Von "Nine Eleven" über Afghanistan bis zum Abzug

Seite 2: Das Erlangen der Informationshoheit

Die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon wurden monatelang, möglicherweise über Jahre geplant und vorbereitet. Wenn man den Pressemeldungen Glauben schenken will, wusste davon weder der US-amerikanische Geheimdienst noch sonst irgendein Geheim- oder Militärdienst. Obwohl es also angeblich weder Spuren noch Hinweise gab, die zu denjenigen führten, die diese Aktionen durchführten, wusste am selben Tag der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark sofort, in welche Richtung zurückgeschlagen werden soll: "Der erste Verdacht gilt Bin Laden."

Dieser Verdacht nährte sich nicht aus Wissen. Was Osama Bin Laden innerhalb von Tagen vom Verdächtigen zum "Drahtzieher" machte, war der Umstand, dass er von den US-Behörden lange vor diesem Anschlag als "Staatsfeind Nummer eins" gehandelt wurde, als "die größte Bedrohung für den Weltfrieden", vom ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton an den amtierenden US-Präsidenten George W.Bush weitergereicht.

Genau so wenig bedurfte es eines offengelegten Beweises, als man dem Hauptverdächtigen die islamistische Organisation Al-Qaida beimischte und für die Anschläge mitverantwortlich machte. Als die afghanische Regierung die USA aufforderten, Beweise für diese Verdächtigungen zu liefern, stellte US-Präsident Bush klar, was er von internationalen Rechtsstandards hält: die Auslieferung von Bin Laden, die Schließung der Ausbildungslager der Al-Qaida ist bedingungslos und nicht verhandelbar.

Hat man den Angriffskrieg erfolgreich in einen "Verteidigungsfall" konvertiert, kann bombardiert, auslöscht, aufgerüstet gelogen, zensiert, bestochen, verschärft, einschränkt, gerastert, genetisch und biometrisch erfasst, abgeschoben, enttabuisiert, schilysiert, schillisiert, normalisiert werden.

Die NATO im Kriegszustand

Die Kriegserklärung der Nato im Septemer 2001 lässt sich am allerwenigsten mit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon erklären - um einiges mehr mit den Schritten, die das Nato-Bündnis dorthin unternommen hat.

Natürlich wäre es verharmlosend, wenn man rückblickend behaupten würde, das 1949 gegründete Nordatlantische Militärbündnis wäre bis dahin ein Verteidigungsbündnis gewesen. Alleine die Tatsache, dass bereits 1945 einige Westalliierte an die militärische Niederlage des (deutschen) Faschismus am liebsten einen Krieg gegen die Sowjetunion angeschlossen hätten, macht deutlich, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht das einzige Ziel der Westalliierten war.

Der Zusammenbruch des Ostblocks 1989/90 hat eigene Gründe. Tatsache ist auch, dass diese Nato-Militärstrategie zur inneren Implosion dieser Widersprüche beigetragen hat, was von Seiten der Nato auch genauso als Erfolg gefeiert wurde.

Zuerst haben wir eine neue Streitkräftestruktur vereinbart. Jetzt tüfteln wir an einer neuen Strategie, und am Ende werden wir dann die Bedrohung suchen, die zu beidem passen könnte.

(Ein hoher Nato-Offizier, zitiert nach Spiegel 17/1993)

Während die einen nach dem Ende des "Kalten Krieges" von einer gerechten Weltordnung fabulierten, machte sich die NATO, im zweiten Schritt, daran, eine neue Strategie zu entwerfen, die den bevorstehenden militärischen Interventionen den Weg weisen sollte.

Bereits 1991, auf dem Nato-Gipfel in Rom, war es so weit. Fast nichts wurde ausgelassen, was von nun an Grund für eine militärische Intervention sein könnte. Die Sicherheit des Bündnisses müsse auch den globalen Kontext berücksichtigen; die Sicherheitsinteressen können von vielfältigen Risiken berührt werden, einschließlich der "Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, der Unterbrechung der Versorgung mit lebenswichtigen Ressourcen sowie von Terror- und Sabotageakten", hieß es.

1999 hatte die NATO allen Grund zum Feiern. Mit dem Irak- und dem Jugoslawien-Krieg hatte sie bewiesen, dass Kriege in großem Maßstab und ohne große eigene Verluste wieder führbar waren. Grund genug, mit dem 50. Geburtstag des nordatlantischen Militärbündnissen auch gleich eine Neubestimmung strategischer Ziele vorzunehmen.

Was mit diesen Angriffskriegen längst Realität geworden ist, sollte nun auch in den einzelnen Nato-Artikeln nachzulesen sein: das Ende eines Militärbündnisses, das die territoriale Integrität seiner Mitgliedsstaaten schützt und das feierliche Gelöbnis, von nun an globale Interessen über alle territorialen Grenzen hinweg auch militärisch zu verfolgen. Der Entterritorialisierung ökonomischer und geopolitischer Ziele (nach dem Zusammenbruch des Ostblocks) folgte die Entterritorialisierung militärischer Strategien - schwarz auf weiß.

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