Vogelgrippe durch H5N1-Virus: Beträgt die Todesrate bei Menschen wirklich 52 Prozent?
WHO und Medien geben schockierende Zahlen an. Was es damit auf sich hat und warum die US-Gesundheitsbehörde mehr Tests empfiehlt.
Eine Zahl, die gerade in mehreren Medienberichten über das Vogelgrippevirus H5N1 auftaucht, kann durchaus für Panik sorgen, falls durch weitere Mutationen eine Übertragung von Mensch zu Mensch möglich wird: In den letzten 20 Jahren soll das Virus mehr als die Hälfte der Menschen getötet haben, die sich bei Tieren angesteckt hatten.
463 Tote unter 889 Infizierten weltweit im Zeitraum von 2003 bis zum 1. April 2024 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfasst – eine erschreckende Todesrate von rund 52 Prozent.
Das erklärt die Besorgnis der WHO, die auf den "Worst Case" einer Pandemie mit aggressiveren Erregern als dem Coronavirus vorbereitet sein muss – allerdings bezieht sich diese Zahl nur auf erwiesene Infektionen mit H5N1. Mildere Verläufe könnten mit anderen grippeähnlichen Infekten verwechselt worden oder unbemerkt geblieben sein.
Mehr Tests nötig, um H5N1 realistisch einzuschätzen
Für ein realistisches Bild müssten viel mehr Menschen auch mit leichten Erkältungssymptomen auf das Virus getestet werden – zumindest in dem Personenkreis, der mit Tieren arbeitet.
Vieles deutet momentan darauf hin, dass Menschen ohne Vorerkrankungen zumindest mit der Virusvariante 2.3.4.4b, die sich seit April in Rinderherden in den USA ausbreitet, deutlich bessere Überlebenschancen haben. Von weltweit weniger als 20 bekannten Fällen sollen die meisten milde verlaufen sein.
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Alarmiert sind Fachleute zwar, weil das Virus die Artenbarriere übersprungen hat, von Vögeln auf Säugetiere übergesprungen ist und sich unter Kühen vermehrt. Martin Beer vom deutschen Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI) vermutet aber laut einem Bericht des Ärzteblatts, dass es durch die Anpassung an den Vogel weniger humanpathogen sei. Wachsamkeit sei geboten, nicht aber Panik.
H5N1 in den USA: Vier infizierte Menschen seit 2022
Die US-Gesundheitsbehörde CDC gibt an, dass sich in diesem Jahr bisher drei Menschen bei Milchkühen angesteckt haben – weit weniger, als es Herden mit infizierten Kühen gibt, denn die Zahl dieser Herden wird mit 136 angegeben.
Demnach stecken sich Menschen in Milchviehbetrieben entweder nicht extrem leicht mit dem Virus an, oder die meisten H5N1-Infektionen sind bisher nicht als solche bemerkt worden – denn flächendeckend getestet wurden Farm-Beschäftigte in den USA bisher nicht. Der stellvertretende CDC-Direktor Nirav Shah empfahl aber genau das schon vor drei Wochen.
Von den drei symptomatisch Betroffenen, bei denen das Virus nachgewiesen wurde, litten zwei laut Medienberichten nur an einer Bindehautentzündung, eine dritte Person unter starken Erkältungssymptomen wie Halsschmerzen und Husten.
Laut CDC hatte sich zuvor nur ein Mensch im Jahr 2022 mit dem Virus angesteckt – allerdings durch Kontakt mit Geflügel.