Vom Warentest zum Unternehmenstest

Bewertung von Unternehmens-Qualität als zusätzliches Kriterium der Kaufentscheidung.

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Nach dem Konsumrausch von Weihnachten und Neujahr könnte bei manchen ein schaler Nachgeschmack bestehen bleiben, wenn sich zum Beispiel herausstellt, dass die schönen Turnschuhe unter menschenunwürdigen Umständen in Vietnam hergestellt wurden. Doch nun gibt es Bemühungen, den Warentest zum Firmentest zu erweitern. Nicht nur die Produktqualität, auch die sozialen Rahmenbedingungen der Herstellung könnten somit Konsumentenentscheidungen beeinflussen.

Kaufen ist zwar sicherlich zunächst eine libidinöse Handlung, aber zugleich kann es auch eine Art von Abstimmung über das produzierende bzw. anbietende Unternehmen sein. Neben der attraktiven und begehrten Ware, die man haben will, soll es beim Hersteller dieser Ware auch halbwegs anständig zugehen. Das interessiert nicht nur die Gruppe der Postmaterialisten (siehe Konsumrausch 2000 ), es müsste auch für Gewerkschafter und sozialpolitisch Denkende interessant sein. Immerhin gab es ja Bemühungen, in die WTO-Spielregeln des Freihandels Sozialstandards einzubauen, wenn auch das letzthin in Seattle vorerst einmal gescheitert ist.

Und, es trübt selbst einem politikabstinentem Verbraucher die Freude an den teuren Gadgets, etwa Nike-Schuhen, wenn er irgendwann per Zufall hören muss, daß sie in einer vietnamesischen Fabrik unter menschenunwürdigen Zuständen hergestellt werden (vgl. Corporate Watch und zu Nike generell ). Nicht viel anders war bzw. ist es bei modischer Bekleidung, etwa Hilfiger, Polo/Ralph Lauren, GAP, Donna Karan, OshKosh B'Gosh, Sears, Wal-Mart, Phillips-Van Heusen, Chadwick's of Boston, Adidas - wie kürzlich der Stern Nr. 43/1999) berichtete.

Statt eine Minimalethik beim Produzieren durch internationale Spielregeln, sozusagen von oben weg, abzusichern, ginge dies auch vom Front-end des Käufers her, schließlich kann dieser ja in seine persönliche Kaufentscheidung ethische, soziale und ökologische Anforderungen einfließen lassen. Prinzipiell - in der Praxis wird dies mit zunehmender Entfernung von Verbraucher und Anbieter schwierig und im virtuellen Shoppingcenter (ECommerce) nahezu unmöglich.

Information über die Unternehmens-Qualität

In einem von Werbung und Marketing kontinuierlich weiter zugemüllten Informationsraum braucht es deshalb "passende" Informationen zu diesen Ethikfragen. Was der herkömmliche Warentest leistet, nämlich unabhängig vom Marketinggetöse grundsätzliche Informationen zu Preis und materieller Qualität des Angebots zu vermitteln, lässt sich mit einem "Unternehmenstest" in ähnlicher Weise herstellen. Das New Yorker CEP (Council on Economic Priorities) hat derartige Ergebnisse in seinem Programm. Auch für Deutschland gibt es inzwischen ähnliche Materialien beim IMUG (Institut für Markt und Gesellschaft) in Hannover.

Die bisherigen "Unternehmenstester" sind - und das ist ein anwendungspraktischer Nachteil - branchenorientiert, nicht produktorientiert. Der willige Konsument müsste seine Kaufentscheidung mit dem Warentest in der einen Hand und dem Unternehmenstest-Führer in der anderen Hand treffen, was aufwendig und deshalb, außer für entschiedene Fans, wenig realistisch ist.

Kombinierter Waren- und Unternehmenstest

Naheliegend wäre es jedoch, beide Elemente zu verbinden. Das findet sich auch als Ergebnis einer von Consumer International (dem globalen Dachverband der Verbraucherorganisationen) angestellten Analyse zu: "Green guidance - How consumer organisations can give better advice on putting sustainable consumption into practice".

Nun, die österreichische Testzeitschrift "konsument" arbeitet an einer Integration von ethischen, ökologischen und sozialverantwortungs-bezogenen Kriterien in den klassischen Warentest. Was dabei relevant ist:

  1. wie ein Unternehmen sich zu seinen Mitarbeitern verhält (etwa: Frauenförderung, Betriebskindergarten, Weiterbildung, soziale Standards, Lehrlingsausbildung, Schaffung von Arbeitsplätzen),
  2. wie das Unternehmen über das Produkt hinaus mit seinen Kunden umgeht,
  3. wie es sich in die lokale und regionale Umwelt seines Standorts einbindet,
  4. wie es als Unternehmen konkret mit Umweltfragen umgeht.

Geplant ist, herkömmliche Warentests mit diesen Kriterien zu ergänzen, so dass ein interessierter Verbraucher nicht nur ein gutes Produkt wählen kann, sondern ein gutes Produkt von einem "guten" Unternehmen.

Front gegen Shareholder-Value

Interessant ist dies auch deshalb, da damit ein kleiner Hebel gegen die heute dominante Ertragsorientierung (Shareholder Value) gesetzt wird. Zum Anforderungsprofil an Unternehmen soll auch gehören, dass neben dem Profit nicht die anderen Dimensionen der Sozialverträglichkeit von Produktion und Konsum unter die Räder kommen, sondern gerade diese Dinge als Gütekriterien publik gemacht werden. Und auch in der Wirtschaft fällt diese Forderung nicht nur auf taube Ohren. In den Sonderbeilagen zu Zeitungen wie der Financial Times überbieten sich die Firmenchefs Multinationaler Konzerne in Bekenntnissen zu "good corporate citizenship". So kündigten zum Beispiel die Unternehmen Toys R Us, Avon Cosmetics und Otto Versand im Dezember 1997 ein "Framework for ethical sourcing" an. Nicht nur in den eigenen Betrieben sollte auf korrekte Arbeitsbedingungen geachtet werden, sondern auch in den vielen Zulieferbetrieben. Doch die Motive hierzu sind nicht rein altruistischer Natur. So sagte ein Sprecher von Avon anlässlich dieser Ankündigung, dass "billige Arbeitskraft auf lange Sicht teuer kommt" und auch ein Sprecher von Otto-Versand stieß ins selbe Horn: "Die Kosten, die entstehen, wenn man sich nicht an ethische Standards hält, sind auf lange Sicht größer als die, die Standards einzuhalten".

Milde Sorte...

Natürlich mag dazu eingewendet werden, dass manche dieser Ankündigungen nicht mehr als publicityträchtige Sonntagsreden sind, die nicht immer in Einklang mit der tatsächlichen Praxis stehen. Und für die Konsumenten ist der Einkauf bei "guten" Unternehmen eine Beruhigungspille gegen das eigene schlechte Gewissen beim Konsum. Es bleibt beim Kaufrausch, nur dann halt mit einem ökosozialen Sahnehäubchen. In Hinblick auf die Ressourcenknappheit, die nach wie vor steigende Umweltbelastung, und auf das Auseinanderdriften von Arm und Reich - sowohl innerhalb der EU, wie auch weltweit - wäre demgegenüber mehr westlicher Konsumverzicht die richtige Alternative (bspw. Simple Living oder Overcoming Consumerism). Doch bei solchen Dingen halten sich selbst die etablierten Verbraucherverbände zurück. Bescheidenheit und Konsumaskese sind offensichtlich völlig out, obschon bei vielen die Einsicht einzusickern beginnt, dass Lebensqualität nicht zwangsläufig eine Frage von quantitativem Konsum ist, hat man einmal ein bestimmtes Mindestniveau erreicht.