Von "Nine Eleven" über Afghanistan bis zum Abzug

Seite 3: Maskenbildner des Krieges

Nicht einmal zwei Tage nach dem Anschlag auf World Trade Center und Pentagon hatten die US-Behörden den Hauptschuldigen: Osama Bin Laden. Ohne einen einzigen Beweis für diese Behauptung einigten sich die Medien des "freien Westens" auf diese festgelegte Spur

Es gibt viele Gründe, warum die USA und die Nato ihren "ersten Krieg im 21. Jahrhundert" in Afghanistan begonnen haben. Die Unterdrückung von Frauen, die unbeschreibliche Armut, der Verlust menschenwürdiger Existenzgrundlagen, das undemokratische, autoritäre Taliban-Regime in Afghanistan auch nur einen Millimeter in die Nähe einer Kriegsbegründung zu rücken, ist nicht nur zynisch. Ein solcher Versuch ist auch unbeschreiblich heuchlerisch, wenn man sich der Geschichte Afghanistans nähert.

1979 hatte die Sowjetunion in Afghanistan interveniert, um die damalige prokommunistische Regierung auch militärisch zu stützen. Das war zugleich der Startschuss für die größte verdeckte Operation des US-Geheimdienstes CIA in dieser Region. Vor allem über Pakistan wurde die antikommunistische Opposition, die Mudschahedin, militärisch ausgebildet, instruiert sowie mit Waffen und Koordinaten von Angriffszielen versorgt.

Die USA hatten dabei ein einziges Ziel, koste es, was es wolle: die Verwandlung Afghanistans ist ein "zweites Vietnam". Die Ziele der Opposition, der Mudschahedin, die Gesellschaft, die sie sich vorstellten, das religiöse Weltbild, mit dem sie in den Krieg zogen, waren den USA so egal, wie die Folgen des Krieges. Die USA lieferten das Geld und die Waffen, die Mudschahedin die Soldaten.

Selbst als sich die Sowjetunion aus Afghanistan zurückziehen wollte und einen UN-Friedensplan unterschrieb, der eine Regierung der "nationalen Aussöhnung" unter Beteiligung der Opposition vorsah, änderte das nichts an den US-Strategien. Im Gegenteil: Sie erhöhten die verdeckte Militärhilfe, verließen schließlich die mehr als dürftige Deckung und rüsteten die Mudschahedin mit modernen US-Waffen aus, u.a. mit Boden-Luft-Raketen der Marke "Stinger". Der UN-Friedensplan, den auch die USA formal unterschrieben hatten, wurde hinfällig und die Sowjetunion besiegelte mit dem vollständigen Rückzug 1989 ihre erste militärische Niederlage.

Die USA hatten ihr Ziel erreicht:

Wir haben zur Ausrottung eines Übels beigetragen. Alles in allem hat sich der Einsatz gelohnt.

(Frank Anderson, CIA-Leiter des Einsatzkommandos Afghanistan, in "Allahs Soldaten in Afghanistan" ARD-Sendung vom 2. Oktober 2001)

So wenig es interessierte, wie die Menschen unter diesem "Übel" lebten, so wenig rührten deren Lebensumstände nach dessen "Beseitigung". Sie waren und sind grauenhaft: Mehr als fünf Millionen Menschen in Afghanistan wurden in diesem Krieg verwundet oder vertrieben. Mehr als 100.000 Menschen wurden in diesem Krieg allein nach Beginn der systematischen Dokumentation im Jahr 2009 getötet. Der vor allem von den USA finanzierte Krieg hatte sonst nur eines zurückgelassen: unbeschreibliche Armut. Ein Elend, das durch den Krieg unter den siegreichen "Gotteskriegern" nur noch vergrößerte wurde.

Ob einer dieser Kriegshelden Bin Laden hieß oder nicht - für die USA hatten sie sich verdient gemacht, im Kampf gegen den Kommunismus. Hatte 1990 jemand von einer "humanitären Katastrophe" geredet? Wurde damals darüber getalkt, was an die Stelle der "kommunistischen Regierung" gebombt wurde? Wurden damals die USA wegen Führung eines völkerrechtswidrigen Krieges angeklagt?

Der Beginn eines angekündigten Weltkrieges

Knapp vier Wochen ließen sich die USA für ihre Kriegsvorbereitungen Zeit. Ab dem 7. Oktober 2001 werden "legitime Ziele" in Afghanistan bombardiert. In den westlichen Medien ist man voller Lob. Regierungsvertreter der "Allianz gegen den Terror" bekunden ihre uneingeschränkte Solidarität. Wer als Nato-Staat noch nicht direkt dabei ist, bettelt um eine entsprechende Aufforderung und der US-Präsident ist sich in seiner Kriegserklärung gegenüber Afghanistan ganz sicher, dass "Gott Amerika weiter beschützen" wird. Die europäischen Kriegspartner setzen weniger auf Gott, als auf eine sorgfältige Kriegsplanung und basteln bereits an Plänen, wie sie Afghanistan, nach dem Krieg, politisch-wohlgefällig gestalten wollen.

Selbst die "besonnenen" Stimmen im alliierten Kriegschor zeigen sich höchst zufrieden und erhört. Das selbstgeschmiedete Bild vom US-Präsidenten als texanischen Cowboy, der wild und blind um sich schlägt, kann zurück in die Bildermappe gefälliger, antiamerikanischer Klischees.

Man fühlt sich aufgehoben und angenommen und verleiht dem begonnenen Krieg vorab das Prädikat "umsichtig" und "besonders empfehlenswert". Als besonders gelungen feiern sie den Abwurf von Bomben und Care-Paketen und sehen damit ihren humanitären Anspruch als Kriegspartner eingelöst.

Selbstverständlich sehen die Parteien in Deutschland, von CDU bis hin zu den Grünen, keine Alternative zum Krieg. Selbstverständlich sind für sie die Beweise unter anderem gegen "Bin Laden" erdrückend. So erdrückend, dass ihnen im Traum nicht einfallen würde, ein ganz gewöhnliches Auslieferungsverfahren zu befürworten, nach internationalen Standards, deren Einhaltung und Achtung sie alle - irgendwo anders auf der Welt - vehement einfordern würden.

Selbstverständlich reden sie vom Recht auf Selbstverteidigung, so selbstverständlich, dass sie ausrasten würden, wenn irgend ein anderes Land (nehmen wir z.B. den Sudan nach dem US-Terroranschlag auf eine pharmazeutische Fabrik oder Nicaragua, nach der Verminung von Häfen durch US-Spezialeinheiten) dasselbe Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen würde.

Weder ganz normale gestandene Kriegsbefürworter, noch besonnene Kriegspazifisten verlieren darüber ein Wort. Sie wissen, dass es bei Angriffskriegen nicht darauf ankommt, ob man sie mit der UN-Charta begründen kann. Entscheidend ist einzig und allein, dass man einen Krieg militärisch und politisch gewinnen kann. Das Recht folgt dann unweigerlich den siegreichen Kriegsherren.

Ist dieser narkotisierte Zustand erst einmal erreicht, bleibt, bei aller Besonnenheit und Begeisterung, nur noch Krieg. Die damalige CDU-Parteichefin und spätere Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet den Krieg als "unabwendbar und alternativlos". Die Grünen signalisieren Geschlossenheit und proben mit dem Länderrat-Votum für "begrenzte Militäraktionen" das gewünschte Abstimmungsergebnis auf Bundesebene. Und seitdem der grüne Außenminister Joschka Fischer seine Parteifreunde wissen ließ, dass eine "Überreaktion" genau so fatale Folgen haben kann, wie eine "Unterreaktion", wissen wir, dass antimilitaristische und pazifistische Grundwerte in der grünen Partei zu den "Unterreaktionen" zählen.

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