Visegrád-Anschluss, CETA-Befragung und Facebook-Zensur

Seite 2: Wird Visegrád zum Habsburgerblock?

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Vorschläge und Forderungen - die kostengünstigste Form von Wahlkampf - kommen derweilen aus allen Parteien: Der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache nahm beispielsweise einen Vorschlag des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman auf, der gemeint hatte, er sehe Norbert Hofer auf einer Linie mit ihm und seinen Amtskollegen in den anderen Visegrád-Staaten Polen, Ungarn, und Slowakei. Österreich, so Strache zur Tiroler Tageszeitung, sollte einen Aufnahmeantrag in diese Länderfraktion stellen, weil eine solcherart "gestärkte Visegrád-Gruppe" ein stärkerer "Gegenpol zu Angela Merkel" wäre und die Chance einer Reform der EU" erhöhe: "Bislang", so Strache, "werden in der EU zwischen Deutschland und Frankreich irgendwelche Abmachungen getroffen, die alle anderen dann schlucken müssen".

Dieser Gegenpol nähme mit einer Aufnahme Österreichs zunehmend die Form des Habsburgerreiches an, das im 18. und 19. Jahrhundert ein Gegenpol zu Preußen war. Vor 150 Jahren war auch Bayern mit diesem Gegenpol verbündet, dann musste es nach einem verlorenen Krieg die Allianz wechseln und sich kurz darauf dem von Berlin beherrschten Deutschen Reich anschließen.

Auch Kern will Gegenpol zu Merkel schaffen

Einen Gegenpol zu Merkel will auch der SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern bilden - er sieht dazu allerdings weniger die Staaten des ehemaligen Habsburgerreiches als potenzielle Verbündete, sondern seine sozialdemokratischen Amtskollegen Matteo Renzi aus Italien und François Hollande aus Frankreich, mit denen er Merkels "Sparkurs" beenden möchte. Ob ihm Hollande nach der französischen Präsidentschaftswahl im Frühjahr noch als Verbündeter zur Verfügung steht, ist allerdings fraglich: In Umfragen schneidet er deutlich schlechter ab als Marine Le Pen und die Konkurrenten von den Republikanern. Matteo Renzi, dessen Sozialdemokraten durch Beppe Grillos M5S gefährdet sind, hat bereits die Notbremse gezogen und erklärt, er werde - anders als vorher in Aussicht gestellt - auch dann weiterregieren, wenn er das anstehende Verfassungsreferendum verliert (vgl. Widerruf eines Regierungschefs).

Heute hat Kern Merkel und Vertreter der Balkanroutenländer Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Mazedonien und Griechenland zu einem Migrationsgipfel in Wien eingeladen. Ob er Merkel dabei wesentliche Zugeständnisse abringen kann, die die deutsche Kanzlerin seit über einem Jahr verweigert, wird sich herausstellen.

SPÖ lässt CETA-Entscheidung trotz Mitgliederentscheid offen

Konfliktstoff mit Merkel ist auch das Freihandelsabkommen CETA: Während es die deutsche Regierungspartei SPD auf einem Parteikonvent und im Bundestag absegnete, ließ Kern im Internet die SPÖ-Mitglieder befragen, die den umstrittenen Vertrag mit 88 Prozent Mehrheit ablehnten. Auch die Österreicher insgesamt sind einer repräsentativen Erhebung im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) zufolge mit 73 Prozent klar dagegen. Ob Kern diese Meinungen auch nach der Bundespräsidentenwahl noch beherzigt, ist offen:

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der für den SPÖ-Koalitionspartner ÖVP im Kabinett sitzt, zeigte sich in der deutschen Tageszeitung Die Welt überzeugt, dass auch die Führung der österreichischen Sozialdemokraten CETA letztendlich absegnen wird. Das schließt auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler nicht aus, der meint, eine Zustimmung hänge von "Klarstellungen" der EU-Kommission ab. "Dann", so Niedermühlbichler, "könnte es schon sein, dass man sagt: Okay, dass reicht für uns, okay, wir blockieren es nicht".

Hofer-Wahlplakat

Allerdings könnte der österreichische Bundespräsident das Abkommen möglicherweise noch aufhalten: Hofer hat angekündigt, CETA erst nach einer Volksabstimmung zu unterschreiben, wenn er Bundespräsident wird. Van der Bellen dagegen hofft ebenso wie die SPÖ auf "Klarstellungen" und will den Vertrag lediglich mit Experten "evaluieren", bevor er unterschreibt.

Grüne verklagen Facebook und fordern weltweite Entfernung von "Hasspostings"

Die österreichischen Grünen schärfen derweilen ihr Profil als Verbotspartei, die "Hasspostings" aus dem Internet verschwinden lassen will: Dazu verklagen sie jetzt nicht mehr nur einzelne Facebook-Nutzer, sondern auch die für das Geschäft in Europa zuständige Facebook Ireland Limited wegen "übler Nachrede und Ehrenbeleidigung". Anlass dafür ist, dass eine Facebook-Nutzerin die Grünen-Vorsitzende Eva Glawischnig unter anderem als "korrupten Trampel" bezeichnete und Gerüchte über eine angebliche Krebserkrankung von Alexander van der Bellen verbreitete, die dieser bestreitet. Außerdem wollen die Grünen, dass Facebook Inhalte nicht nur für österreichische IP-Nummern sperrt, sondern weltweit löscht, und mehr Nutzerdaten als bislang herausgibt, damit die Partei weitere Personen verklagen kann.

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