten würde.

Nachbemerkung vom 8.9.2000

Als schwierig hat es sich herausgestellt, diesen Artikel mit zwei Bildern zu illustrieren, was anfangs geschehen ist. Doch kurz nach Erscheinen meldete sich Pro7 mit einer Mail, in der Telepolis aufgefordert wurde, die Bilder wieder zu entfernen:

"... ich darf Sie höflich bitten, die in Ihrem Artikel verwendeten Bilder, die Sie nachweislich von der offiziellen Seite: http://www.prosieben.de/futurama entnommen haben, wieder zu entfernen. Generell habe ich nichts gegen den Download von Bildern, diese allerdings auf kommerzielle Web Sites zu stellen geht zu weit, und verstoßt auch massiv gegen die uns auferlegten Lizenzauflagen."

Auf Anfrage, ob es nicht Pressebilder gebe, kam die Antwort:

"Sie können sich an unsere Presseabteilung ... wenden, um eventuell Bilder von Futurama zu bekommen. Dadurch ist das Problem aber nicht ganz gelöst. Um "Artwork" von Matt Groening legeal im Internet zu präsentieren bedarf es folgende Auflagen: Die Website muss absolut werbeifrei sein, die Seite muss mit dem Copyright von Fox versehen sein (s. http://www.prosieben.de/futurama), ebenso die Unterschrift von Matt Groening auf jedem Bild. Das sind die Prämissen."

Es ist also ganz schön schwierig, Bilder für einen Artikel zu erhalten. Das wirft möglicherweise ein Licht darauf, wie die Zukunft des Copyright aussehen könnte. Telepolis hat allerdings unter diesen Umständen verzichtet ...

Florian Rötzer