Viruswaarheid: Niederländischer "Querdenker" in Untersuchungshaft
Seite 3: Eskalation
Nach den Problemen in der Finanzwelt bekam es Willem Engel nun aber auch mit der Strafjustiz zu tun: Am 16. März wurde er in Rotterdam verhaftet, vor der laufenden Kamera seiner Freundin. Der Hauptvorwurf ist "Aufwiegelei", ein Straftatbestand aus dem 19. Jahrhundert. Darauf stehen bis zu drei Jahre Gefängnisstrafe, in einem terroristischen Kontext bis zu vier Jahre.
Zwei Tage später bestimmte das Gericht in Rotterdam, dass der Aktivist – wegen Wiederholungsgefahr – für zwei weitere Wochen in Untersuchungshaft bleiben musste. Der Vorwurf richtet sich konkret gegen das Verbreiten von Mitteilungen in sozialen Medien, die die Gesundheit und Sicherheit anderer Personen in Gefahr gebracht hätten.
Die Staatsanwaltschaft will für den Zeitraum vom Juni 2020 bis Dezember 2021 sieben aufwiegelnde Nachrichten identifiziert haben, unter anderem auf Twitter. Die Untersuchung laufe aber noch.
Anfang August 2021 hatte Engel beispielsweise seine Anhänger dazu aufgerufen, Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes beim Impfen zu fotografieren, damit sie in ein paar Jahren vor Gericht gestellt werden könnten.
Bei einem Impfbus in Lekkerkerk in der Nähe Rotterdams fühlten sich die Mitarbeiter von einer filmenden Gruppe dann bedroht und riefen die Polizei. Der zuständige Gesundheitsdienst erstattete Anzeige gegen Engel.
Am 9. Januar veröffentlichte der Aktivist dann die Privatadresse der Vizepremierministerin und Finanzministerin Sigrid Kaag auf seinem Twitter-Account. Engel löschte diesen Tweet zwar noch am selben Tag und meinte, es sei kein Aufruf zur Gewalt oder Bedrohung gewesen.
Die Ministerin erstattete trotzdem Anzeige. Am 11. Januar blockierte Twitter vorübergehend zwei Konten des Aktivisten wegen Verstoßes gegen die Communityrichtlinien.
Neben Aufwiegelung ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen der Verbreitung von medizinischer Fehlinformation, Betrugs, Bedrohung sowie Äußerungen mit terroristischer Absicht. Der Anzeige schlossen sich bisher über 22.000 Bürgerinnen und Bürger an.
Natürlich gilt für Engel die Unschuldsvermutung. In dem Strafverfahren wird es auch um die Grenzen der Meinungsfreiheit gehen. Am vergangenen Mittwoch wurde er unter der Auflage aus der Untersuchungshaft entlassen, sich vorläufig von sozialen Medien fernzuhalten.
Sein Anwalt – Jeroen Pols – stellte umgehend Berufung gegen die seiner Meinung nach "unakzeptable" Auflage in Aussicht. Sein Mandant habe keine Straftat begangen. Daher gebe es auch keine Grundlage für die Einschränkung seiner Meinungsfreiheit. In Engels vorherigen Äußerungen fänden sich insbesondere keine Anzeichen der Aufwiegelung.